Das Champagnerhaus Krug wird von vielen Kennern als Maß aller Dinge bezeichnet, an dem sich alles andere messen muss. Das ist nicht unumstritten, da die Champagner von Krug nicht unbedingt die Quintessenz aller führenden Häuser darstellen, sondern einen individuellen Stil pflegen. Der muss nicht jedem zupasskommen. Unbestritten aber dürfte sein, dass kaum ein anderes Haus so kompromisslos Wert legt auf die Qualität vom Weinberg bis in den Keller.
Man könnte über Krug Seiten schreiben, was ich anderen überlasse, um mich übersichtlich kurz zu halten. Es gibt einen informativen Artikel von John McCabe, der die Geschichte und die Besonderheiten des Hauses herausstreicht, die ich zusammenfassen werde.
Im Gegensatz zu praktisch allen anderen Häusern werden bei Krug alle Weine in kleinen, pièces genannten, 205 Liter fassenden Eichenholzfässern vergoren. Dabei dienen die Fässer jedoch keineswegs der Beeinflussung der Aromen durch frische Tannine, Vanille oder Kaffeearomen. Die wird man in einem Krug nicht finden. Der Ausbau dient dazu, die Weine geschmeidiger zu machen und – das ist wohl auch ein Ergebnis der Bemühungen – die Lagerfähigkeit der Champagner deutlich zu erhöhen. Während der Gärung und Klärung der Weine findet ja ein Sauerstoffaustausch durch die Poren den Holzes statt, der zu einer leichten Oxidation der Weine führt, was mitverantwortlich dafür sein dürfte, dass Champagner aus dem Hause Krug so lange lagerfähig sind wie gute Burgunder.
Krug besitzt über 3.000 dieser kleinen Eichenfässer, die befüllt und zu Pyramiden gestapelt werden. Nach der natürlichen Klärung läuft der Wein aus den oberen Fässern in tiefer liegende Fässer, die leeren Fässer müssen aufs Peinlichste gesäubert werden, um dann weiter benutzt werden zu können.
Etwas, worin es die Krugs zu wahrer Meisterschaft gebracht haben, ist die Assemblage. Da werden bis zu 60 verschiedene Weine aus bis zu 25 verschiedenen Lagen aus bis zu zehn unterschiedlichen Jahren zusammengeführt, um nachher zu dem zu werden, was jeder Champagnerkenner dann als Krug identifiziert. Zu diesem Ereignis finden sich all jene Familienmitglieder zusammen die innerhalb des Hauses sonst ganz anderen Dingen nachgehen; die Assemblage hat dort jeder gelernt.
Einen kleinen Einblick geben Oz Clarke und James May in der sechsten Folge der Big Wine Adventure. Sie besuchen unter anderem Rémi Krug, man schaut in den Keller und die Produktionsanlagen und er gibt einen kleinen Einblick in das Blending.
Hier finden wir dann auch noch die nächste Besonderheit: Krug lädt die beiden ein auf ein Glas Clos du Mesnil. Das ist Champagner aus einem einzelnen 1,86 Hektar kleinen Weingarten, einem echten Clos, also einem mit Steinwällen ummauerten Wingert wie es ihn noch häufig im Burgund gibt, der sonst aber selten geworden ist. Dieser Einzellagen-Blanc de Blancs wird seit 1979 abgefüllt, es werden rund 10.000 Flaschen produziert und, ich habe mal nachgeschaut, den aktuellen Jahrgang 1996 bekommt man kaum unter 900 Euro pro Flasche. Wer dachte, exklusiver ginge es nicht, hat sich getäuscht; denn seit Kurzem bringt Krug einen noch rareren Einzellagen-Champagner heraus, der als reinsortiger Pinot Noir aus Trauben einer noch kleineren Parzelle extrahiert wird. Es ist der Clos d’Ambonnay, 0,68 Hektar Pinot Noir, wahrscheinlich so etwa um die 3.000 Flaschen und keine unter 2.000 Euro zu haben.
Tja. Zurück ins Leben. Ich hatte also die Chance, eine Grand Cuvée zu probieren, einen Wein, der sechs Jahre auf der Hefe gelegen hat während der zweiten, der Flaschengärung und der mit einem Anteil von bis zu 80 % im Verkauf das Flaggschiff des Hauses darstellt. Wie war er denn nun?
Beeindruckend, in der Tat. Zunächst ein wenig unruhig im Glas mit starker Perlage. Duft nach Hefe, Brioche, geröstetem Weißbrot mit Nüssen. Der Wein spielt mit der Säure und den Aromen von Zitronen und frischen Äpfeln. Es ist ein enormer Druck hinter dem Champagner, und trotzdem wirkt er fein und unglaublich ausgewogen. Das ist kein sanfter Vertreter, der Wein lebt sein Ego voll aus, wenn ich das mal so formulieren darf. Man kann nur die Augen schließen und sich voll auf das Wechselspiel im Mund konzentrieren.
Beeindruckend übrigens auch das Sendungsbewußtsein: Ich hatte vor ein paar Jahren das Vergnügen einer Führung mit anschließender Probe im Hause Krug. Einer der ersten Sätze der Dame, die uns führte: Krug-Champagner fangen dort an, wo die anderen Häuser aufhören.
Mir persönlich ist der sehr oxidative Stil des Hauses ja in aller Regel eine Spur zu expressiv. Aber – und auch das ist ja eine Leistung – er ist ziemlich klar blind zu erkennen.