Hamburg sucht den Austernwein… und hat ihn gefunden

Vor zwei Wochen haben Hamburger (Wein-)Freunde den Wein zur Auster gesucht und gefunden. Stephan Bauer, der hier sonst über Vouvray und Beaujolais schreibt, hatte den Abend organisiert. Da liegt es auf der Hand, dass er auch darüber schreibt:

Wer kennt sie nicht, diese Unterhaltungen? Welcher Wein passt am besten zu…? In diesem Fall geht es um Austern. Schon häufig haben wir uns darüber unterhalten, welches Getränk in welcher Region zu welchen Austern serviert und getrunken wird. Jeder hat schöne Geschichten auf Lager von tollen Austern und Wein Kombinationen. Der eigentlich säuerliche Gros Plant du Nantais schmeckt beim Ostreiculteur zu Hause zu den Marennes d’Oléron einfach göttlich, der Supermarkt-Muscadet im Urlaub hervorragend zu frischen Austern vom Markt.

Austern

Aus verschiedenen neuen und alten Büchern, Internet-Blogs, aus Urlauben, aus Restaurant-Besuchen, etc. kommen immer mehr Inspirationen zusammen. Johannes King soll in seinem Restaurant auf Sylt restsüße Moselrieslinge zu den Sylter Royal Austern servieren, Hugh Johnson empfiehlt Sauternes zu Austern, in Schottland soll man Single Malt zu Austern trinken und in Irland Guinness. Und dazu gibt es natürlich die unbestrittenen Austern-Klassiker, meistens Weine aus Gegenden, in denen auch Austern gezüchtet werden: Entre-Deux-Mers, Muscadet, Champagner, Chablis, Picpoul-de-Pinet, Albarino aus den Rias Baixas. Wir wollten es jetzt mal genauer wissen und so entstand die Idee, den Austernstar zu suchen.

Zehn Freunde trafen sich in Hamburg, jeder brachte eine Flasche mit, dazu hatten wir noch zwei „Wildcards“ und natürlich Austern – ein Dutzend pro Person. Wegen der kleineren Größe entschieden wir uns für Creuses aus der Normandie, sozusagen 08/15 Austern. Diese erwiesen sich als Volltreffer, waren sehr schön frisch, hatten noch viel Meerwasser, das man gut dosieren konnte und waren eher mineralisch-jodig im Geschmack als buttrig-nussig.

Die Zusammenstellung der Weine gestaltete sich nicht einfach. Lieber mehr Klassiker oder doch mehr Experimentalweine? In die Breite gehen oder ins Detail? Am Ende hatten wir eine sehr schöne Mischung aus Klassikern und Experimenten und vor allem Weine, die mit Bedacht ausgewählt waren. Keiner in der Runde verfiel der Versuchung, einen Kracherwein mitzubringen, der für sich großartig ist, aber vielleicht nicht der perfekte Austernbegleiter. So blieben die Chablis Grand Crus, die Pessac-Léognan Grand Cru Classés und die G-Maxe zu Hause. Stattdessen hatten wir Weine aus dem gehobenen Mittelfeld, die sich ganz überwiegend in der Preisklasse zwischen 10 und 20 Euro bewegten mit drei Ausreißern nach oben.

Die Austern blieben pur, etwas Zitrone stand bereit, Baguette und gesalzene bretonische Butter. Die Weine wurden dazu offen serviert und zwar in einer Reihenfolge, die versuchte, in der Mitte ein kleines „Frischefenster“ einzubauen, damit auch alle Teilnehmer bis zum 12. Wein durchhalten würden. Die Ergebnisse waren höchst interessant. Der Beginn war eher enttäuschend, dann kam ein großes Hoch in der Mitte, dann wieder ein Tief und zum Schluss das Grande Finale mit einem wunderbaren 1997 Château Climens (Barsac). Interessant war vor allem, dass sich die Runde vor dem Château Climens eigentlich schon festgelegt hatte, was einen guten Austernwein ausmacht: kein Holz, eher jung, nicht zu hochklassig und komplex, ein völlig trockenes Mundgefühl. Alle diese Attribute erfüllte der Château Climens nicht, so dass die Austern- und Weinfrage am Ende nur unzureichend beantwortet schien und eine Wiederholung geradezu vorprogrammiert war. Aber zurück zum Anfang. 12 Weine hatten wir im Rennen, und zwar die Folgenden:

