Chenin Blanc, die weiße Rebsorte von der Loire, ist immer noch die große Unbekannte. Oft stehen die Flaschen wie Blei in den Regalen der Weinhändler und wenige Kunden lassen sich auf die Rebsorte ein. Es sind nur wenige Händler, die hier und da ein Publikum haben, das aufgeschlossen genug ist, um den Chenin in seiner Vielfalt kennenzulernen. Dabei gibt es nur wenige weiße Rebsorten, die auf so vielfältige Weise ausgebaut werden können und dabei doch zumindest im Kerngebiet zwischen Anjou und Touraine immer ganz bei sich, also bei einer eigenen Typizität bleiben.
Abstammung
Chenin Blanc stammt möglicherweise von Sauvignon Blanc und Savagnin Blanc (Traminer) ab, was aber trotz zahlreicher DNA-Analysen immer noch nicht zweifelsfrei geklärt ist. Ziemlich sicher ist aber, dass sie von der Loire stammt und dort als Plant d’Anjou 1496 das erste Mal erwähnt wird. Allein 80 Synonyme deuten ebenfalls auf ein hohes Alter hin. Sie ist anfällig für Holzkrankheiten, Echten Mehltau und vor allem für Botrytis. Das prädestiniert sie dazu, auch in süßen und edelsüßen Varianten ausgebaut zu werden. Nicht nur das hat sie mit dem Riesling gemein. Es ist auch die Säurebetonung, weshalb sie wie beim Riesling auch vom Schaumwein über die trockene, halbtrockene und edelsüße Variante die ganze Bandbreite abdeckt. Chenin Blanc ist dabei etwas alkoholischer als der Riesling und hat ein ganz anderes Aromaspektrum. Leider ist die Sorte auch in der Heimat nicht mehr so beliebt, wie sie es mal war. Heute stehen noch knapp 10.000 Hektar unter Reben, vor allem an der Loire steht sowie einige wenige Dutzend Hektar im Languedoc. In den 1950er Jahren waren es noch 6.000 Hektar mehr.
Zweite Heimat
Ihre zweite Heimat hat die Rebsorte seit 1655 in Südafrika gefunden. Dort wurde sie meist Steen genannt und vor allem für die Produktion von Destillaten verwendet. Erst seit ca. drei Jahrzehnten hat man ihren eigentlichen Wert entdeckt, nutzt ihren französischen Namen und baut meist trockene, hochwertige Weißweine aus. Neben den 18.000 Hektar in Südafrika gibt es noch einen nennenswerten Anbau im argentinischen Mendoza (2.560 Hektar), Kalifornien (3.100 Hektar) und Australien (ca. 550 Hektar).
Chenin-Charakter anhand einiger Beispiele
Vor einiger Zeit haben wir uns in einer Probe mal mit der Rebsorte auseinandergesetzt, ich habe die Ergebnisse zusammengefasst und die Weine ein wenig nach ihrem Charakter aufgeteilt und streue noch ein paar zusätzliche Erfahrungen mit ein von Weinen, die ich ebenfalls immer und vorbehaltlos empfehlen würde.
Volle Perlung
Chenin ist die Hauptrebsorte des Crémant de Loire. Der bekannteste Crémant der Gegend kommt aus dem Hause Bouvet-Ladubay, dem mit Abstand größten und sicher auch einem der besten Erzeuger dieses Schaumweins. Besonders hervorgehoben werden sollten die Crémants, und vor allem auch die Pétillants von Huët. Der Erzeuger aus Vouvray produziert langlebige Weine voller Charakter. Wir hatten einen 1999er Pétillant (Petillant = Wein, der inmitten der ersten Gärung auf Flaschen gefüllt wird, wo die Gärung weiter verläuft, Kohlendioxid erzeugt wird und die Gärung irgendwann ausläuft. Meist bei einem kleinen Restzucker. Auch méthode artisanale oder méthode rurale genannt, die Urform des Schaumweins) mit typischen Apfel- und Birnenaromen, einer leichten Eisennote und dunkelgelben Zitrusnoten. Zwar merkte man ihm ein gewisses Alter an, aber müde sieht anders aus, zumal die Säure noch schön präsent war. Bouvet-Dadubay füllt viele verschiedene Crémants ab und man bekommt sie bei sehr vielen Weinläden oder Weinversendern. Weine von Huët gibt es bei vinaturel.de.
