Der Grand Prix der Großen Gewächse 2022 – Teil 7, Riesling Württemberg & Nahe

Württemberg
Es gibt drei Aldinger-Weine und man darf sich in gewisser Weise seinen eigenen Liebling aussuchen. Der Aldinger 2020 Stettener Pulvermächer liegt noch ziemlich auf der Reduktion – kein Wunder, dass das ein Jahr länger gelegen hat – mit viel Flint, das aber beginnt, sexy zu werden. Am Gaumen ist das 2020-typisch leicht seidig und sinnlich und zudem saftig mit nur ganz leichter Extraktsüße. Dazu kommt eine feine Cremigkeit. Das gefällt mir! Der Aldinger 2021 Untertürkheimer Gips Marienglas® erinnert im Duft an ein Zitronenfruchtzuckerbonbon aus der Apotheke mit etwas Flint. Am Gaumen ist das noch wild und ungeschliffen aber auch eben auch tief, leicht druckvoll, fordernd und sich schon sehr stimmig. Beide Weine unterstreichen meine Hang dazu, Fan-Boy des Württemberger Rieslings zu sein. Das Wilde hat auch der Beurer 2020 Stettener Mönchberg „Berge“ im Glas, aber anders. Man muss zunächst ein bisschen was Krautiges aus dem Glas schütteln, dann geht es aber auch weg. Es bleibt eine Mischung aus Kräuterlimo mit einer gewissen Fruchtsüße, eine wilde Hefenote und eine charmante Textur. Der Aldinger 2021 Fellbacher Lämmler unterstreicht das noch mit seiner saftigen Art, die auch hier von einer leichten Reduktion, die aber jetzt schon im Schwinden begriffen ist, unterlegt es. Es gibt ein wenig Extraktsüße, schon auch viel Säure, aber keine, allzu sehr ins Zahnfleisch schneidet. Dafür hat der Wein Körper und Länge und unterstreicht die Klasse der Kollektion. Der Rainer Schnaitmann 2021 Fellbacher Lämmler wirkt noch unfertiger mit einer Note, die irgendwo zwischen Gummi und Petrol liegt. Am Gaumen dreht der Wein auf, zeigt viel Druck und Frische mit hellem Saft. Die Säure wirkt hier allerdings tatsächlich schneidend, der Wein braucht noch viel Zeit. Der Rainer Schnaitmann 2021 Uhlbacher Götzenberg, mein erklärter Lieblings-Riesling des Weinguts, präsentiert sich in diesem Jahr weniger erdig und kräuterduftig und eigensinnig, eher hart an der Kante mit viel Säure und einer Grafit- und Bleistiftnote. Da ist mir noch nicht ganz klar, wo es hin geht. Beim Staatsweingut Weinsberg 2021 Burg Wildecker Burg Wildeck Herrschaftsberg scheint die Qualitätsprüfung versagt zu haben. Das wirkt schlicht unreif und wässrig. Der Fürst Hohenlohe Oehringen 2021 Verrenberger Verrenberg gefällt mir dagegen ausgeprochen gut mit seiner tiefen steinigen und kräuterbetonten Würze und seiner beschwingten, von leicht süßer Frucht untermalten Leichtigkeit am Gaumen, die trotzdem Tiefe zeigt. Der Dautel 2020 Bönnigheimer Steingrüben Late Release wirkt noch reduktiv im Duft und auch am Gaumen mit ordentlich Gummi. Aber auch mit viel Saft und einer für 2020 doch sehr angenehmen seidigen Säure und daraus resultierenden Frische. Der Wachtstetter 2020er Pfaffenhofen Mühlberg umzirzt einen mit seiner eleganten Frucht, die von einer für 2020 wunderschönen Säure getragen wird. Graf Neippergs 2021 Schwaigerner Ruthe kommt schon mit Schirm, Charme und Melone um die Ecke. Recht viel Frucht, sehr klassisch in der Ausrichtung und angenehm balanciert am Gaumen zwischen besagter Frucht, Säure und Gestein. Etwas verhaltener und heller wirkt der Graf Neipperg 2021 Neipperger Schlossberg mit recht viel zitrischer Frucht, aber ebenso mit Druck und viel Frische und Mineralität am Gaumen. Ungewöhnlicherweise haben die Grafen noch einen Graf Neipperg 2016 Neipperger Schlossberg mit dazu gestellt und der riecht im Duft nach Mörtel aus einem Abrisshaus mit Bienenwachs verkleidet. Das empfinde ich am Gaumen auch etwas schwierig, weil es ähnliche Assoziationen bei mir weckt. Aber ansonsten gefällt mir die aktuelle Kollektion der Neippergs gut. 