Veuve Fourny – NV Champagne Blanc de Blancs Premier Cru Brut Nature

Amabuki – NV Junmai Daiginjo Rhododendron

Equipos Navazos/Bodegas Pérez Barquero – 2011 Montilla-Moriles OVNI

Bodegas Attis – 2013 Rias Baixas “Genio y Figura”

Domaine William Fèvre – 2010 Chablis Village

Domaine de la Pepière – 2010 Muscadet Sèvre et Maine “Cuvée 4”

Alphonse Mellot – 2013 Sancerre La Moussière

Denis Dubourdieu – 2012 Graves Blanc Clos Floridène

Domaine William Fèvre – 2006 Chablis 1er Cru Vaulorent

Domaine du Clos Naudin – 2007 Vouvray Sec

Schloss Lieser – 1998 Lieser Niederberg Helden Riesling Spätlese #7

Château Climens – 1997 Barsac 1er Grand Cru Classé

Von Champagnern, Sakes und PX…
Der Start war tatsächlich eher holprig. Sehr trockener Chardonnay basierter Champagner und Austern gelten an sich als Traumkombination und der Veuve Fourny BdB Brut Nature war für sich genommen auch ein wunderbarer Champagner, der zwar knalltrocken, aber nicht karg war. Durch die Auster wurde er aber etwas kreidig-staubig und wirkte etwas freudlos. Das ging nicht schlecht zusammen, richtig gut aber auch nicht.

In Hipster-Sommelier Kreisen wird gemunkelt, Sake sei das einzig wahre Getränk zu Austern. Bei Sake gibt es ja eine Vielfalt wie bei Wein. Vielleicht hatten wir den falschen Sake. Aber der Rhododendron schmeckte zur Auster überhaupt nicht, durch den hohen Alkohol war der Sake zu wuchtig und erdrückte die Auster vollkommen. Da Sake generell eher hoch im Alkohol ist, ist diese Kombination auch keine, die ich unbedingt noch einmal ausprobieren muss.

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Dann kam der nächste Hipster-Wein. Im Londoner East-End kann es sich kaum ein Restaurant erlauben, Sherries von Equipos Navazos, den Trüffelschweinen aus Jerez, nicht anzubieten. Zu recht, denn die Sherries und auch der Cava sind mehr als ausgezeichnet. Der „OVNI“ hingegen ist kein sehr oxidativer Wein. Der Herausgeber dieses Blogs hat ihn hier neulich genauer beschrieben. Der OVNI ist wirklich ein schöner und sehr eigenständiger Wein, aber auch er hatte es schwer zur Auster und profitierte gar nicht von der Kombination. Gewisse angelegte Matschapfel- und Quittennoten wurden durch die Auster eher noch verstärkt, er verlor durch die Auster an Frische.

…zu den Austernklassikern…
An dieser Stelle fragten wir uns am Tisch, ob denn überhaupt noch ein Wein zur Auster passen werde. Aber wenn man vom Teufel spricht… Den an dieser Stelle folgenden Albarino hatte niemand auf dem Zettel, am Ende wurde er fast der Austernstar. Albarino aus Rias Baixas war in den 00er Jahren mal das große Ding, wurde aber recht schnell von anderen großen Dingern abgelöst. Und so ist diese Rebsorte, die in Portugal Alvarinho heißt, mittlerweile etwas in Vergessenheit geraten, was die Liebhaber versatiler und tendenziell fruchtbetonter trockener Weißweine mit maritimem Flair freut, da sie hervorragende Weine zu erschwinglichen Preisen erstehen können. Was die Quinta do SoalheiroAnselmo Mendes und andere in Portugal mit Alvarinho anstellen, ist nichts weniger als atemberaubend. Der bei uns anstehende Albarino der Bodegas Attis war auf den ersten Blick vielleicht etwas unspektakulär, wusste aber mit seiner Frische, Ausgewogenheit und Sortentypizität zu überzeugen. Und zur Auster war er ein Volltreffer, wertete die Auster geschmacklich auf und profitierte selber von der Auster. Nahezu jeder am Tisch fragte an dieser Stelle, ob es nicht doch mehr als 12 Austern pro Person gibt.

