Dezember hat viel mit Traditionen zu tun – Weihnachten, Silvester natürlich, die Adventszeit und so weiter. Es wird oft so viel in den letzten Wochen des Jahres, dass es Not tut, zwischendurch mal einen Stopp zu machen. Deshalb gibt es in meiner Weihnachtszeit mittlerweile zwei Termine, die möglicherweise ebenfalls zu einer Tradition werden. Noch aber sind sie zu jung dafür. Der erste Termin findet seit ein paar Jahren immer am ersten Dezemberwochenende statt und wir laden Freunde ein, schenken zu einem bestimmten Thema Weine ein und ich koche dazu. Es kommen Freunde aus der Schweiz, aus anderen Teilen der Republik und natürlich vor allem aus Hamburg. Unser Thema in diesem Jahr waren gereifte Weine von der Nordrhône. Und meine spezielle Herausforderung war, dazu zu kochen: acht Gänge für acht Personen. Das hatte ich bisher noch nicht gemacht, zumal nicht in einer so kleinen Küche, wie wir sie haben. Die Herausforderung bestand also nicht nur darin, zu mir weitgehend unbekannten Weinen die richtigen Zutaten zu finden sondern auch so zu kochen, dass ich selber mitessen und mittrinken können würde. Die Vorbereitung eines solchen Abends aber ist ja fast so schön wie der Abend selbst – wenn er gelingt. Und er ist gelungen:
Voge, Allain, ‘Les Bulles d’Alain’ 2011 – Birne, Roves de Garrigue, Za’tar
Da es mit zum Abschlusswein, zum Reparaturwein gewissermaßen durchgängig Nordrhône sein sollte, musste natürlich ein Schaumwein von dort her. Viel Auswahl gibt es da nicht, und so habe ich mich für Les Bulles d’Alain von Alain Vogue entschieden. Der Saint-Péray brut besteht zu 95% aus Marsanne und wurde nach méthode traditionelle vinifiziert – ein knochentrockener, feiner Schäumer mit etwas Birne, gelber Melone, Blüten und Salzigkeit. Angenehm aber auch nicht so, dass man davon viel im Keller haben müsste.
Die Verbindung mit Birne, darauf Roves de Garrigue, Ziegenfrischkäse von einer alten Ziegenrasse der Provence, die nur wenig, aber hochwertige Milch gibt, war passend. Gerade das leicht Salzige, dazu die feine Süße des Wildlavendelhonigs und ein Hauch von Za’Tar, jenem Gewürz aus dem Nahen Osten mit Sumach, Sesam und Thymian, leicht angewärmt im Ofen, passte.
Clos de la Bonnette, Condrieu ‘Légende Bonnetta’ 2014
Bevor es zu den gereiften Weinen ging, gab es mit diesem 2014er Condrieu – 100% Viognier, die zwar altern können aber auch jung hervorragend funktionieren – einen frischen, kühlen Wein mit einer wunderbar exotischen Aromatik. Leichte Orangennoten, Melone, Aprikose, Mandel, am Gaumen leicht cremig und fein salzig. Von einer Bio-Domaine mit 1,5 Hektar.
Michel Chapoutier Saint-Joseph blanc Les Granites 1996 – Dreierlei von der Möhre
Gerade einmal 12 Hektoliter pro Hektar wurden in diesem anspruchsvollen Jahrgang geerntet. Die Cuvée aus Rousanne und Marsanne wurde zu 100% im neuen Holz ausgebaut. Der Wein präsentiert sich orange bis rotgold mit einer oxydierten Nase. Man hätte ihn vor ca. 10 Jahren trinken sollen. Trotzdem ist er noch recht frisch und zeigt Kraft.
Dazu eine Brühe von der Möhre mit Ingwer und Zitronengras. Darin in Butter und Sternais geschwenkte violetten Möhren und etwas Frittiertes von der violetten Möhre. Das Original-Rezept stammt von Douce Steiner via Lamiacucina. Diese Brühe ist fantastisch fein und die Schärfe subtil. Mit einem jüngeren Saint-Joseph wäre das ein Knaller gewesen, aber die Brühe allein befriedigt auch. Die hatte ich natürlich schon am Vorabend fertig gestellt, so dass nur noch die Möhrenstücke und das Frittierte vorbereitet werden musste.
