Champagne – Vol. 02 – Die Montagne de Reims

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Wer eine Reise durch die Champagne plant, wählt als Ausgangspunkt gerne die Stadt Reims. Das bietet sich an weil man sie meist als erste erreicht, sie kulturell lohnenswert ist und sich hier auch einige der berühmten und traditionsreichen Champagne-Häuser befinden. Hier tummeln sich, um nur einige zu nennen, die Witwe Clicquot, Taittinger, Ruinart, Roederer, Pommery, die Heidsieck, Mumm, Jacquart, Lanson oder auch Krug. Da sie allerdings Weingärten in allen Teilen der Champagne besitzen, werde ich hier nicht weiter auf sie eingehen. Trotzdem lohnt sich natürlich ein Besuch.

Von Reims aus erreicht man schnell das erste Teilgebiet der Champagne, die Montagne de Reims zu der man im Westen der Stadt das Massif de Saint Thierry zählt. Die Montagne selbst zieht sich vom Südwesten der Stadt nach Osten und dann in einem Bogen nach Süden. Der Südwesten der Montagne ist durch Ton und Kieselsand geprägt, der Bogen hin zur Marne besteht in der oberen Bodenschicht aus Kreide und Mischgestein, eine Formation, die dem östlichen Teil des Marnetals und der Côte de Blancs nicht unähnlich ist. Die Montagne de Reims ist dabei das vielleicht uneinheitlichste Gebiet unter den Teilgebieten der Champagne. Sowohl die Bodenformationen der knapp 7.000 Hektar wechseln, als auch die Rebsorten und deshalb kann man hier kaum von einer Einheitlichkeit sprechen, wie die Côte de Blancs sie beispielsweise hat. In der Montagne de Reims finden sich alle wichtigen Rebsorten der Champagne und je nach Ort dominieren unterschiedliche Rebsorten.

Massif de Saint-Thierry
Wenige Kilometer außerhalb der Stadtgrenze Richtung Westen liegt das Massif de Saint-Thierry mit den Orten Prouilly, Chenau und Merfy. Dieser Bereich war schon im Mittelalter bekannt für seine Weine – wenn es auch Stillweine waren. Heute gibt es vergleichsweise viel Meunier, der Boden ist von Ton, Kiesel und Sand geprägt. Erwähnenswert sind hier vor allem Chartogne-Taillet und Francis Boulard & Fille. Beide Häuser wenden sich zunehmend dem biologischen und biodynamischen Anbau zu bzw. praktizieren ihn bereits.

Foto links: © Chartogne, Foto rechts: © Jean-Paul Peireault, Collection CIVC

Foto links: © Chartogne, Foto rechts: © Jean-Paul Paireault, Collection CIVC

Alexandre Chartogne setzt in seiner Arbeit schon seit Jahren auf den Ausbau von Einzellagen und Parzellen. Diese Lieut-Dit Champagner werden normalerweise reinsortig ausgebaut und spiegeln spezielle Böden hervorragend wieder. Empfohlen seien hier folgende Weine: Les Barres – Meunier und Pinot Noir auf dunklem Sand mit Kreideuntergrund, Les Allies – mehr als 50 Jahre alter Meunier auf schwarzem Sand und steinigem Boden, Les Orizeaux – 60 Jahre alter Pinot auf braunem Sand mit Kalk und Kreide sowie der Chemin de Reims – Chardonnay auf Kalkstein. Auf seiner Website kann man übrigens alle seine Lagen erkunden und erhält Informationen zum Rebbestand.

Delphine und Francis Boulard

Delphine und Francis Boulard

Francis Boulard hat sich 2010 zusammen mit seiner Tochter Delphine selbständig gemacht, nachdem er sich mit seinen Geschwistern nicht über die Zukunft der gemeinsam geerbten Rebbstände einigen konnte. Francis, der vorher schon ökologisch gewirtschaftet hat, baut nun zunehmend biodynamisch an. Seine Weine wandern samt und sonders in Eichenfässer. Die spontanvergorenen Weine werden je nach Typ einer malolakatischen Gärung unterzogen oder eben nicht. Bei Boulard kann man die Auswirkungen der Biodynamie sehr gut nachvollziehen, wenn man die Weine ein paar Jahre verfolgt. Sie werden immer tiefgründiger und mineralischer. Besonders beeindruckend sind die im Solera-Verfahren ausgebaute Cuvée Petraea, deren Solera im Jahre 1997 gestartet ist. 60% Pinot Noir, 20% Pinot Meunier und 20% Chardonnay formen hier den Champagne. Les Rachais stammt aus einer einzelnen Parzelle mit altem Chardonnay-Bestand.