Als nächstes kamen zwei Austern-Klassiker: Chablis und Muscadet, hier beide aus 2010. Der Chablis von William Fèvre ist ein Klassiker und preislich sehr attraktiv. Wer hätte bei einem einfachen Chablis aus dem sehr guten und langsam reifenden Jahr 2010 gedacht, dass er zu komplex für die Auster sein könnte? Jedenfalls keiner am Tisch. Und trotz aller angelegten Harmonie kamen keine Begeisterungsstürme auf. Die Unbeschwertheit des Albarino war hier nicht mehr vorhanden, es fehlte einfach das letzte Quäntchen, um Wein und Auster auf ein gemeinsames Plateau zu heben.

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Auch der Muscadet konnte das nicht leisten. Auch hier wäre vielleicht weniger mehr gewesen. Mit unter 15 Euro ist die Cuvée 4 der Domaine de la Pepière absolut gesehen kein teurer Wein, dennoch für Muscadet im deutlich oberen Preissegment. Bei vier Jahren Hefelager ist der Preis dennoch ein Witz. Die vier Jahre Hefelager gaben dem Wein allerdings auch einiges an Struktur, das sich zur Auster eher als hinderlich erwies. Am Tisch kam mehrfach die Vermutung auf, dass ein unkomplizierter 5 Euro Muscadet vielleicht die bessere Wahl gewesen wäre. Diese Vermutung hat einiges für sich.

…über zwei Sauvignonbasierte Weine…
Damit waren zwei Favoriten aus dem Rennen. Es folgten zwei Sauvignon Blanc basierte Weine, die im Vorhinein nicht als Favoriten gehandelt wurden. Beide landeten am Ende aber unter den Top 4. Alphonse Mellot war in Deutschland lange kein Thema, sehr hohe Parkerpunkte für die Jahrgänge 2012 und 2013 riefen aber gleich mehrere Händler auf den Plan, so dass die Mellot Sancerres nunmehr breit verfügbar sind. Der 2013 La Moussière wurde vom Wine Advocate mit 94 Punkten vielleicht etwas großzügig bewertet, darüber, dass dies ein wunderbarer Sauvignon Blanc ist, waren sich aber alle einig. Grasig-grüne Kiwi- und Stachelbeerfrucht muss man hier nicht befürchten. Im Vordergrund steht vielmehr eine geradezu luftige Anmutung und schwerelose Finesse. Zur Auster passte das hervorragend. Die Freude über die Leichtigkeit des Seins und eine gewisse Beschwingtheit stellten sich am Tisch ein.

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Die ging auch beim nächsten Wein weiter, dem Clos Floridène aus 2012. Denis Dubourdieu, der Winzer dieses Weins, ist nur wenigen Leuten ein Begriff, auch wenn er im Bordelais in etwa einen Ruf hat wie Michel Rolland oder Stéphane Derenoncourt, nämlich den eines „Starönologen“. Anders als Rolland steht Dubourdieu aber nicht für sogenannte „Hedonisten-(Rot-)weine“, sondern für Weißwein. Und er verkauft seine Weine zu sehr verbraucherfreundlichen Preisen. Neben dem Doisy Daene (in trocken ein 100% Sauvignon Blanc) ist aus dem Dubourdieu Stall vor allem der Clos Floridène bekannt, eine Cuvée aus Sauvignon Blanc (50%), Semillon (47%) und Muscadelle (3%). Mit Holz weiß Dubourdieu umzugehen, das merkt man sofort. Die Frische des Sauvignon und die Duftigkeit des Semillon vermählen sich in diesem Wein auf sehr schöne Weise. Und zur Auster war der Wein einfach perfekt. Das Holz störte überhaupt nicht. Die Kombination machte einfach nur Riesenspaß.

…zu gereifteren Gewächsen…
Und nach diesem Zwischenhoch wurde es erst einmal wieder schwierig. Zunächst kam mit dem 2006er Fourchaume Vignoble de Vaulorent Premier Cru ein weiterer Chablis von William Fèvre, jetzt gereifter und komplexer. Auch bei diesem Chablis zeigte sich, dass Komplexität und Auster nicht immer gut zusammenpassen. War der 2006 Chablis Vaulorent für sich ganz wunderbar, sehr subtil, harmonisch und soft, trotzdem spannend, so wirkte er zusammen mit Auster eher schal und schwerfällig. Warum auch immer.

