Wein am Sonntag: La Colline inspirée von Jacques Lassaigne

Anfang 2016 habe ich mich dazu entschlossen, mich mit meinem Büro für Wein & Kommunikation selbständig zu machen und am 1. Juli des selben Jahren war es dann so weit. Das ist jetzt ein Jahr her und wie immer bei solchen Unternehmungen, vergeht die Zeit wie im Fluf und es kommt immer anders als gedacht. Menschen, auf die man sich glaubte, verlassen zu können schweigen plötzlich; andere, mit denen man nicht gerechnet hatte, kommen dazu; das Portfolio an Auftraggebern ist breit und stark geworden in dem Jahr und ich, ich bin nach zwölf Monaten sehr glücklich.

Da war es an diesem ersten Jubiläumswochenende an der Zeit, eine gute Flasche Wein zu öffnen und auf den Entschluss anzustoßen. Es war für mich völlig klar, welche Flasche das sein würde. Es sollte La Colline inspirée von Emmanuel Lassaigne sein, denn den Champagne hatte ich zur Eröffnung meines Büros im letzten Juli von Freunden geschenkt bekommen, mit denen ich im April 2016 noch bei Lassaigne in der Champagne gewesen war.

Lassaigne und das Terroir von Montgeux
Für mich steht Emmanuel Lassaigne heute in der vordersten Reihe der Champagne-Winzer. Und er hat gleichzeitig mit seiner unermüdlichen Arbeit und auch Experimentierfreude eines des großen unbekannten, bzw. vergessenen Terroirs dieses Landstrichs bekannt gemacht. Montgeux  kann man sich als einsamen Hügel in einem Meer aus landwirtschaftlich intensiv genutzter Fläche vorstellen, deren Böden so fett sind, dass es sich nicht lohnt, auch nur einen einzig Rebstock dort zu pflanzen. Kommt man von der Côte de Blancs, muss man rund eine dreiviertel Stunde durch diese öde Landschaft fahren, um den Hügel  zu Gesicht zu bekommen, der nicht weit entfernt von Troyes liegt, wo dann so langsam die Côte des Bar mit ihren kalkigen Böden beginnt. Montgeuy ist der letzte Zeuge der Kreidezeit, den man in dieser Region findet. Montgeux wurde vor langer Zeit als Montrachet der Champagne bezeichnet. Wenn man Lassaignes Stillwein, den kraftvollen und üppigen Coteaux de Champenois probiert, bekommt man auch eine Ahnung, weshalb es diese Bezeichnung gab. Im 19. Jahrhundert war Montgeux noch  so bekannt, dass die ersten Japaner, die nach der Öffnung ihres eigenen Landes die Welt bereisten und nach Frankreich kamen, die ersten nach Japan importierten Rebstöcke in Montgeux erwarben. Damals allerdings gehörte der Ort und sein Hügel noch nicht zur Champagne. Das hat sich erst in den 1960er Jahren geändert, als man das Terroir neu und der Champagne zugehörig einordnete.

 

Die Anfänge in Montgeux
Die Winzer des Ortes verkauften ihren Ertrag fast ausschließlich an größere Häuser wie Charles Heidsieck und Piper-Heidsieck, und so ist es bei 80 % bis heute. Manus Vater Jacques gehörte zu den ersten, die sich Anfang der 1970er trauten, erste eigene Weine zu produzieren. Dabei handelte es sich damals zunächst ausschließlich um Stillwein. Wie gesagt, der Montrachet der Champagne… Jacques erste Schaumweine folgten in den 1980ern. Das Geschäft dümpelte, ehrlich gesagt, so dahin, bis Jacques’ Sohn Emmanuel 1999 übernahm. Er hatte größeres vor. Er wollte aus dem ihm gegebenen Terroir, dass gerade bezüglich des Bodens in hohem Maße mit dem berühmten Grand-Cru-Ort Le Mesnil-sur-Oger zu vergleichen ist, das Beste herausholen, was geht. Und das gelingt ihm in immer beeindruckenderem Maße.

