Wenn man sich so anschaut, was wir an diesem Abend aufgemacht haben, könnte man sich ernsthaft die Frage stellen, ob wir diesen Abend gesund überlebt haben. Haben wir. Wir haben geöffnet und geöffnet und irgendwie ist nicht viel dabei herumgekommen an diesem Abend. Die Rotweine eine einzige Pleite, lediglich der Riesling von Eva Vollmer war es wirklich wert, getrunken zu werden.
Aber von vorne. Es gab Spargel und ich hatte von K&M Gutsweine eine Kiste Weißwein von der hochgelobten Jungwinzerin Eva Vollmer erhalten. Die Weine passen alle zum Spargel und am Abend vorher hatte ich schon an anderer Stelle den Weißburgunder probiert. Da macht jemand in Mainz Wein und der wird auch noch fein. Der Weißburgunder jedenfalls hat mich überzeugt. Ein klassisch-schöner, sortentypischer Vertreter, Duft von Steinobst in der Nase und im Mund, dazu eine schöne Mineralik, ein bisschen Blumen, schöne Frucht, schöner Schmelz.
Zu unserem Spargelessen an diesem Abend stand dann der Silvaner! zur Debatte und wir sind leider nicht über ein sattes Glas hinausgekommen. Also, ein kleines Glas, schnüffeln, schweigen, Kopfschütteln, nachschenken, immer noch Kopfschütteln, inhalieren, schweigen. Der Wein hat uns nichts gesagt. Zu verhalten, zu zurückhaltend, fast ein wenig bitter-unrein im Geschmack.
Deutlich besser und sehr schön passend der halbtrockene Riesling. Wenig Säure, leichte, feine Mineralik, dazu satter Weinbergpfirsich und ein wenig etwas von Orange und ganz leichte Karamellnoten. Unkompliziert schön für den Terrassenabend, den wir hatten.
Der Zweitwein von Château Lagrange, St. Julien, Les Fiefs de Lagrange, Jahrgang 2000, stand schon etwas länger in der Karaffe, zwei Stunden etwa und aus der Karaffe schon drang der starke Duft von roten Beeren, von Zeder, von Erde, von Rauch. Im Glas wirkt er noch konzentrierter.
Holgi beschreibt es als eine Scheibe gebutterter, schwarz gewordener Toast mit Brombeer-Johannisbeer (rot)-Marmelade, die von einem rauchenden Asphaltleger zusammen mit einem frischen Zweig in einer mittelmäßigen Ledertasche an der französischen Atlantikküste verloren wurde und bringt es treffend in einen Satz. Auch sein zweiter Satz besticht und es ist nichts mehr hinzuzufügen: Im Mund leider total fies.
Außer dass das schon schade ist, enttäuschend, enttäuschender noch als die Alternativflasche, der Balthasar Gracian Varietales 2002, eine Cuvée von Syrah, Tempranillo, Merlot und Cabernet der Bodegas San Alejandro aus dem Calatayd. Diese hatten übrigens im Jahr 2002 den mit Abstand besten Vinjas Viechas von der Garnacha hervorgebracht, einen Wein, den Robert Parker damals mit 91 Punkten bewertet hatte und der es wert war. Die Folgejahrgänge waren dagegen eher enttäuschend.
Leicht nach Sauerteig mit Käse in Verbindung mit Johannisbeeren riechend, schmeckt er völlig banal wie ein Drei-Euro-Discounter. Auch er hat schon die beste Zeit längst hinter sich.
Das muss man auch dem Château de Pibarnon 2002 aus dem Bandol attestieren. Das kleine Fläschchen strahlt eine Bitterkeit aus, die einem den Pelz auf der Zunge gefrieren lässt.
Der letzte Versuch holt es noch ein bisschen raus. Draußen ist es bereits dunkel und kalt, als wir drinnen die DVD-Maschine anwerfen und schauen, wie Oz Clarke mit James May im Zelt die Nacht verbringt und dabei im Gegensatz zu uns auf guten Roten nicht verzichten muss. Wir greifen also frustriert noch mal ins Regal und suchen und finden einen zwei Jahre alten Toscanesen von Volpaia. Citto heißt der kleine Freund und er schafft es wenigstens, dass wir angeschickert in den Schlaf finden. Wenigstens das.
[…] Ich habe das Gefühl, dass ich immer mehr Frauen wahrnehme, die Weine machen aber ich weiss ehrlich gesagt nicht, ob das der Wirklichkeit entspricht oder mir nur persönlich auffällt. Gerade an der Mosel und in Rheinhessen scheint es aber auffällig. Auf der Prowein habe ich Sandra Sauer getroffen die zunehmend Hand anlegt und eigene Vorstellungen vertritt beim Ausbau der Weine im Keller ihres Vaters Horst Sauer. Das zum Gebier Franken. Die Weine von Luisie Freifrau von Racknitz und ihrem Mann habe ich schon einige Male hier besprochen (z.B. hier und hier) soweit kurz zur Nahe, gerade beschäftige ich mich mit den Weinen des Ehepaars Riffel und nicht zuletzt habe ich kürzlich Weine der Jungwinzerin Eva Vollmer besprochen. […]
bezüglich des “fiefs 2000” muss ich sagen -es gibt auch einige bordeaux´s, die in manchen phasen äusserst ungut auf luft reagieren: diese erfahrung habe ich besonders bei den klassisch gemachten weinen aus starken (tanninreichen) jg. gemacht, wenn man sie (leider) aus ihrem tiefschlaf “aufweckt”. da ist dann dekantieren ein regelrechter schock.
vorgestern & gestern hatte ich zb. einen calon segur 2003 im glas: der erste probeschluck aus der flasche war noch vielversprechend, beim zweiten ist dann die frucht vollkommen abgeflacht und die säure wurde immer spitzer. in diesem fall gibts für die angebrochene flasche nur korken wieder drauf und immer nur ein wenig ins glas. die anderen flaschen wandern dann ganz nach hinten in den keller. der calon ist übrigens am 2.tag in der geschlossenen flasche noch halbwegs rund geworden -in 10 jahren erwarte ich aber viel!
den lagrange 2000 (erstwein) hatte ich 2mal im glas -hier meine notizen:
1.demi am 06.03.07, man kann ahnen wie geil der mal wird; dunkel, enorme frucht und noch pubertäre, ruppige tannine. 2.demi am 10.05.09: deutlich offener, trotzdem erst am anfang, sehr dunkel, sehr undurchdringlich.
lagrange ist -wie so viele 2000er- ein langstreckenläufer, den man jetzt nicht anrühren sollte.
mfg
bez. calon03 -nur damit es keine missverständnisse gibt: ich trink den wein natürlich aus dem glas und nicht aus der flasche! ich giesse nach dem entkorken immer einen oder zwei kleine schlucke in ein kleines glas, um den wein zu “lesen”. dann wird der wein entweder dekantiert oder in der flasche gelassen.