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Mit dem nächsten Wein wurde es richtig spannend. In dem Weinbuch „Der Wein zum Essen. Das Essen zum Wein“ von Reinhold Paukner wird trockener Vouvray zu Austern empfohlen. Philippe Foreau hatte aber einem der Teilnehmer des Abends erzählt, dass seine Weine zu allen möglichen Gerichten passen, aber nicht zu Austern. Ob Chenin Blanc und Austern nun eine Kombination aus der Hölle oder aus dem Himmel ist, das wollten wir herausfinden. Tatsächlich ist es eine Höllenkombination, der an sich sehr schöne 2007 Vouvray Sec von Clos Naudin schmeckte zur Auster regelrecht widerwärtig, ein bisschen faulig und überreif, Attribute, die der Wein ohne Auster gar nicht erfüllte. Nun denn, dieses Experiment kann man abhaken.

…Riesling passt nicht…
Als nächstes hätte es eigentlich eine Grünhäuser Spätlese geben sollen, die aber leider korkte. So kam als Ersatz eine Vesteigerungsspätlese von Schloss Lieser zum Einsatz. Auf Sylt wird im Söl’Ring Hof von Johannes King gereifter restsüßer Riesling zu Sylter Royal Austern propagiert. Hier kommt es im Zweifel aber auf die Details an. Die schon deutlich mit Petrolnoten versehene Schloss Lieser Niederberger Helden Riesling Spätlese 1998 mit ihrem sehr kontrastreichen Süße-Säure-Spiel und einer durchaus prägnanten Süße ließ der Auster letztlich keine Chance und dominierte diese völlig. Da ist vielleicht eher ein junger Kabinett eine gute Wahl.

…und Sauternes ist der Austernstar.
Jetzt erwartete an sich niemand mehr etwas, denn Sauternes und Austern kam uns eher wie ein Marketing-Gag der darbenden Winzerschaft aus Sauternes und Barsac vor, denn wie eine auch außerhalb des Bordelais gebräuchliche Kombination. Hugh Johnson empfiehlt diese Kombination in seinem Buch und rät zu einem nicht zu üppigen Sauternes. Château Climens ist nach Château d’Yquem die Nummer 2 in der Gegend und besticht gerade durch seine Frische, seine nicht zu ausgeprägte Süße, eine gewisse Kalkigkeit und eher moderat eingesetzte Botrytis. Für Climens Verhältnisse war der ausgewählte 1997er sogar eher üppig, passte trotzdem himmlisch zur Auster. Über Süße oder Botrytis musste man sich hier gar keine Gedanken machen, im Mund brannten Auster und Wein einfach ein Feuerwerk der Glücksgefühle ab, bei dem man sich wünschte, dass es nie aufhören wird. Warum das so gut funktionierte, ist rational kaum zu erklären, aber es funktionierte.

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So endete der Austernabend mit einem emotionalen Highlight für Herz und Seele, für den Kopf aber mit der Erkenntnis, dass vermeintliche Wahrheiten auch hier nur so lange gelten, bis sie widerlegt werden. Mit einem eher üppigen Rieussec aus einem warmen Jahr mag die Auster unter Umständen nicht so gut harmonieren wie der Climens, auch andere Austern können stets andere Ergebnisse erzeugen. Als grobe Richtschnur haben wir aber schon mitgenommen, dass junge Weine zu Austern eigentlich immer gehen und dass eher einfache Weine prinzipiell ausreichen. Wer weiß jedoch, ob diese Prinzipien bei der nächsten Ausgabe von Hamburg sucht den Austernwein nicht schon wieder überholt sein werden.

1 Kommentare

  1. […] ist Sauternes allemal. Sehr lesenswert hierzu übrigens der Artikel von Stephan Bauer „  Hamburg sucht den Austernwein“ im Blog von Christof Raffelt, Originalverkorkt.de mit ein paar interessanten Testkandidaten. Mit der richtigen Süß-Säure klappt‘s auch mit der […]

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