Tanz auf dem Vulkan – Morgon und seine Winzer

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Jeder Cru im nördlichen Teil des Beaujolais hat etwas für sich, aber bricht man es runter, dann gibt es drei primi inter pares, nämlich Moulin-à-Vent, Fleurie und Morgon. Moulin-à-Vents sind häufig die gehaltvollsten und würzigsten Beaujolais (die Vosne-Romanées des Beaujolais), die guten Fleuries überzeugen eher durch ihre Leichtigkeit und Finesse (die Chambolle-Musignys des Beaujolais).

Und Morgons? Das lässt sich nur schwer beantworten, da der relativ große Cru Morgon aus verschiedenen Bodenformationen besteht, Granit, eisenhaltiger Lehm, sandige Böden, teils sogar Kalkmergel. Am bekanntesten sind aber die Böden vulkanischen Ursprungs mit Schiefer-, Basalt, aber auch Granitanteilen an der Côte du Py, die sich südlich des Dorfes Villié Morgon mit einem durchaus beträchtlichem Gefälle entlang zieht.

Villié Morgon ist ein typisches französisches Dorf. Nicht sonderlich schön, aber auch nicht hässlich mit einer Kirche mit Parkplatz davor, einem kleinen Schlösschen, ein oder zwei Banken, Fleischer, Bäcker und dem tollen Bistro L’Atelier du Cuisinier, in dem die Opis und die Winzer sitzen und einen Café oder ein kleines Glas Beaujolais trinken. Mehr oder weniger mitten im Ort findet sich in einer unauffälligen engen Seitenstraße die Domaine Louis-Claude Desvignes.

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Louis-Benoit und Claude-Emmanuelle Desvignes führen die Domaine seit den Nuller-Jahren, aber Vater Louis-Claude arbeitet trotz seines stattlichen Alters immer noch mit. Die Domaine verfügt über insgesamt 13 Hektar, alle in Morgon und fast alle mit alten Reben bestückt, die teils bereits ihren hundertsten Geburtstag hinter sich haben. Drei Hektar Reben stehen am berühmten Hang Côte du Py. An der Côte du Py haben die Desvignes zwei unterschiedliche Terroirs zur Verfügung. Parzellen auf den „klassischen“ vulkanischen Côte-du-Py-Böden und in dem lieu-dit „Les Javernières“, in dem der Boden mergeliger, weicher und mit Eisenoxid durchsetzt ist. Die Domaine Desvignes ist nicht bio-zertifiziert, nutzt aber keine Herbizide oder Fungizide.

Im Keller aus dem 17. Jahrhundert arbeiten die Desvignes-Geschwister traditionell mit Macèration Semi-Carbonique (allerdings nur einem kleinen Anteil nicht entrappter Trauben) und dem Ausbau in Betontanks. Gerade Claude-Emmanuelle macht sehr deutlich, dass sie Holznoten im Beaujolais gar nichts abgewinnen kann. Insgesamt hat sie ganz klare Vorstellungen, wie für sie ein Morgon schmecken soll – mit frischer, knackiger Frucht. Im Gegensatz zu ihrem Vater ist sie z.B. kein großer Fan gereifter Morgons, auch wenn sie der (berechtigten) Ansicht ist, dass die Weine der Domaine gut reifen und auch lange reifen können. Auch mag sie keine warmen Jahrgänge wie z.B. 2003. Als wir beim Besuch die noch heute schöne Frische des 2003ers lobten, rümpfte Claude-Emanuelle nur die Nase.

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Das Sortiment der Desvignes ist überschaubar, hat sich in den letzten Jahren aber wie auf vielen anderen Domaines ausdifferenziert. An der Basis steht ein fruchtbetonter, leicht zu trinkender Morgon La Voute Saint Vincent, der aus dem Climat Douby im Norden der Appelation von ca. 60 Jahre alten Reben stammt. Er ist nicht zu unterschätzen, reift gut, erreicht aber regelmäßig nicht die Komplexität der Côte du Py Morgons und kann in wenig reifen Jahrgängen manchmal etwas grün schmecken. Der Morgon Côte du Py ist der Klassiker der Domaine – fest, straff, mineralisch, eher dunkelfruchtig mit Brombeernoten. Mein Lieblingswein der Domaine ist aber der Morgon Javernières, der letztlich jedes Jahr überzeugt, etwas feiner und etwas fruchtbetonter ist als der Morgon Côte du Py, vielleicht etwas weniger mineralisch.