Der Meister der Frische
Le Sot de l’Ange, 2014 Sec Symbole Chenin Blanc. Die Überraschung des Abends für mich, da vorher völlig unbekannt. Der Wein stammt aus dem Ort mit dem schönsten Loire-Schloss überhaupt (meine Meinung). Quentin Bourse hat 2013 unter dem Namen Le Sot de l’Ange, was so viel heißt wie “der idiotische Engel” seinen ersten Jahrgang gemacht, nachdem er das Weinguts eines Freundes übernehmen konnte. Er hat sich bei vielen Erzeugern der Gegend umgeschaut und unter anderem ein halbes Jahr bei Huët gearbeitet. Quentin hat einen perfekt gepflegten und schon vor dreizehn Jahren auf Biodynamie umgestellten Weinberg übernommen – ein großes Glück, zumal ökologischer und biodynamischer Anbau gerade in der Gegend der Loire noch recht selten ist. Die Besonderheit an der Appellation Touraine-Azay-le-Rideau liegt in den Böden. Die Perruches sind Lehmböden mit Silikatgestein, der Aubuis ist ein lehmig kalkhaltiger Boden und zudem gibt es luftdurchlässigen mit Lehm versetzen Sandstein. Im Gegensatz zum großen Teil der Touraine wird in dieser Appellation nur Chenin, nicht aber Sauvignon angebaut.
Quentin geht vier Mal durch die Weinberge und sortiert gnadenlos aus, bevor er die Weine (spontan) vergärt. Er presst sehr langsam und die Weine werden in neutralem Holz, Tank und Amphoren ausgebaut. Bei den roten gibt es keinen Schwefel, bei den Weißen ein wenig.
Das, was einem zuerst ins Gesicht springt ist die Frische. Kann man Frische riechen? Ich finde schon. Helle Noten, Zitrusnoten, ein ganz leichter Apfelmost, wie man ihn bei naturel ausgebauten Chenins gerne hat, etwas Süße, etwas Karamell, Stein und Orange, nein Grapefruit. Dazu Druck am Gaumen, eine schöne, reife Säure, eine Klarheit in den Aromen. Well done! Den Wein gibt es bei Maxims Bar à Vin in Berlin.
Der Archetyp
Bertin-Delatte, 2013 L’Echalier, Anjou. Vorletztes Jahr im Frühjahr war ich mit einer Gruppe Gleichgesinnter an der Loire. Mit dabei Alex Zülch, der unter anderem für uns übersetzt hat. Er hat für seinen Laden Vins Vivants das junge Winzerpaar Geneviève Delatte und Nicolas Bertin aufgetan, die sich in Rablay-sur-Layon eine Haus neben ihren Weinberg gebaut haben. Die Gegend ist vor allem für edelsüße Chenins bekannt doch es geht auch trocken. Sehr gut sogar. In einem Weingut, welches nicht viel größer ist als eine Doppelgarage für zwei ausgewachsene Trecker, entsteht einer der archetypischsten Chenins, die ich kenne. Immer, wenn mich jemand fragt, wie denn eigentlich Chenin schmecken soll, empfehle ich diesen Wein.
Auch bei Bertin-Delatte wird naturel im Weinberg und im Keller gearbeitet. So wenig Intervention wie möglich, natürliche Vergärung halb im Edelstahl und halb im Holz, wobei davon 1/3 neu ist. Nachdem der Wein aus den verschiedenen Gebinden nach einem Jahr zusammengeführt wurde, reift der Wein weitere sechs Monate vor Abfüllung. Birne, Apfel, etwas nasse Wolle (wie man es oft bei Chenin findet), etwas Wachs (ebenfalls so typisch) Kräuter, Orange und Stein in der Nase. Am Gaumen frisch, saftig mit Noten von Apfel, Grapefruit, Bienenwachs, feiner Säure und guter Länge. Einfach einer balancierter, harmonischer Chenin. Den Wein gibt es bei Alex Zülchs Vins Vivants.
Der Purist
Domaine des Roches Neuves, 2014 Clos Romans, Saumur. Seit bereits 15 Jahren arbeitet Thierry Germain strickt biodynamisch in seiner Domaine im Bereich Saumur. Dabei sind die Weine immer klarer und präziser geworden – vor allem die Cabernet Francs. Die Chenins sind eine Klasse für sich, beginnend mit einem meiner Lieblings-Chenins, L’Insolite, den ich auch immer und immer wieder empfehle. Der Clos Romans stammt aus einem Weinberg, der tatsächlich noch mit einer Mauer umfriedet ist (Clos) und aus dem 11. Jahrhundert stammt. Germain hat den aus Kalkstein bestehenden Weinberg neu und sehr dicht bepflanzt (10.000 Stöcke je Hektar). Dabei hat er eine selection massale verwendet, hat also alte und sehr gute Chenin-Stöcke genommen, um daraus neue Reben zu züchten.