Peter Bender 2022 ©

Nahe
An der Nahe gibt es sechs Flights mit acht Weingütern. Hier ist die Dichte der GGs pro Weingut besonders hoch. Immerhin ist es dieses Jahr keins mehr geworden.

Flight 1
Schäfer-Fröhlichs Weine haben sich so langsam auf einen reduzierten Grad von Wildheit eingependelt. Man findet Kräuternoten und nur eine ganz leichte Reduktion, die sich bei mir in Noten von Hafer und Tonkabohnen ausdrückt. Mehr oder weniger haben das alle Weine so ganz reduziert. Deutlicher sind die zitrischen Noten mit etwas Bitter Lemon. Das Schäfer-Fröhlich 2021 Monzinger Frühlingsplätzchen erscheint schon recht zugewandt und frisch mit Blüten und einer leichten Frucht. Der Schäfer-Fröhlich 2021 Monzinger Halenberg wirkt tiefer, fester und würziger mit viel noch unterdrückter Kraft und einem Ausblick in ferne Welten, wo die Säure sich dann ein bisschen abgeschliffen haben wird. Daneben steht natürlich Emrich-Schönlebers 2021 Monzinger Frühlingsplätzchen mit ähnlicher Blütenduftigkeit und heller Frucht am Gaumen und einer ähnlich Nase und einem ähnlich tiefen Emrich-Schönleber 2021 Monzinger Halenberg, der aber deutlich runder, seidiger und etwas fruchttiefer wirkt als der würzigere und steinigere Weine von S-F. Komplex sind sie beide, Spannkraft haben sie auch und ehrlich gesagt kommt nach kurzer Zeit auch die tiefe Gesteinswürze des E-S Halenberg um die Ecke. Der Schäfer-Fröhlich 2021 Bockenauer Felseneck wirkt vergleichsweise brav und seidig am Gaumen. Doch diese ersten Momentaufnahmen täuschen gewaltig. Sobald man den Felseneck, aber auch den Schäfer-Fröhlich 2021 Bockenauer Stromberg etwas länger am Gaumen hat, schlägt die Säure unvermittelt brutal zu. Das braucht einfach mal so viel Zeit, das Ganze. Dabei wirken die Weine durchaus im ersten Moment zugewandt, fein würzig und geschmeidig. Aber es sind Wölfte im Schafspelz und der Stromberg wirkt auch aromatisch noch nicht ganz durchgereift. Da sind noch ein zu viele von S-Fs Spezialnoten mit im Spiel. 

Flight 2 (übersprungen)

Flight 3
Um bei Schäfer-Fröhlich zu bleiben, probiere ich zunächst die Schäfer-Fröhlich 2021 Schlossböckelheimer Kupfergrube. Diese duftet eher kreidig denn reduktiv mit so ein paar Noten, wie ich sie vom Sauvignon Blanc kenne: leicht grün und kalkig. Am Gaumen vermischen sich die kalkigen und leicht grasigen Noten mit Limette und Gestein. Das wird sicher einmal schön aber aktuell ist das in der Menge nur noch brutal. In Dr. Crusius2021 Schlossböckelheimer Kupfergrube vermischen sich Gestein, Säure und zitrische Aspekte mit einer leichten Süße und auch einer gewissen Bitterkeit im Finale. Vor allem die süße Frucht wirkt hier aber immer noch fehl am Platze, auch wenn es trockener ist als früher. Beim Gut Hermannsberg 2017 Schlossböckelheimer Kupfergrube ist das kein Tippfehler. Es ist ein 2017er der mit leichtem Petrol aufwartet. Das ist reif, recht seidig, füllig, saftig und rund aber mit einer lebendigen Säure und einem dankenswerten Schmelz. Sehr schön! Genuaso gereift die Gut Hermannsberg 2017 Niederhäuser Hermannsberg. Das wirkt für mich fast noch stimmiger, weniger petrolig, etwas würziger, feiner und ebenfalls lang mit feinem Schmelz von Lemoncurd, einer etwas druckvolleren Säure und feiner Mineralik. Der Gut Hermannsberg 2021 Niederhäuser Steinberg dagegen wirkt auf mich etwas brausig, der H. Dönnhoff 2021 Niederhäuser Hermannshöhle verbindet dunkle, leicht rauchige Aspekte mit einer leicht süßen Frucht und bitter Lemon und der immer wieder brutalen Säure des Jahrgangs. Das hat viel Potential, ist aber, wie immer etwas schwer einzuschätzen, da die leicht süßen Frucht- und Bitter-Lemon-Noten eigentlich nicht zum Rest passen. 

