Ein Volk von 80 Millionen mit jahrhundertealter Weinbautradition benötigt einen Briten, um ein vernünftiges Buch über deutschen Wein zu schreiben. Es ist eine Schande, ist es nicht?
Aber es wundert mich nun auch nicht; denn dem, was in diesem Land zum Thema Wein veröffentlicht wird fehlt, häufig ein entscheidendes Element: die Begeisterung, ja, die schonungslose Begeisterung – gepaart mit Fachverstand, selbstredend, aber das setze ich mal voraus; denn es ist ja ein Fachmann, der schreibt. Unter den vielen Weinjournalisten gibt es zumindest einen, der seiner Begeisterung für deutschen Wein, im speziellen Riesling, immer wieder freien Lauf lässt. Und das ist der Wahlberliner Stuart Pigott. Er macht das, worüber andere hier immer wieder nur lächeln (wenn man Glück hat) oder die Nase rümpfen (wenn man Pech hat) oder nur den Kopf schütteln und sich abwenden. Er redet drauf los, teils mit Vokabeln, für deren Gebrauch man an der Henri-Nannen-Schule für absolutistische Wortakrobatik mit dem nassen Lappen geschlagen würde. Aber er sagt es einfach. Und wenn das auch manchmal etwas exaltiert ist und auch mich bei Zeiten nervt, möchte ich ihm doch trotzdem meinen Respekt erweisen. Denn er tut uns gut. Er hebt das Thema Wein vom aristokratischen Sockel, ohne es auch nur im Geringsten zu beschädigen. Im Gegenteil, er schreibt für viele, die nicht dem Mouton-Geldbeutel besitzen, er schreibt für jene, die nicht jeden Super-Tuscan nur dem Namen nach kaufen, und er verbindet Meinung, Amüsement, Begeisterung und Fachwissen zu einer kurzweiligen Mixtur, wie sie im angloamerikanischen Raum häufig, hier aber fast nie anzutreffen ist.
In diesem dicken Schinken namens »Wein spricht deutsch« allerdings hat Stuart Pigott nicht einfach nur drauflos geschwafelt, nein, er hat es vorgezogen, sich ein Team aus Weinenthusiasten zu suchen, dazu begabte Grafiker, Fotografen und Setzer, um ein gleichsam schön zu lesendes wie anzuschauendes Buch zu gestalten.
Was will ich mehr? Mäkeln kann man natürlich immer, aber ich unterlasse hier mal gerade jedwede Kritik, weil dieses kiloschwere Buch für mich ein Meilenstein ist, weil man per se solch liebevoll gestaltete Bücher selten findet und weil ich finde, dass die Auswahl gelungen ist und es natürlich nur eine Auswahl sein kann und es bestimmt viele gibt, die bitterlich weinen, weil sie nicht drin vorkommen, und die haben dann auch noch Freunde und Gönner und Kunden, die auch bitterlich weinen und hämische Kritiken schreiben. Aber das ist ja immer so.
Nein, ich finde, es ist kompetent geschrieben, es ist informativ, die Bilder wurden ausgezeichnet fotografiert, ohne in irgendeiner Form schwülstig zu sein (es gibt da ja mittlerweile Weinmagazine, bei denen fehlen eigentlich nur noch die nackten Frauen, die sich neben der weichgezeichneten und dramatisch-gephotoshopten Château Petrus Balthasar räckeln). Ich für meinen Teil finde es lediglich bedauerlich, dass das Buch auf Grund seines Preises vielen, denen ich es ans Herz legen möchte, schlichtweg zu teuer sein dürfte – das liegt aber in der Natur der Sache, weil die Qualität des Inhaltes wie des Drucks und des Papiers stimmt. Und billig gibt es so etwas halt nicht.
Wein spricht deutsch: Weine, Winzer, Weinlandschaften (Gebundene Ausgabe) von Stuart Pigott, Ursula Heinzelmann, Chandra Kurt, Manfred Lüer & Stephan Reinhardt (Autor), Scherz-Verlag, 78,- Euro
Wir waren von dem Werk nicht so begeistert. Der Stil ist extrem schwankend (was natürlich an den unterschiedlichen Autoren liegt), im besten Fall ist er informativ, im schlimmsten holprig. Spaß macht kaum einer der Artikel.
Was aber gar nicht geht: der Register-Teil. Bei solch einem Werk müssen die Weingüter alphabetisch geordnet sein, nicht erstmal nach Regionen. Und ein Stichwortregister gibt’s auch nicht, oder täusche ich mich?
Unsere Kritik gibt’s hier: http://gotorio.squarespace.com/start/2007/9/30/wein-spricht-deutsch-und-deutsch-ist-schwer.html
Das, was ich geschrieben habe war sehr unkritisch – wie im Artikel bemerkt. Eher eine Spontanvergärung als eine fachliche korrekte Beschreibung.
Natürlich ist deine Kritik ausgewogener. Das Buch hat durchaus Schwachstellen, das Glossar ist klein, ein Stichwortverzeichnis ist tatsächlich nicht vorhanden und das ist eine Pleite bei einem Buch dieser Größenordnung. Ja, und die Weingutliste ist ein wenig seltsam gegliedert, auch wenn ich es nicht schlimm finde, dass dies nach Anbaugebieten erfolgt. Ja, auch der Schreibstil ist teils ein wenig holprig.
Trotzdem finde ich das Buch sehr wichtig und aussergewöhnlich auf dem Weinbuchmarktund halte die Artikel für durchaus sehr lesenswert und durchaus sehr informativ. Natürlich können die Autoren die Arbeit der einzelnen Winzer nur streifen aber ich finde schon, dass man einen guten Überblick über die Historie und die Eigenheiten der Anbaugebiete erhält und eben auch über die Eigenheiten der Winzer und ihrer Weine. Ich finde nicht, dass es zu distanziert bleibt. Ich habe vieles intensiv gelesen und werde das auch weiter tun. Aber vielleicht bin ich auch schon zu hartgesotten?