Der 2014er Clos ist eigentlich noch total verschlossen. Erst mit der Zeit öffnet er ein wenig die Tür. Doch was da heraus strömt zeigt klar, was für eine Wucht, was für eine Kraft und Tiefe dieser Wein entwickeln wird. Momentan ist er auf der gelbgrünen Seite: grüner Apfel, Zitrone, Limette, Apfelsäure und Zitronensäure attackieren den Gaumen. Der Wein ist überaus straff, saftig, pur und glockenklar und erinnert in seiner Stilistik ein wenig an die späten Weine von Anne-Claude Leflaive. In your face! Es gibt die Weine bei Sebastien Visentins Vin sur Vin. Einen Bericht zum Weingut gibt es hier im Blog.
Die feine Süße
Pyramid Valley, 2013 Moteo Ridge Vineyard Chenin Blanc. Neben ihren eigenen vier Weinen, die Claudia und Mike Weerzing in Canterbury biodynamisch produzieren (hier ein langer Bericht), gibt es eine so genannte Growers Collection, wo die beiden Weine bei Freunden produzieren, die ihre Weingärten ähnlich behandeln wie sie selbst. John Patrick ist einer dieser Freunde, der den Moteo Ridge Weingarten auf alluvialem Schwemmland in der Hawke’s Bay besitzt.
Auf diesem Weingarten steht Cheni, den Mike whole bunch gepresst hat, um ihn dann spontan zu vergären und 11 Monate in gebrauchten 500-Liter-Punchons auszubauen. Der Wein ist nicht zu Ende gegoren und so ist er bei 13,4 Gramm Restzucker stehen geblieben.
Man hat das Gefühl, man kann die Mineralität riechen. Dazu Mandarine, Birne, Quitte, ein wenig Holunderblüten, Feuerstein, Wachs. Am Gaumen eine schöne Süß-Säure-Balance, dazu rich, wie der Brite sagt, also mit einer gewissen Opulenz. Dabei aber keineswegs schwer und insgesamt elegant. Chenin von der anderen Seite der Erde. Erhältlich in Martin Kösslers Weinhalle.
Die Überraschung
Bouvet-Ladubay, 1997 Les Nonpareils. Bouvet-Ladubay, der große, schon angesprochene Erzeuger von Loire-Schaumweinen, hat 1997 einen besonderen, stillen Chenin Blanc in Flaschen gefüllt. Es ist bei diesem einen Wein aus diesem einen Jahr geblieben. Weshalb da so ist? Man weiß es nicht. Wohl aber weiß man, dass man von diesem Wein mehr haben möchte. Das hat sich auch der Erzeuger gedacht, der irgendwann versucht hat, die noch im Handel befindlichen Flaschen zurückzukaufen.
Dieser 1997er Chenin schmeißt die Chenin-Birne mit feinem Holz, gerösteten Mandeln, Toffee, Salzkaramell und Butterscotch in einen Topf und rührt ordentlich herum, so dass dieser Duft verschwenderisch aus dem Glas steigt. Am Gaumen dann neben der Frucht einer Salzzitrone eine leichte Sherry-Note, dabei knalltrocken. Ein Solitär, und was für einer.