Einen Winzer, dessen Arbeit man auf jeden Fall beobachten sollte ist der junge Maxime Blin. Später davon vielleicht einmal mehr.

Gueux
Diesen Ort hatte bis vor wenigen Jahren eigentlich niemand auf der Karte – bis Jérôme Prévost hier die ersten reinsortigen Pinot Meunier erzeugt hat. La Closerie – Les Beguines heißt sein Wein, dem er seit wenigen Jahren einen Rosé namens facsimile hinzufügt (dessen Etikett übrigens seit Jahren den Header dieses Blogs ziert). Prévost gehört mit dem, was er tut zu den Erneuerern der Champagne. Dabei basiert seine Entscheidung einzig auf dem Umstand, dass er eben einen kleinen Weinberg geerbt hatte, der zu 100% aus Pinot Meunier bestand. Das, was vorher immer an Genossenschaften geliefert wurde, wollte er versuchsweise selbst ausbauen und ging dazu bei keinem geringeren als Anselm Selosse in die Lehre. Entsprechend baut er seine Weine im Holz aus. Pinot Meunier reinsortig auszubauen, hat meines Wissens vorher keiner gewagt. Doch ihm hat man seinen wenigen tausend Flaschen ziemlich schnell aus dem Händen gerissen und er hat heute mehr als ein gutes Dutzend Nachfolger die verstanden haben, dass der fruchtige Pinot Meunier, der immer das Stiefkind der drei großen Rebsorten der Champagner war und in Deutschland Müller-Rebe oder Schwarzriesling genannt wird, sehr wohl das Zeug zur Größe hat. Man öffne eben mal ein gereifte Flasche La Closerie. Dass er biologisch wirtschaftet, versteht sich fast von selbst. Ich kenne so gut wie keinen selbständig arbeitenden Winzer mehr in der Champagne, der höhere Ambitionen hat und nicht biologisch oder biodynamisch arbeiten würde. Dort, wo die Weinberge über Jahrzehnte hinweg ausgesprochen stiefmütterlich behandelt wurden, hat ganz deutlich vor Jahren ein Umdenken eingesetzt, das so weit geht, dass auch Champagne Roederer großte Teile des Eigenbesitzes mittlerweile biodynamisch bewirtschaftet (man beachte die Pferde weiter unten auf der Website…).

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Jouy-les-Reims
Wie dynamisch dieser Teil der Champagne geworden ist wird schon dadurch klar, dass man mittlerweile fast jeden Ort unterhalb Reims anfahren kann und Winzer trifft, die Besonderheiten aus dem Hut zaubern und experimentieren. So trifft man bei Champagne Aubry auf Pinot Blanc, L’Arbanne, Petit Meslier, Fromenteau und l’Enfumé. Sorten, die die Aubrys auf ihrer recherche des cépages perdus für sich wiederentdeckt haben. Aus ihnen entsteht Le Nombre d’Or als Jahrgangschampagner und Le Nombre d’Or Sablé mit einem Anteil Chardonnay. Beides ist knochentrocken ausgebaut und mit weniger Liquer de Tirage versehen worden, so dass der Champagner weniger Mousseux und Druck aufweist.

Villers-aux-Noeuds
Bevor man Rilly erreicht, sollte man hinter Chamery noch mal links auf die D22 abbiegen um in Villers-aux-Noeuds Emmanuel Brochet zu besuchen. dieser verfügt in dem kleinen Vorort von Reims über eine 2,5 Hektar kleine Einzellage namens Le Mont Benoît. Chardonnay und Pinot werden ökologisch bewirtschaftet. Brochet hat 1997 angefangen, seinen eigenen Wein zu vinifizieren. Es gab viele Jahre nur einen Champagne, der den gleichen Namen trägt wie die Einzellage: Le Mont Benoît. Mittlerweile gibt es einen Vintage, einen Blanc de Blancs, einen Pinot Meunier und einen Rosé. Ich kenne bisher nur den Mont und den Jahrgangschamapgne. Beide sind exzellent. Absolut fokusiert, klar, ja rein mit viel Grip, Frische Charakter. Den Mann sollte man auf jeden Fall auf der Karte haben.

brochetEmmanuel Brochet | Foto links ©: Thomas Iversen, Mad about Wine, Foto rechts: Christoph Raffelt

