Der Grand Prix der Großen Gewächse 2023 – Tag 1, Silvaner

Es ist wieder soweit. Der August neigt sich dem Ende und der VDP ruft Journalisten, Influencer, Weinhändler und Sommeliers zur Vorpremiere der Großen Gewächse. Wie in den letzten Jahren, bin auch ich wieder mit dabei. Nachdem ich im letzten Jahr noch hart mit Long-Covid zu kämpfen hatte, geht es mir in diesem Jahr deutlich besser. Angefangen mit dem Verkostungsmarathon habe ich gestern schon zunächst im Weingut Gunderloch mit einer Vertikale Rothenberg von 2012 bis 2022. Dann ging es weiter zu Wagner-Stempel, wo Daniel Wagner nicht nur sein 30. Jubiläum als Winzer gefeiert hat, sondern auch 20 Jahre Heerkretz Großes Gewächs. Und tatsächlich hatte er 20 Jahrgänge auf dem Tisch stehen. Eine einzigartige Probe, auf die ich noch mal gesondert eingehen werde. An seiner Seite waren die Wittmann und Battenfeld-Spanien und mit Philipp und H.O. Weggefährten seit den Anfängen. Dazu kamen die Runkel-Brüder, mit denen Daniel ja Heerkretz- und Scharlachberg-Parzellen getauscht hat und schließlich Andi Rings, der bei Daniel 2006 gelernt hat. Das war eine sehr gute Gelegenheit, zu rekapitulieren, wie sich die GGs in Deutschland entwickelt haben.

Doch nun zu den aktuell neu vorgestellten Weinen. Es sind in diesem Jahr 471 Große Gewächse. Es ist für mich unmöglich, alle zu verkosten, aber ich probiere, soweit mit meine Geschmacksknospen tragen werden. Es geht – wie immer – los mit Silvaner.

Silvaner

Flight 1

Der erste Wein ist schon mal kein aktueller Jahrgang, sondern der 2018 Fürstlich Castell’schen Domäne „Castell Schlossberg“. Im Duft wirkt er frisch, erinnert an Pfirsich und Nektarinen mit etwas Zitrone und gelbem Apfel. Ich finde aber auch eine Spur Gummi. Am Gaumen besitzt der Wein Volumen, wirkt recht dicht, die Steinobstfrucht aber ein bisschen artifiziell. Zudem habe ich das Gefühl, dass der Silvaner ein wenig hart und heiß wirkt. Mich stört aber vor allem die künstlich wirkende Frucht. Es folgt der 2022 Paul Weltner „Rödelsee Hoheleite“. Der Silvaner riecht nach Gras und leicht unreifen Trauben mit recht viel Zitronen- und etwas Apfelschale. Am Gaumen wird der Silvaner charmanter und einladender. Das leicht Grasige ist zwar noch da, wirkt aber nicht mehr unreif. Zudem ist es typisch für diesen Wein in den letzten Jahren. Dafür besitzt der Wein etwas Cremiges und Seidiges in der Textur. Insgesamt wirkt der Silvaner ein wenig wässrig auf mich und nicht so dicht wie im letzten Jahr. Dafür klingt der Wein allerdings recht lang aus. Der dritte Silvaner ist der 2022 Staatlicher Hofkeller Würzburg „Würzburg Stein-Berg“. Dieser Silvaner überträgt seinen Charme über die reife Steinobstnase, die cremig und rund wirkt und von etwas zerstoßenem Stein durchdrungen wird. Am Gaumen ist das ein angenehm klarer, präziser, seidiger und saftiger Wein. Die Frucht strahlt hell, das Gemüsige und Erdige aus dem letzten Jahrgang finde ich hier nicht. Ich finde das sehr klassisch, durchaus komplex und lang. Der 2022 Bürgerspital zum Hl. Geist „Würzburg Stein-Harfe“ gefällt mir im Duft ebenfalls viel besser als im letzten Jahr, wo das Brausige im Vordergrund stand. Heuer wirkt es klassischer mit reifem Steinobst, etwas Zitrone und Birne, dazu etwas Lanolin. Am Gaumen besitzt er nicht die Komplexität des vorherigen Weines. Es wirkt kräftig, zitrisch und weniger auf der Steinobstfrucht, die den Duft so charmant gemacht hat. Das hat zwar Zug und bietet würzige Noten, aber der Wein wirkt auch etwas eindimensional und wässrig. 