Flight 4
Der Dr. Cursius Schlossböckelheimer Felsenberg gefällt mir viel besser als die Kupfergrube. Er ist balanciert, die leichte Fruchtsüße passt zur Säure und zur leichten Würze. Der Wein besitzt vor allem einen feinen Schmelz. Auch der Gut Hermannsberg 2021 Schlossböckelheimer Felsenberg gefällt mir gut mit seiner leicht rauchigen Nase und der Balance am Gaumen. Auch das hat Schmelz, nicht nur helle und grüne Zitrusnoten sondern auch ein bisschen was warmes in der Frucht und zudem eine angenehme leicht erdige Würze. Der Schäfer-Fröhlich 2021 Schlossböckelheimer Felsenberg macht keine Gefangenen. Im Duft wieder kalkig-grasig mit etwas Hafer, am Gaumen hell, zitrisch, saftig, druckvoll und im aktuell Stadium (zumindest in meinem …) auch leicht schmerzhaft. Der H. Dönnhoff 2021 Schlossböckelheimer Felsenberg Felsentürmchen wirkt etwas fester, dunkler und trotz der Säure auch etwas anschmiegsamer. Das H. Dönnhoff 2021 Norheimer Dellchen gefällt mir noch einen Ticken besser mit seiner Note von flüssiger Milchschokolade, viel Kräuterwürze und der angenehmen Festigkeit am Gaumen. Das wirkt kraftvoll, sehr steinig, würzig, fast erdig und doch auch charmant. 

Flight 5 (übersprungen)

Flight 6
Im letzten Flight der Probe geht es nach Dorsheim. Das Joh. Bapt. Schäfer 2021 Dorsheimer Pittermännchen wirkt im Duft zwar fast ein wenig grün, mit etwas grüner Ananas und Limette, am Gaumen dann aber reif und verhältnismäßig rund mit einer ganz feinen Extraktsüße, die die säure ein wenig kontert. Das wirkt zugewandt und duftig und schön bei mittlerer Komplexität. Das Schlossgut Diel 2021 Dorsheimer Pittermännchen geht tiefer und schafft das auch mit einer gemäßigt wirkenden Säure und ohne Fruchtsüße, dafür aber mit viel Extrakt und Festigkeit. Das Schlossgut Diel 2021 Dorsheimer Goldloch zahlt auf den gleichen Stil ein. Es wirkt fast seidig und rund am Gaumen, dann wird die Säure lebendig in der hellen Kernobstfrucht, der Extrakt wird offensichtlich und der Wein ist kraftvoll und ellenlang. Stark, beide. Der Schlossgut Diel 2020er Dorsheimer Burgberg ist da ein würdiger Abschied aus der ganzen Veranstaltung. Reif, tief, würzig, noch streng, angenehm saftig und mit einer tragenden Säure. Hach, Danke!

Top-Empfehlungen:
Aldinger Kollektion
Schlossgut Diel Kollektion
Schäfer-Fröhlich Kollektion

Empfehlungen:
Graf Neipperg Kollektion
Emrich-Schönleber Kollektion
Dautel 2020 Bönnigheimer Steingrüben
H. Dönnhoff 2021 Norheimer Dellchen
Joh. Bapt. Schäfer 2021 Dorsheimer Pittermännchen

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