Jean-Louis Chave Hermitage Blanc 1997 – Michel Chapoutier Ermitage blanc de l’Orée 1996 – Jakobsmuschel, Blutwurst, Apfelreduktion
Wir hatten alle Weine, die nun folgten am Vorabend geöffnet. Der Chave rotgold im Glas mit viel Viskosität (Kirchenfenster), Duft nach gelben Trockenfrüchten, etwas Quitte, Blüten, ein wenig Gebäck, Kräuter mit einer cremigen Note, klarer Säure und salziger Mineralität. Der Alkohol schimmert nur leicht durch, der Wein ist frisch, elegant und balanciert. Groß! Chapoutiers Blanc de l’Orée kann da nicht mithalten. Oxydative Noten in der Nase, im Mund mit viel Kraft und weit weniger Elegant als der Chave. Auch in der Kombination mit dem Essen brilliert der Chave. Ich hatte von den Genusshandwerkern, wo ich auch die Roves de Garrigue bestellt hatte, frisch getauchte Jakobsmuscheln in der Schale erhalten, die ich nachmittags vorbereitet hatte. Dazu gab es eine Morcilla de Burgos, eine traditionelle spanische Blutwurst aus Leon mit Reis und Zwiebeln gekocht. Also Blutwurst leicht angebraten in die Schale, Muschel mit Corail leicht angebraten oben drauf und eine Sauce aus van Nahmens Schöner vom Boskoop, reduziert mit etwas Butter, Crème Double und ein Schluck der Bulles d’Alain. Großartige Kombination.
Alain Graillot Crozes-Hermitage La Guiraude 1996 – Jaboulet-Ainé Crozes-Hermitage Thalabert 1995 – Brühe vom Ochsen mit Romanasalat und roter Quinoa
Alain Graillot ist bekannt für seine exzellenten Crozes-Hermitage. Das hat dazu geführt, dass die eher niedrigpreisige Region bei ihm mittlerweile doch recht teuer geworden ist. Die Problematik des Jahres 1996 zeigt sich hier in diesem Wein. Man musste damals extrem aufpassen und die Erträge im Auge behalten. Der Wein ist ein wenig grün geblieben, die Säure nicht ganz reif, der Wein etwas zu agressiv. Vom Thalabert werden bei Jaboulet-Ainé viele Flaschen produziert. Trotzdem sind die Weine gerade aus den 1980ern und 1990ern sehr gut gemacht und langlebig.
Der Wein wurde aus der Magnum eingegossen, zeigt sich dunkelviolett mit Leder, Tabak, Veilchen, Gewürzen. Am Gaumen stoffig mit fast eleganter feiner Textur und einer guten Spannung. Auch hier ein ganz leicht grüner Unterton, der jedoch kaum ins Gewicht fällt. Die Brühe habe ich natürlich ebenfalls am Abend vorher vorbereitet. Das Fleisch stammte von einem mir bekannten weißen Galloway-Bullen. Die Idee, Brühe mit Salat und etwas Knackigem zu kombinieren, lieferte das Nobelhart & Schmutzig, wo es Lammfett, Salat und Luftzwiebeln waren, das zu dem sehr bitteren Pils von Schönramer begleitet wurde. Fleischbrühe funktioniert ja mit dem vielen Umami gut zu gerbstoffreichen Weinen. Das war hier gar nicht nötig. Die Gerbstoffe waren schon geglättet. Schön aber der frische Biss in den Salat, das leicht Knackige des Quinoa und die feine Steinpilzaromatik, die ich in der Brühe mitgekocht hatte
Alain Voge Cornas Vielles Vignes 1996 – Thierry Allemand Cornas Chaillots 1996 – Eifellamm, Dattel-Labneh. Jus vom Kirschchutney
Der Voge wirkt etwas luftig leicht und hat nicht die Spannung und Kraft eines typischen Cornas. Die Säure steht etwas im Vordergrund und wird nicht ganz durch das sonst so Fleischige unterfüttert. Anders Allemands Cornas. Hier findet sich mehr Fleisch, mehr Rauch. Im Untergrund dunkle Beeren, ein wenig Stall, etwas Veilchen, mehr Fleisch. Feine Textur mit softem Tannin und beide Weine mit frischer Säure. Die Lachse stammten vom Eifellamm – wieder von den Genusshandwerkern – und waren von perfekter Qualität. Kurz angebraten und in bretonischer Salzbutter, Rosmarin und Thymian geschwenkt. Serviert auf Dattel-Labneh (griechischer Ziegenjoghurt mit Dattelmuss und etwas Granatapfelsirup am Tag zuvor vermischt und abtropfen lassen). Das Jus vom Kirschchutney hatte ich bereits im Vorfeld hergestellt. Abgeschmeckt mit Raz al Hanout. Eine erhebende Kombination.