Flight 2

Die zweite Runde beginnt mit dem 2021 Juliusspital Würzburg „Stein-Berg“. Der Silvaner duftet ein wenig artifiziell in der Mischung aus Steinobst und Holz. Das wirkt leicht tropisch, aber eher in Form von Fruchtgummi. Mit etwas Schütteln des Glases wird das besser. Am Gaumen gefällt mir die Mischung von tropischer Frucht, Holz, Würze und Säure nicht. Für mich passt das nicht gut zusammen. Die 2021er Säure wirkt trotz des Jahrs längerer Lagerung zu aggressiv, der Wein nicht in Balance. Es folgt der 2021 Hans Wirsching „Iphofen Kammer“. Der Wein wirkt in der Nase dropsig mit etwas Gras und Kraut, fast so als würde die Süße etwas Unreifes überdecken wollen. Am Gaumen ist das saftiger, frischer Wein, bei dem die Säure zunächst recht gut eingebunden scheint. Allerdings stört mich eine leichte Bitternote. Im Finale wird es wieder leicht krautig und die Säure wirkt ein wenig unecht neben dem Rest. Der 2021 Hans Wirsching „Iphofen Julius-Echter-Berg“ wirkt da deutlich entspannter und reifer. Die Frucht setzt sich aus weißfleischigem Steinobst, etwas Birne und Limone zusammen. Hinzu kommen Kräuternoten, die sich auch am Gaumen wieder in Verbindung mit der Frucht zeigen. Der Wein wirkt saftig und leicht cremig mit einem nur ganz leichten Anklang von Gras. Der Wein steht für mich auch in seiner Balance und Länge eine Stufe über der „Kammer“. Zurück zum Juliusspital. Der 2021 Juliusspital Würzburg „Iphofen Julius-Echter-Berg“ besitzt zum Glück nicht das Artifiziell Tropische des „Stein-Berg“. Er wirkt deutlich steiniger und vor allem präziser. Am Gaumen ist mir das alles etwas zu runde, wässrig und belanglos. Das ist weit von einem GG-Status entfernt! Schließlich gibt’s noch den 2022 Max Müller I „Volkach Ratherr“. Der Wein wirkt klar und präzise mit einer feinwürzigen, kräutrigen Nase und einer hellen, leicht zitrischen Frucht. Dahinter findet sich Stein und etwas Pfeffer. Am Gaumen wirkt der Silvaner druckvoll, saftig, würzig und lebendig. Hier findet sich schon sehr viel in Balance, auch wenn der Wein noch sehr jung wirkt. Ich mag die helle, zitrische und apfelige Frucht in Verbindung mit der leichten, charmanten Cremigkeit und dem Zug, den die Säure entwickelt. 

Flight 3

Der Flight beginnt mit dem selben Weingut, mit dem Flight 2 endete. Der 2022 Max Müller I „Escherndorf Am Lumpen 1655®“ wirkt typischerweise etwas cremiger und klassischer. So war es auch in den letzten Jahren. Da ist ein bisschen Lemoncurd, ein wenig Apfel, etwas weißer Pfirsich mit dabei, aber auch Gartenkräuter und Flechten. Am Gaumen wirkt der Silvaner saftig und sehr komplett mit einer ganz leichten Cremigkeit, gutem Säuredruck und einer gehörigen Portion Salzigkeit, die die Papillen anregt. Zudem ist das, wie auch der „Ratherr“, ein knalltrocken wirkender Wein, dem trotzdem nicht der Charme fehlt. Zwei sehr gelungene, in angenehmer Weise moderne Silvaner! Es folgt der 2022 Horst Sauer „Escherndorf Am Lumpen 1655®“. Der Wein bietet die typische Mischung aus Exotik und Steinobstfrucht – der Stil des Hauses. In der Nase finde ich den Wein angenehmer als 2021, das das Grasige nicht mit dabei ist. Der Wein wirkt fruchtig und seidig. Am Gaumen wirkt er auf mich ein wenig zu süß, auch wenn er eigentlich fast durchgegoren sein dürfte. Da ist ein Säure und leichte Bitterkeit und auch Wärme, die nicht so recht zueinander findet. Der 2022 Rainer Sauer „Escherndorf Am Lumpen 1655®“ wirkt im Duft noch dezent mit einer feinen Gesteins- und Kräuterwürze und etwas Lanolin. Dazu kommt ein wenig reifes Kernobst. Am Gaumen wirkt der Wein ein wenig müde auf mich, ihm fehlt die Brillanz und Lebendigkeit. Im Finale wirkt der Silvaner etwas austrocknend am Gaumen. Der 2021 Bickel-Stumpf „Thüngersheim Rothlauf“ verbindet florale Noten mit denen von Tabak und einer etwas strengen Säurenote. Am Gaumen findet der Wein für mich nicht zueinander. Er wirkt wenig substanziell, eher wässrig und mager. Schade. Der 2020er hat mir deutlich besser gefallen. Der 2022 Rudolf May „Thüngersheim Rothlauf“ ist ein Jahr jünger. Er wirkt deutlich charmanter in der Nase und auch komplexer. Allerdings finde ich hier eine grasige Note, die ich bei den May’schen Weine etwas ungewöhnlich ist. Minzig wirkt der Wein zudem, wie ein kühler Minztee mit etwas Sencha dazu. Dazu kommt etwas Tabak und Gestein. Am Gaumen wirkt der „Rothlauf“ druckvoll und seidig zu gleich, mit einer tiefen Salzigkeit und einer leichten Pfeffrigkeit. Tatsächlich wird das am Gaumen immer tiefer und würziger, strahlen und dunkelwürzig zugleich. Schon stark! Es folgt der 2022 Rudolf May „Retzstadt Himmelspfad“. Dieser Silvaner wirkt komplex, dicht, würzig und fest im Duft, dabei aber trotzdem strahlend. Auch hier findet sich eine ganz leicht grasige Note, die aber nach kurzer Zeit verschwindet. Dann gibt es Minze und Verbene, zerstoßenes Gestein, Flechten und blonden Tabak, etwas grünen und gelben Apfel. Am Gaumen ist das ein Wein von beeindruckender Klarheit und Präzision. Er besitzt zwar einen spürbaren Holzanteil, doch kippt der Silvaner dadurch nicht – wie anderswo so oft – in eine diffuse Exotik. Das ist ein fest gewirkter, angenehm druckvoller Silvaner mit Tiefe, Salzigkeit, Kristalliner Säure und Würze. Viel besser geht es nicht!