Chenins, die uns noch ein wenig fremd sind
Alheit 2014 Magnetic North und Eben Sadie 2014 Skurfberg. Diese beiden Weine zählen zu den höchst bewerteten und gefragtesten Chenins Südafrikas. Sie haben uns exemplarisch gezeigt, wie unterschiedlich doch die Stilistik am Kap ist. Diese beiden Weine von Alheit und Eben Sadie sind mächtig, dabei aber gleichzeitig eigentlich noch kleine Kinder, die recht lange im (gebrauchten) Holz gesteckt haben und nur mit dem Kopf aus dem Spund schauen durften. Dabei ist es höchst feines Holz, in dem sich die beiden Weine bewegen. Der Alheit wirkt offener, zeigt gelbe Frucht, eine leichte Chardonnay-Nase, Kräuter, Gin. Am Gaumen ist er saftig, cremig, hat Würz, etwas Salz und viel Struktur doch merkt man immer auch den Alkohol, vor allem beim Sadie – obwohl der jetzt gar nicht immens hoch liegt. Beide Weine kommen aus Höhenlagen um die 500 Meter, der Magnetic North stammt von sehr alten, noch wurzelechten Rebstöcken auf roten, also eisenhaltigem Sand, Lehm und Kies. Ganz klar ist, dass es diese beiden Weine im direkten Vergleich mit den teils fast tänzelnden Chenins von der Loire recht schwer haben. Stilistisch gesehen muss man sie eh als sehr eigenständig betrachten. Ich würde sie gerne mal probieren, wenn sie wirklich gereift sind. Das geht aber leider noch gar nicht, denn es gibt sie noch nicht so lange. Die beiden Weine findet man bei Hendrik Thomas Wein am Limit.
Die Benchmark
Domaine Huët, 2008er Moulleux Haut Lieu, Vouvray. Drei Weine von Huët zeigen, dass dieses Weingut so etwas wie ein Benchmark ist: für Schaumwein, für trockenen Chenin und auch für halbtrockenen oder süßen. Diese Weine kann man so gut wie immer kaufen, sie sind sehr lagerfähig und für den Ruf, der ihnen voraus eilt, immer noch erstaunlich günstig. Manch alte Huëts der vergangenen Jahrzehnte gehören sicherlich zu den größten Weißweinen Frankreichs. Doch auch in schwierigen Jahren wissen die Weine zu überzeugen oder zu begeistern. So der 2008er Moulleux aus der Lage Haut Lieu. 53 Gramm Zucker treffen auf knapp 10 Gramm Säure. Und das passt wie die sanfte Faust aufs Auge. Genau diese hohe Säure braucht der Wein als Rückgrat. In der Nase erst erdige Noten und eine leicht gemüsige Note. Das verfliegt aber schnell und es zeigen sich Quittennoten, Aprikose, gelber Apfel, Honig und Krokant. Eine üppig-dichte Nase zeigt, wo es lang geht. Am Gaumen dann Saft, Säure, Süße. Genial. Es schwingt immer ein wenig Salz und Stein im Hintergrund mit, doch im Vordergrund spielen Steinobst in frischer und getrockneter Form die erste Geige. Huët gibt es in großer Jahrgangstiefe bei vinaturel.
Der Streitbare
Vignobles de la Coulée de Serrant, 2006er La Coulée de Serrant. Was wäre eine Chenin-Probe ohne einen Coulée de Serrant? Jenem Wein, der an sich schon eine Legende ist, weil die Rebstöcke auf dem ältesten Gestein stehen, dass es in Frankreich gibt, weil auf dem Hang durchgehend seit dem 11. Jahrhundert Wein angebaut wird und dieser Hang schon lange seine eigene Appellation hat. Der Monopolbesitz der Familie Joly bringt in guten Jahren einen der großen Weißweine Frankreichs hervor. Und Nicolas Joly, der das Weingut seit 1997 führt, war einer der ersten, die sich mit Biodynamie im Weinbau beschäftigt haben. Er ist zum Wortführer einer Bewegung geworden, höchst einflussreich und äußerst streitbar, wenn es um die Methodik der Biodynamie geht. Die Weine sind von Jahr zu Jahr sehr unterschiedlich, manche von monumentaler Tiefe und Komplexität, andere wirken manchmal ausgezehrt, manchmal auch alkoholisch oder schlichtweg unsauber vinifiziert. In den letzten Jahren hat Tochter Virginie zunehmend übernommen und La Coulée wird etwas gefälliger, ohne dies abwertend zu meinen.
Der 2006er zeigt Oxydationsnoten mit grünen Walnussnoten, etwas Uhu und Aprikosenkonfitüre in der Nase. Am Gaumen eine schöne Struktur und Länge, allerdings schon sehr weit, vielleicht schon etwas müde mit einer Säure, die etwas neben dem Wein steht. Sicher nicht eine der besten Flaschen und außerdem erst am Abend des Probierens geöffnet, was man bei einem Wein von Nicolas Joly nicht tun sollte, der Wein braucht mehr Zeit.