Seit dem Jahrgang 2009 gibt es aus dem Javernières noch eine Spezialcuvée namens Les Impenitents aus über 100 Jahre alten Reben. Wie diese Cuvée reifen wird, ist noch nicht zu beurteilen, die Prognosen sind aber gut. Probiert man jung den Impenitents neben dem Javernières, ist das Mehr an Tiefe, Intensität und Finesse sofort deutlich zu erkennen. Dass bei dem Wein Kenner am Werk sind, erkennt man schon daran, dass die teuerste Cuvée nicht einfach mit reiferer Frucht, höherem Alkohol und Holz protzt, sondern nur mit mehr Tiefe und Finesse, die aus den älteren Reben resultiert. Für knapp über 20 Euro bekommt man mit dem Les Impenitents einen der Spitzenweine des ganzen Beaujolais und einen ganz hervorragenden Rotwein noch dazu.

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Der Weg von Villié-Morgon in den Weiler Corcelette ist weiter als man zunächst denkt. In einer halben Stunde bergauf ist man zu Fuß aber da. In Corcelette gibt es keine Läden, keine Restaurants, keine Cafés, dafür aber einen ausgezeichneten Winzer, nämlich Daniel Bouland. Bouland bewirtschaftet ca. 6 Hektar in Corcelette und ca. 2 weitere Hektar in Douby, Chiroubles und am Mont de Brouilly. Corcelette ist ein weit weniger bekanntes Terroir in Morgon als die Côte du Py oder auch als Charmes. Oben in Corcelette sind die Böden sandig, teils lehmhaltig und nur mit wenig Granit durchzogen. Daniel Bouland pflanzte in den 80er Jahren ein paar Reben neu, verfügt aber auch über einen größeren Bestand an alten Reben, die bis zu 90 Jahre alt sind.

Bouland ist ein eher verschlossener Typ, der recht lange braucht, um aufzutauen, der aber unglaublich freundlich ist. Auf seine Weine ist er zu Recht stolz, zeigt dies nach außen aber allenfalls angedeutet. Bei ihm einen Termin zu bekommen, ist nicht einfach, da er sich viel im Weinberg aufhält und ohnehin nicht viel zu verkaufen hat. Sowohl die Spitzengastronomie in Frankreich als auch langjährige Stammkunden und Importeure aus vielen Ländern wissen schon seit Jahren, dass Boulands Weine nicht nur konsistent immer gut sind, sondern auch großartig altern. Bei unserem Besuch war der letzte Jahrgang schon ausverkauft, ein paar Flaschen konnten wir ihm aber nach langem Bitten rausleiern. Trotz der großen Nachfrage nach seinen Weinen bleibt Bouland auch preislich bescheiden. Sein Morgon Vieilles Vignes kostet 12 Euro ab Hof, alle anderen Weine 8 Euro die Flasche.

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Wie auch bei Louis-Claude Desvignes ist das Portfolio von Daniel Bouland übersichtlich, differenziert sich aber über die Jahre zunehmend aus. An der Basis stehen der Morgon Corcelette aus jungen Reben und der Chiroubles. In der Mitte befindet sich der Côte de Brouilly „Cuvée Melanie“ und an der Spitze der Morgon Vieilles Vignes aus durchschnittlich 60 Jahre alten Reben. Je nach Land gibt es noch weitere Abfüllungen. So wird in den USA ein Morgon „Delys“ verkauft, der aus den ältesten Reben der Domaine selektiert ist, in anderen Ländern gibt es seit neuestem einen Morgon „Schiste“ aus einer Parzelle mit sandigen Schieferböden, für den australischen Markt hat Bouland in 2013 einen im großen Holzfass ausgebauten Morgon Corcelette abgefüllt. Für die Gastronomie in Paris gab es aus 2014 eine frühe Abfüllung des Morgon Corcelette. Da den Überblick zu behalten, ist gar nicht so einfach.

Stilistisch unterscheiden sich die Weine Daniel Boulands von den Desvignes Weinen. Sie sind zwar in ihrer Jugend – mit Ausnahme des sofort zugänglichen Chiroubles – ebenso fest Jugend wie die Weine von Louis-Claude Desvignes. Im Alter bleiben sowohl der Côte du Py als auch der Javernières von Desvignes jedoch stets eher sehnig, straff und mineralisch im Kern, während die Bouland Weine überwiegend eine wunderbar pflaumige Fülle und ein ausladendes Bouquet entwickeln. Wer klassische Morgons probieren will, kommt in keinem Fall an den Weinen von Daniel Bouland und Louis-Claude Desvignes vorbei.

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