Flight 4

Viel besser geht es nicht? Stimmt, aber anders. Der 2022 Zehnthof Theo Luckert „Sulzfeld Maustal“ gehört schon länger als die Weine von Rudi May zum Besten, was Franken und die Silvanerwelt zu bieten hat. Der 2022er Jahrgang toppt für mich alles, was die Familie bisher schon in Flaschen gefüllt hat. Der Silvaner bildet Komponenten wie helle Frucht, Gestein, Kräuter, Erde, Tabak und Lanolin zu einem großen Ganzen, das fest verwoben ist, untrennbar, und doch locker und leicht wirkt. Am Gaumen sorgt die Tatsache, dass Luckertsweine alle einen BSA machen, für Sinnlichkeit und Seidigkeit, obwohl der Wen trotzdem druckvoll, frisch und klar wirkt. Doch dieses Seidige sorgt schon jetzt für einen enormen Charme. Und das bei aller Kraft, aller Würze die er gleichzeitig besitzt. May und Luckert, „Himmelspfad“ und „Maustal“ sind vom Ansatz her sehr unterschiedliche Silvaner, aber beide von einer beeindruckenden Komplexität, Finesse und Größe. Dahinter hat es ein 2021 Bickel-Stumpf „Frickenhausen Mönchshof“ naturgemäß schwer. Der Wein wirkt leiser und der Jahrgang war sicher nicht einfacher. Dem Wein fehlt der Charme. Zumindest meiner Meinung nach. Man hat hier viel Säure und viel Stein, aber wenig Creme. Die Säure wirkt zwar mundwässernd, aber auch ein wenig harsch und bleibt im Finale lange als einzige Komponente stehen. Ich bin mal gespannt, wohin sich das entwickelt. Es ist ein recht kompromissloser Stil, der sicher Freunde findet, zumal das vibrierend frisch und druckvoll wirkt. Aber mich persönlich holt es nicht so ab. Der letzten Silvaner des Tages ist der 2021Am Stein – Ludwig Knoll „Stetten Stein“. Die Nase bietet Pyrazin von Gras und grüner Paprika, in die sich grüne und gelbe Pflaumen mischen. Dazu kommen Kräuter und ein auch von Gemüse. Am Gaumen ist das ungewöhnlicher Silvaner mit viel Saft und Schmelz, aber auch steiniger Würze, Salz und Kräutern. Er wirkt recht dicht, druckvoll und besitzt eine gute Länge. Das ist nach dem schon sehr gelungenen 2020er auch eine sehr guter 2021er. 

Herausragend

2022 Rudolf May „Retzstadt Himmelspfad“

2022 Zehnthof Theo Luckert „Sulzfeld Maustal“

Sehr empfehlenswert

2022 Staatlicher Hofkeller Würzburg „Würzburg Stein-Berg“

2021 Am Stein – Ludwig Knoll „Stetten Stein“

2022 Max Müller I „Escherndorf Am Lumpen 1655®“

2 Kommentare

  1. Thomas Riedl

    Hallo Christoph,
    2022 war gerade im trockenen Franken kein Paradejahrgang. Und der Silvaner hatte da besondere Probleme, weil er bei zu hohen Oechslegraden in die Breite geht, mastig wird und bei Trockenstress starke Phenolik zeigt, so dass die Weine unharmonisch geraten. Meines Erachtens kommen die TOP-Silvaner zunehmend nicht mehr aus den Grossen Lagen. Sie sind zu heiß und zu trocken.

  2. Hallo Thomas, ja, das denke ich auch, bis auf wenige Ausnahmen. Und das wird in anderen Gebieten so weiter gehen. Im Burgund ist es in Teilen auch schon so.

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