Rilly-La-Montagne
Wer eher auf klassischen, eleganten, fülligen und cremigen Champagner steht ohne auf Frische, Säure und Tiefe verzichten zu wollen, ist bei Laurent Champs gut aufgehoben. Das 1890 gegründete Haus Vilmart vereint Noblesse und Tradition mit Moderne (in Form ökologischen Anbaus im Weinberg). Die Cuvée reifen in unterschiedlich großen Holzfässern und bleiben lange auf der Hefe, bis sie für die zweite Gärung abgefüllt werden. Auf eine malolaktische Gärung verzichtet Champgs zugunsten der Frische. Ich mag schon den einfachen Champagner sehr gerne. Er zeigt alles, worauf es bei Vilmart ankommt. Die Grande Réserve Premier Cru Brut ist intensiv duftig und kraftvoll am Gaumen mit einer exzellenten Säurestruktur und cremigem Charakter. Vor allem das Mineralisch-Würzige beeindruckt. Wer schon mal da ist, sollte den Ratafia probieren, eine Mischung aus Traubenmost von Pinot Noir und Weinbrand.

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links: Raphael Bérèche, rechts oben: © John Hodder, rechts unten: Michel Guillard, beide Collection CIVC

Ludes
Ein Weinort, der relativ neu auf der Liste der Hotspots ist, heißt Ludes. Dieser Ort liegt im Westen und wird stärker mit Pinot Meunier bestückt. Ein bekannter, alteingesessener Erzeuger ist Canard-Duchêne. Ich allerdings würde dorthin fahren um mir bei Bérêche & Fils den Kofferraum zu füllen. Die Familie gehört zu den neuen Stars in der Winzer-Individualisten-Szene. Alles, was hier produziert wird ist klar und frisch, oft auch füllig und immer kraftvoll. Besonders angetan hat es mir der Les Beauxregards Brut Nature, ein Champagne aus Chardonnay ohne Dosage und Schwefelzugabe. Besonders ist der Reflet d’Antan, der in Teilen aus der Solera kommt, einem Verfahren, bei dem Fässern Wein entnommen und immer wieder mit neuem Jahrgang aufgefüllt wird, so dass sich der Wein immer wieder neu mischt. Der Reflet wird aus den drei Hauptsorten zu je einem Drittel zusammengesetzt und man merkt ihm den oxydativen Ausbau an. Stoffig ist er, voller mürber Frucht und Gewürzen.

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Trépail
Éinige Kilometer weiter liegt Trépail, ein Ort, den ich samt und sonders mit einer herausragenden Winzerpersönlichkeit verbinde: David Léclapart. Er ist für mich einer der großen Erneuerer der Szene. Er ist nicht nur als Persönlichkeit beeindruckend, er hat auch ein unglaubliches Gespür für seine Lagen, seine Böden, seine Reben und das, was er daraus im Keller zu machen gedenkt. Das, was hier biodynamisch im Weinberg entsteht und gekeltert wird hat mit dem, was man mit Champagne traditionell verbindet nicht mehr viel zu tun. Ich persönlich finde das großartig, wenn auch herausfordernd. Andere, die gerne den Prestigecuvées der großen Häuser verfallen – eine Neigung, die ich durchaus nachvollziehen kann – dürften diese Weine als zu kantig, zu individuelle, zu wenig elegant empfinden. Wer aber die Chance hat, einmal L’Apôtre, Chardonnay aus einer Einzellage namens La Pierre St.-Martin, 1946 gepflanzt, zu probieren, sollte dies tun. Die Weine sind nicht günstig (wir sind in der Champagne) aber auch nicht teuer, weil es großer Stoff ist. 2008 kaufen und weglegen, 2002 kaufen und trinken oder noch zwanzig Jahre weglegen, wenn ihr irgendwie daran kommt.  Von den 10% Pinot Noir, die Léclapart neben seinen 90% Chardonnay besitzt, macht er einen ziemlich extremen Rosé namens L’Alchimiste.

Bouzy und Ambonnay
Bouzy und Ambonnay sind berühmt für ihre von Pinot Noir geprägten Weine. Pinot Noir dominiert hier eindeutig das Geschehen und hier wird nicht nur kraftvoller Blanc de Noirs vinifiziert, auch der Rosé der Gegend ist berühmt. Mit Abstand am besten vertraut sind mir die Weine von Egly-Ouriet, André Clouet, André Beaufort und Benôit Lahaye, wobei mir Egly-Ouriet früher am besten gefallen hat, während ich heute zunehmend die von Benôit Lahaye bevorzuge, was ganz einfach daran liegt, dass dieser etwas mehr experimentiert, mehr wagt und mehr spezifischen Charakter in seine Weine bringt, während Clouet und Egly-Ouriet etwas traditioneller verhaftet sind. Wobei der lange Ausbau, die Spontanvergärung, der Verzicht auf Schönung und Filtration, wie er bei Egly-Ouriet praktiziert wird, natürlich nicht im eigentlichen Sinne klassisch sind sondern viel mehr ganz weit vorne. Er bildet so ein bisschen die Schnittmenge aus traditioneller Champagne und Winzer-Stil. Wer es also stilistisch gesehen eher etwas klassischer mag und trotzdem hochindividuellen Champagner bevorzugt, der ist bei diesem kleinen Haus bestens aufgehoben.Und ohne Zweifel gehört Francis Egly zu den besten seiner Zunft – was auch seinen Preis hat.