Die volle Begeisterung
Domaine de La Bellivière, 2011er Calligramme, Jasnières und Richard Leroy, 2013, Les Noëls de Montbenault. Es ist müßig, herausfinden zu wollen, welcher der beiden Weine der größere ist. Es ist zudem völlig egal. Nicht egal ist es, diese Weine probiert zu haben um sich an ihnen freuen zu können, denn beide sind so unterschiedlich wie begeisternd. Abseits der Loire, im Norden des Gebietes gibt es einen Fluss, der sich genauso anhört wie der namensgebende. doch fehlt ihm ein “e”. An den Ufern des Loir liegen die Gebiete Jasnières und Coteaux du Loir. Hier bestimmt das Turonische Zeitalter die Struktur der Weinberge. Dies gehört zur oberen Kreidezeit und liegt zwei Schichten unter dem Kampanium, welches für die reine Kreide der Côtes des Blancs in der Champagne verantwortlich ist. Dieser Tuffstein am Loir ist teils durchsetzt mit Lehm und Silikat. Die Böden geben den Weinen zunächst einen sehr puristisch, klaren Charakter, der später aber in Eleganz und einer größeren Üppigkeit übergeht. Ein wenig so, wie das mit Blanc de Blancs aus Avize oder Le Mesnil in der Champagne auch ist. Vor allem aber wird der Chenin sehr langlebig und man kann die Weine teils Jahrzehnte in den Keller legen.
Der sicherlich prominenteste Vertreter dieser so unbekannten Appellationen ist Eric Nicolas, der seine Domaine seit 1995 ökologisch bewirtschaftet und sich ganz auf die spannende rote Sorte Pineau d’Aunis und eben Chenin spezialisiert hat. Der Calligramme stammt von alten Reben und zeigt, wie tiefgründig Chenin sein kann. Der Wein von alten Reben zeigt sich ungemein cremig und würzig mit Noten von Tabak und Toffee. Reife Äpfel und Birnen werden assoziiert, dazu Bienenwachs und gelbes Curry, etwas Rauch und Speck. Amüsanterweise wird der Wein in eine Schlegelflasche gefüllt – doch das ist nicht die einzige Parallele zu Riesling. Die Assoziation wurde schnell in die Runde geschickt: „Den Wein würde ich gerne mal in eine Blindprobe neben Große Gewächse“ stellen. Und der, der das sagte konnte nicht vorher bei Martin Kössler lesen, der in seinem Weintext die gleiche Verbindung herstellt. Bei diesem Wein zeigt sich, dass auch 14% Alkohol bei einem Weißwein so eingebunden sein können, dass es niemand merkt. Die Tiefe und Länge dieses gelbfruchtigen, packenden Weines ist beeindruckend. Den Wein gibt es in der Weinhalle.
Zwar in einem anderen Flight aber doch ebenso beeindruckend, wenn auch ganz anders war meine dritte Begegnung mit Les Noëls de Montbenault von Richard Leroy. Dieser hat einen durchaus steinigen Weg hinter sich. Er stammt nicht aus einer Winzerfamilie, war lange eher weinbegeisterter Laie mit einem sehr geschulten Gaumen, der irgendwann seine Liebe zu süßen Chenins aus dem Anjou entdeckt hat. Er konnte irgendwann bei Rablay-sur-Layon einige wenige Hektar erwerben und begann, süße Chenins zu machen. Nah einigen schwierigen bzw. katastrophalen Jahren ist er dann in Zusammenarbeit mit Mark Angeli, dem Winzer der Ferme de la Sansonnière darauf gekommen, trockene Chenins auszubauen. auch wenn das für den Ort, wo er sich niedergelassen hat, völlig untypisch ist (nebenbei gesagt ist es genau dort, wo die angesprochenen Bertin-Delattes ebenfalls trockene Chenins machen). Leroy hat langsam auf biodynamische Wirtschaftsweise umgestellt und immer weniger Schwefel benutzt. Seit 2011 fügt er seinen Weinen keinerlei Schwefel mehr hinzu. Der 2ha Weingarten Les Noëls de Montbenault hat einen Boden aus dem vulkanischen Rhyolit und verwittertem Sandstein. Zusätzlich hat er noch einen 0,7ha-Weingarten namens Clos de Rouliers, der aus dem dort typischen grauen Schiefergestein besteht. Seit 2011 sind die Weine da, wo sie Leroys Meinung nach sein sollen – natürlich mit Luft nach oben.