Der heimatliche Weinberg

Emmanuel Lassaignes eigene Stilistik
Lassaignes vier Hektar Rebfläche befinden sich allesamt auf der östlich Seite des Hügels,
weitestgehend getrennt von den Weinbergen aller weiteren Winzer des Ortes. Um auch ein wenig die Kraft der südlichen Flächen nutzen zu können, kauft er von rund 2,5 Hektar Fläche dazu. Bei dieser zugekauften Ware von alten Reben kann er den ganzen Produktionsprozess kontrollieren, wozu gehört, dass auf sämtliche chemischen Maßnahmen im Weinberg verzichtet wird. Der komplette Ertrag wird bei ihm im Weingut in einer alten Coquard-Presse gepresst und genau zu diesem Zeitpunkt kommt etwas Schwefel auf den Most. Danach nicht mehr. Die Weine vergären spontan, werden leicht geschönt aber nicht filtriert und bekommen für die zweite Gärung so viel Zucker und Hefe mit, dass sie nachher fünf Bar Druck in der Flasche haben und nicht sechs, wie es eher üblich ist. Sämtliche seiner Weine werden Brut nature ausgebaut und alle Flaschen werden bei ihm von Hand degorgiert.

Emmanuel Lassaigne lehnt auf den Barriques, in denen sich La Colline befindet.

Arbeit mit gebrauchten Barriques
Seit 2004 hat sich Lassaigne langsam an den Ausbau mit Holz herangetastet. Vorher hat er ausschließlich mit Edelstahl gearbeitet und tut dies auch heute noch für den größten Teil seiner Produktion.  Das Ergebnis dieser Arbeit mit Holz – und zwar ausschließlich gebrauchtem Holz, ist La Colline inspirée, dessen Name auf ein Gedicht von André Massey zurückgeht. Das ist übrigens die sehr beeindruckende Seite an dem Winzer Lassaigne, der zunächst im ersten Kontakt eher abweisend wirkt und als Typ ein echter Landmann ist. Schon die feine Arbeit der Etikettengestaltung allerdings gibt einen eindeutigen HInweis darauf, dass da er eine sehr musische, künstlerische Seite besitzt. Sitzt man mit ihm in seinem Verkostungsraum, besteht daran dann auch kein Zweifel mehr. An den Wänden hängen die Grafiken seiner Etiketten, auf dem Tisch liegt das Gedicht von Massey, im Hintergrund stilsicher ausgewählte klassische Musik. Er öffnet eine Flasche nach der anderen und man kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr raus. Das gilt gerade auch für seine experimentellen Weine wie dem Rosé, des sonst ausschließlich Chardonnay verarbeitenden Lassaigne. Das gilt für den erwähnten, raren Stillwein ebenso wie für den Champagne, der in Fässern von Ganevat lag und vorher nur Juraweine gesehen hatte.

La Colline inspirée
La Colline inspirée ist der vielleicht klarste Ausdruck der expressiven Weine von Lassaigne. Die Chardonnay-Frucht stammt von den Parzellen La Grande Côte, Les Paluets, Le Cotet und Voie Creuse. Rund 65 % des Weines stammen aus einem Jahrgang (in diesem Fall 2011, acht Monate im Fass) und werden mit Reserveweinen aus den beiden vorangegangenen Jahren (2010, 20 Monate im Fass, 2009 32 Monate im Fass jeweils auf der Vollhefe, aber nicht umgerührt) assembliert. Die Frucht ist hell und intensiv. Sie erinnert an Grapefruit und Meyerzitronen, einen Hauch von Pistazien und Brotkrumen, ohne in die Autolysenoten von gerösteten Haselnüssen und Brioche abzudriften. Nein, im Gegenteil ist La Coline inspirée fast puristisch und trotzdem voller Tiefe und Kraft. Am Gaumen zeigt sich der Wein dann mit voller Intensität und Länge. Hier findet sich neben der Frucht mit ihrer straffen Zitrussäure eine besondere Salzigkeit, Lebendigkeit und auch Kreidigkeit. Der Wein haut einem die volle Wucht des Terroirs um die Ohren, hat sich aber vorher Samthandschuhe angezogen und tut dies mit einem so charmanten Lächeln, dass man sich dem nicht entziehen möchte. Im Gegenteil …

Fotos copyright: Christoph Raffelt

Den Wein gibt es bei Weinhalle.de und Champagne Characters

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