René Rostaing Côte-Rotie La Landonne 2000 – Michel Chapoutier Côte-Rotie La Mordorée 1996 – Filets vom Rehrücken, Morcheln und Wirsing, Fränkischer Trüffel
Der feinste Gang des Abends: La Landonne fein und kühl, elegant und auch in der Farbe heller als die bisherigen. Man fühlt sich an Pinot erinnert. Auch am Gaumen dieses Fein-elegante, etwas Rauch im Hintergrund, etwas Veilchen, tolle Textur, klar, feinste Säure. La Mordorée ist der Chapoutier des Abends, ja für mich überhaupt der Wein des Abends (allerdings nur, weil die 1990er Chapelle noch mehr Zeit braucht). Ein tiefer, kirschfruchtiger, spannungsgeladener Wein voller Klarheit, Frische, feiner Textur. Tiefe, Länge, Eleganz – alles stimmt. Ein großer Wein! Dazu dann die ebenso feine, weiche Textur der Filets vom Rehrücken. Nur kurz und scharf angebraten, dann ruhen lassen. Serviert mit etwas Haselnuss-Dukkah und einer Wildjus. Wirsing noch leicht knackig mit Morcheln und etwas Rahm und Muskat abgeschmeckt. Dazu Fränkischer Trüffel oder auch schwarze Nüsse, sprich, grün geerntete Walnuss, über Jahre eingelegt in eine Zucker-Gewürzlösung.
Michel Chapoutier Ermitage Le Méal 1996 – Jaboulet Ainé Hermitage La Chapelle 1990
Das Essen schafft die Brücke zum letzten roten Flight. Der Méal von Chapoutier schafft es weder an den Côte Rotie aus eigenem Haus noch an La Chapelle. Für sich gesehen ein Wein mit reifer Frucht und Dichte, hier ist mehr Kraft als Eleganz und ein bisschen zu wenig Frische. La Chapelle 1990 ist schon jetzt eine lebende Legende und zählt unter den Kritikern zu den großen Weinen der Welt. Allerdings braucht dieser Wein viel Zeit und auch jetzt, nach 25 Jahren ist er eigentlich noch viel zu jung. Und trotzdem kann man auch hier nach Chaves Hermitage Blanc und Chapoutiers Côte Rotie ein weiteres Mal niederknien. Extrem viel Energie und Spannung, jugendlich, immer noch Primäraromen reifer Beeren, eine herrliche Textur, so fein, so griffig, eine Tiefe wie der Blautopf bei Ulm und ähnlich dunkel. Dabei gleichzeitig dicht und schwebend. Das ist genau das, was sich eigentlich ausschließt und für mich nur bei Weinen wirklicher Größe vorkommt. Ultralang und auch zum letzten Stück Rehrücken ein Gedicht.
Michel Chapoutier Hermitage Vin de Paille 1996 – Foie Gras, Apfel, Stilton
Rosinen und Trockenfrucht mit etwas frischem Steinobst. Feine Balance, nicht zu üppig. Nicht groß aber wirklich schön gereift. Passt sehr gut zur Stopfleber von der Ente. Von freilaufenden Enten, die nur schonend den Kropf gefüllt bekommen. Kurz angebraten und mit frittiertem Apfel und Rohmilch-Stilton serviert. Der Stilton ist die einzige Kombination, die mir nicht gefällt. Er ist zu reif. Ein cremigerer Blauschimmel wäre besser gewesen. Der Stilton schrie nach Port.
Fleury Père & Fils Champagne Doux Millesième 2000 – Muscat Crème Caramel
Immer noch erstaunlich jugendlich präsentiert sich die vorletzte Flasche, die ich von diesem Nektar noch habe. Süßer Champagner ist eine Seltenheit und kann doch so gut sein. Viel Säure bei üppiger Dosage von über 100 Gramm. Dazu die Reifenoten: Brioche, Gebäck, reifes Obst, feines Süß-Säure-Spiel, Frische, die die Üppigkeit perfekt balanciert. Auch hier größter Genuss. Die Crème hat nicht die Konsistenz, die ich erwartet habe, sie ist nicht gut gestockt. Gekochte Sahne mit Muscat aus dem Jurançon und karamellisierten Pistanzien sind trotzdem eine passende Kombination.
So weit zum Parforceritt durch so gut wie alle Appellationen der Nordrhône. Der letzte Schluck oberhalb des Bodensatzes im La Chapelle zeigt am nächten Tag noch einmal die Größe dieses Weines. Was für ein Fest und was für ein unbedingter Aufruf, sich den Weinen der Nordrhône stärker zu widmen. Sind sie doch – bis auf Ausnahmen immer noch vergleichsweise günstig zu erwerben. Gerade, wenn man sie neben vergleichbar gute Burgunder stellt, die wesentlich teurer sind. Dabei bewahren sich diese Weine eine Eigenständigkeit in der Aromatik und Textur, die man selten anderswo findet. Das eigentlich Schöne aber einem solchen Abend ist, all das in einer Runde von Freunden zu genießen, Menschen, die man manchmal nur einmal im Jahr sieht und die für einen solchen Abend zusammenkommen. Das ist es, was Wein für mich ausmacht.
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