Für den 2013er Les Noëls gab es gerade einmal 13hl/ha. Bei den wenigen Hektar, die Leroy besitzt, ist das eine unglaublich geringe Menge, von der man kaum leben kann, zumal die Weine nicht unendlich teuer sind. Er hat den Chenin in 30% neuem Holz ausgebaut. dieser Wein birst vor Kraft, zeigt viel Mineralik mit einem Gedanken an nasse Steine, dazu ein wenig reduktive Noten von Zündplättchen und die ganze Palette an typischer Cheninfrucht wie Quitte, Birne und gebackenem gelbem Apfel. Am Gaumen dann unerwartet kühl, pur und fokusiert mit sehr gut balanciertem Alkohol, viel vibrierender Textur und einer großen Länge. Natürlich ist der Wein eigentlich noch viel zu jung, offenbart aber schon viel und hat schon echte Größe. Kleinstmengen gibt es bei Holger Schwarz‘ Viniculture in Berlin.
In der Weinrunde saßen: Axel Bode (Witwenball), Carine Patriccio (Jellyfish), Svenja Schwieger (Hawesko), Hannah Gordon (Craggy Range), Miguel Montfort (Freier Feinschmecker), Michael Quentel (Weinwisser), Milo Schmiessek (Hawesko), Daniela Stubbe (Kulinariker), Bianca Werner, Kerstin Wiebersiek (Vinaturel), Edgar Wilkening (wineroom).
Weitere höchst empfehlenswerte Erzeuger und Weine:
Unbestritten einer der großen Weine von großem Terroir: Brézé. Wein aus dieser Lage in Saumur gibt es von einer Handvoll Winzer. Die besten sind meiner Meinung nach von Clos Rougeard und Guiberteau. Die Weine sind Jahrzehnte haltbar. Ebenso die “einfachen” Chenins von Guiberteau. Fosse-Seche wäre noch zu nennen und sicher die Weine von Antoine Foucault, der die Domaine du Collier betreibt. Die Weine habe ich bisher nicht probieren können, das sollte sich jedoch bald ändern.
Im Anjou: Desweiteren sind unbedingt zu empfehlen die Weine des schon angesprochenen Mark Angeli, der Domaine Mosse, Domaine de Juchepie, Jo Pithon.
In Savennières: Eric Morgat, Pithon-Paillé
In Vouvray: Clos Naudin, La Taille aux Loups, Vincent Carême
In Chinon: Bernard Baudry mit einem Chinon Blanc
In Montlouis: Francois Chidaine
In Bourgeuil: Domaine de l’Oubliée
In der Touraine: La Grange Tiphaine
Im Swartland: Lammershoek, Mullineux
Weitere Empfehlungen sind immer willkommen!
hier etwas zu kurz gekommen sind doch die Südafrikaner.
Hazendal Estate Stellenbosch hat einen 99’er in Holz hervorgebracht, der wohl das maximal Machbare aufzeigt.
Nicht für jeden Geschmack, auch jetzt noch intensiv.
Etwa 80 km südlich der Loiremündung ligt direkt am Atlantik die Ortschaft Brem sur mer mit der Apellation Fiefs Vendéens. Dort produziert Thierry Michon, Domaine Saint Nicolas, schönen Chenin als trockenen Stillwein.
Hallo Christoph,
Danke für den Bericht! Da rückst Du eine der großen Trauben in den Blickpunkt. Ich freue mich auch schon Pithon-Paillé und La Grange Tiphaine im April Live auf dem Rootstock-Festival bei uns im Gaillac bei Causse Marines erleben zu können. Sie sind gute Freunde des Hauses.
Nicolas kannst Du ja auch nochmal nächsten Samstag in Düsseldorf auf der Prowein-Gegenveranstaltung – der “Renaissance des Appellations” treffen. 12.3. Genaueres kannst Du auf unserem Blog erfahren.
Agnes und Rene Mosse Anjou/Savenniers sind noch zu erwähnen und Chateau La Tour grise Samur. Auch die im Vin naturel-Bereich angesiedelt.
Und das Chenin gut sein kann zeigt sich ja auch im Ruf der Appellation Savenniers, das in französischen Insiderkreisen als bestes Weißweingebiet Frankreichs gilt.
Lieber Karl, kannst Du das tatsächlich nachvollziehen, dass Savennieres als bestes Weißweingebiet Frankreichs gilt? Ich liebe diese Rebsorte wirklich sehr und habe auch schon große (aber wenige große) Weine aus der Appellation getrunken. Mehr große Weine habe ich aber (es ist natürlich subjektiv) aus dem Vouvray und vor allem Saumur (Brézé) getrunken.