Lahaye und sein gemischter Satz

Lahaye und sein gemischter Satz

Wer einen Eindruck von der Winzerkunst im Hause André Clouet erhalten möchte, sollte sich nach dem 1911 umschauen. Ein Champagne mit traditionellem Etikett und einer etwas irritierenden Aluminiumfolienverkleidung, die man erst einmal mühsam abknibbeln muss, um an die Agraffe zu kommen. Doch wenn man da durch ist, zeigt der Wein unglaubliche Kraft, Finesse, Struktur und Länge. Ähnlich exquisite, vom Pinot geprägte Gewächse findet man übrigens bei André Beaufort. Jacques war und André ist zwar durchaus speziell, was Aromatherapie und Homöopathie im Weinberg angeht, doch zählt schließlich das, was am Ende dabei herauskommt. Und das ist prägnant. André gehörte zu den Pionieren im biologischen Weinbau der Chamapgne –

Und das fast gezwungenermaßen. Es war eine Allergie gegen Spritzmittel, die ihn dazu bewogen hat, diese innerhalb kurzer Zeit aus dem Weinberg zu verbannen. Sein Sohn Jacques hat diesen Weg konsequent weiter bestritten und schon Anfang der Achtziger auf natürlichen Hefen gesetzt und seitdem auch praktisch keinen Schwefel mehr zur Stabilisation verwendet – die Champagner reifen trotzdem exzellent, wie man beispielsweise beim 1996er Millesimé schmecken kann.

Schließlich Benoit Lahaye. Er gehört ebenfalls zu den experimentierfreudigen Winzern dieser Montagne de Reims. Seine Weine sind praktisch durchweg von Pinot geprägt, bis auf einen, der gerade zum ersten Mal in den Verkauf gelangt und den ich vor anderthalb Jahren vor Ort probieren konnte. Der Jardin de la Grosse-Pierre Brut Nature 2009 ist ein Field Blend, also ein gemischter Satz aus einem alten Weinberg, den Lahaye erwerben konnte. Er weiß, oder sagt selbst nicht genau, welche Rebsorten dort vorhanden sind doch es sind definitiv viele und mehr, als in der Champagne eigentlich zulässig. Doch dafür bekommt man hier etwas Einmaliges ins Glas, was damals noch sehr jung war, duftig, kräutrig, würzig und von großer Tiefe.

Zum Vergrößern einfach klicken.

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Dies war der Bogen von Reims aus Richtung Massif de Saint-Thierry dann runter und nach Bouzy und Ambonnay. Die genannten Beispiele zeigen, wie ungemein heterogen diese Region sich heutzutage präsentiert. Das war nicht immer so, zeigt aber dankenswerter Weise eine Lebendigkeit, die Champagne wieder interessant macht, und zwar zu jeder Gelegenheit und zu jedem Essen.

Nun befinden wir uns fast schon fast in Ay und Epernay. entsprechend werde ich mich im nächsten Teil mit den für mich interessantesten Weingütern des Vallée de la Marne beschäftigen.

Die Artikel der Serie:

Teil 13: Epilog

Teil 12: Côte des Bar von Courteron nach Urville

Teil 11: Côte des Bar von Bar-sur-Seine nach Les Riceys

Teil 10: Von Vertus nach Montgueux

Teil 9: Côte des Blancs in Vertus

Teil 8: Côte des Blancs in Le-Mesnil-sur-Oger

Teil 7: Côte des Blancs in Avize

Teil 6: Côte des Blancs von Épernay nach Cramant

Teil 5: Vallée de la Marne, am linken Ufer zurück nach Épernay

Teil 4: Vallée de la Marne, am rechten Ufer von Dizy nach Crouttes

Teil 3 Vallée de la Marne, rund um Aӱ

Teil 2: Montagne de Reims

Teil 1: Auf der Suche nach einem Mythos

 

14 Kommentare

  1. J’ai point fini dе lire toutefois je repɑsse danns la soirée

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