Wissen Sie, Champagner schmeckt ja per se

Eine Gala ist laut Definition eine Veranstaltung, bei der man festliche Kleidung trägt. Diese festliche Kleidung, dieser Dresscode, wie man heute sagt, kann den festlichen Rahmen der Veranstaltung unterstreichen, muss er aber nicht. Angesagt war der Dresscode Business Attire, man trägt also noch den Anzug aus dem Büro, darf sich aber gnädiger Weise seiner Krawatte entledigen. Mit dem Mantel war das Entledigen dagegen so eine Sache, da musste ich dann von der Gala im zweiten Stock wieder ganz nach unten und traf auf den Mann, der mich netterweise ebenerdig hereingelassen hatte, da die Damen am Empfang der Gala mein Flehen gar nicht wahrgenommen hatten. Dafür war es an diesem Abend in der Lounge zu laut und die Klingel zu leise. Ganz nebenbei bemerkt erinnerte mich das an eine Episode in Berlin, als die DDR noch existierte und ich mein getauschtes Ostgeld in etwas Vernünftiges umwandeln wollte und mich damals entschlossen hatte, im Palast der Republik zu speisen. Das Restaurant lag im obersten Stockwerk, verfügte jedoch über keinen Kleiderständer, so dass ich meinen Mantel über einen Stuhl drapiert hatte. Dieser zog den missbilligenden Blick des Kellners auf sich, der mich dann in seiner gleichzeitig ausgeübten Funktion als Blockwart unmissverständlich aufforderte, den Mantel in der Garderobe abzugeben. Diese allerdings befand sich im Keller des Palastes der Republik. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.

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Als Lounge bezeichnet man eigentlich einen exklusiven Warte- oder Aufenthaltsraum, und wenn der dann auch noch den Titel Hanse trägt, dann bekommt die Lounge schnell eine gediegene Clubatmosphäre mit viel Holz und Messing und einer gewissen Schwere, die von oben drückt. Da diese Lounge am Neuen Wall liegt und dann auch etwas erhoben und erhaben in den oberen Stockwerken, muss man eben unten klingeln.

Wieder oben angekommen erhielt ich drei Gutscheine für je eine Auster. Im Laufe des Abends habe ich mich, da ich im Gegensatz zu vielen der Anwesenden, Austern esse, über einen ganzen Schwung weiterer Gutscheine gefreut, die man mir gerne zusteckte. Dies wäre jedoch eigentlich gar nicht notwendig gewesen, wie sich später herausstellte, da die Bedienung die zu fortgeschrittener Stunde auch einfach so herumreichte und fast wie Sauerbier anbieten musste. Sauerbier passt natürlich auch nur bedingt zu Champagner und, ach ja, das war ja der eigentliche Grund, weshalb ich mich überhaupt noch mal aufgemacht hatte, in die Stadt zu fahren. Da ich tagsüber normalerweise nicht nach dem Dresscode Business Attire gekleidet bin, hatte ich mich dafür übrigens extra noch mal umgezogen. Dabei ist mir aufgefallen, dass ich meine Schuhe neue besohlen lassen sollte und für die Hose des Anzugs ein schmalerer schwarzer Gürtel notwendig wäre, um das nächste Mal noch ein wenig mehr attire zu sein.

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Bei Weinveranstaltungen in der Hansestadt trifft man zum großen Teil immer dieselben Leute. Es ist ein kleines Clübchen aus Weinhändlern, Sommeliers und, ähm, Weinjournalisten, die quer durch die Stadt in regelmäßigen Abständen Bussis verteilen, mal mit einem Glas Blaufränkisch in der Hand, mal mit Vinho Verde oder, wie in diesem Fall, mit Champagner. Da dies jedoch eine Gala war und (zumindest zu fortgeschrittener Stunde) nicht für Fachpublikum reserviert, durchmischte sich die Weingesellschaft mit Menschen, die den Dresscode ernstgenommen hatten. Der Anteil an Personen mit Stöckelschuhen, die dann im Laufe des Abends in zunehmendem Maße umknickten, war entsprechend ungewöhnlich hoch.

Glücklicherweise wurde der gediegene Rahmen der Gala des kulinarischen Lifestyles dadurch aufgebrochen, dass Vertreter verschiedenster Champagnerhäuser in drei Räumen der Lounge ihre Weine feilboten und damit zu einer deutlich Auflockerung der Atmosphäre beitrugen. Selbst jene der Weinbranche, die sonst am Anfang von Weinveranstaltungen immer eisern spucken, üben bei Champagner von vornherein wenig Zurückhaltung. Champagner sei einfach immer zu schade, um gespuckt zu werden, höre ich. Oder, wie eine mir unbekannte Dame feststellte, die sich irgendwann kurzfristig auf meinen Arm stützen musste: “Wissen Sie, Champagner schmeckt ja per se.”

5 Kommentare

  1. Austern satt. Champagner satt. Dieser Blogger muss ein glücklicher Menschen sein. Was kümmern da dünnere Gürtel?

  2. Ich kann ja nur sagen – ich kenne Christoph im Anzug und er ist sowas von attire, ganz egal wie schmal der Gürtel ist 🙂
    Und ein Gürtel kann so breit oder schmal sein, wie er will, solange wir ihn nicht enger schnallen müssen, oder?

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