Gestern fand in Hamburg die größte Messe kalifornischer Weingüter seit Jahren statt. 46 Aussteller und rund 600 Weine wurden unter dem Motto Go West – California Wine Tasting Fachpublikum und interessierten Privatpersonen präsentiert. Dass diese Messe zustande kam finde ich hervorragend, denn kalifornischer Wein ist in Deutschland so wenig präsent wie seit vielen Jahren nicht. Selbst der amerikanische Botschafter war dort und hat ein Grußwort gesprochen, was den Wert dieser Veranstaltung unterstreicht. Es gab eine Zeit, vor allem in den Neunzigern, da war das anders, da war Kalifornien und auch Australien sehr präsent, doch hat sich das eben deutlich gewandelt.
Diese Messe hat mir erneut deutlich gemacht, warum sich das meiner Meinung nach auch nicht (so schnell) ändern wird. Der Tag gestern hat für mich das gesamte Dilemma des kalifornischen Weinbaus gnadenlos offengelegt. Das begann schon mit der geführten Verkostung eigentlich hochklassiger Weine, so genannter Icon Cabs, teurer Cabernets oder cabernetlastiger Cuvées, mit denen Kalifornien ja eigentlich berühmt geworden ist. Durch die Verkostung geführt haben gleich drei Fachleute, die sich im Thema wirklich gut auskennen, nämlich der omnipräsente Hendrik Thoma, Mastersommelier, der auch einige Jahre im Napa-Valley gelebt und gearbeitet hat, der aktuelle Chefsommelier des Louis C. Jacob, Markus Berlinghof und schließlich der Weingutsmanager von Michael (nicht Robert) Mondavi, Geoff Whitman. Präsentiert wurden 12 Weine, teils mehrere hundert Euro teuer. Darunter so Granaten wie Buccella, Stag’s Leap, Caymus oder Joseph Phelps Insignia. Begonnen allerdings hat die Verkostung mit dem ältesten Wein der Runde, der auch mit Abstand der schlankste Wein war – Ridge Montebello 1995 mit 12.5% Alkohol. Für mich ging ehrlich gesagt den ganzen Tag lang nichts über diesen Wein. Hier fanden sich Kraft und Eleganz in ausgezeichneter Harmonie, den Wein hätte ich viel eher im Pauillac verortet denn in Kalifornien, alles an diesem Wein war klassisch, der Cassis-Duft, Zederholz, etwas leicht Ätherisches und Schwebendes – schlichtweg ein schönes Cabernet-Weinerlebnis.
Was danach kam war keineswegs schlecht, natürlich nicht. Besonders der M von Michael Mondavi 2009 und der Insignia 2010 von Joseph Phelps haben es mir angetan. Das Problem aber ist: all diese Weine haben mindestens 14,5% Alkohol, meist mehr, der berühmte Caymus Special Selection 2008 lag sogar bei 15.4%. Ja, dieser Alkohol war gut eingebunden, ja, die Weine sind natürlich viel zu jung und doch, der Caymus schmeckte eher wie ein Châteauneuf-du-Pape, zwar wie ein exzellenter, doch eben wie einer aus einem heißen Jahrgang. Für sich genommen ist das nicht schlimm, aber meine Idee von einem Cabernet Sauvignon liegt halt immer noch eher in der Oldschool-Tradition, die der Ridge 1995 bietet. Wenn ich Châteauneuf-du-Pape will, kaufe ich mir halt einen. Das weitere Problem ist, dass ich diese Weine zwar gerne probiere, aber nicht mehr wirklich genießen kann. Die Hitze des Alkohols, der die Kehle herunter rinnt, das Süße der superreifen, alkoholischen Frucht ist einfach zu deutlich. Das wurde dann später im Raum der Aussteller noch deutlicher.
Ich habe mal den Zinfandel von Sebastiani in der aktuellen Abfüllung probiert. Sebastiani hat ja für mich so eine gewisse historische Bedeutung, deswegen fand ich das mal ganz interessant, wie sich das so entwickelt hat, dort. Der Wein hatte um die 15% Alkohol und war süß wie ein Fruchtgummi und schmeckte in seiner Frucht auch so: Fruchtgummi aus dem Holz. Bei Paul Hobbs, einem durchaus berühmten Weinmacher habe ich den Pinot Noir probiert. Den knapp 50 Euro teuren Pinot mit 15% Alkohol. Auch hier war der Alkohol gut eingebunden, keine Frage, aber Leute, was soll denn Pinot mit 15% noch sein? Er kann unterm Strich nur heiß und süß wirken. Das wird meiner Ansicht nach dieser Sorte nicht mehr gerecht. Erdbeer- und Himbeerfrucht mit süßlichem Kern, wie wir ihn hier in Deutschland zum Glück immer seltener finden – dazu die Hitze und (Über-)Reife. Ähnliche Bauchschmerzen hatte ich mit dem Cabernet Sauvignon 2010 ( ca. € 75,-) und mit dem 2010er Cabernet aus dem Beckstoffer Las Piedras Vineyrd St. Helena, Napa. Ein großartiger Wein, dicht, tief, stoffig, wunderbare Frucht, und dann doch wieder ein wenig zu sehr Likör, Hitze, die ich im ganzen Körper spüre. Im Gegensatz dazu fanden sich zum Abschluss noch mal ein exzellenter Ridge Montebello 1997, ein Ridge Lytton Springs 1995 und ein Château Montelena 1995. Ich wiederhole mich hier gerne. Diese Weine verkörpern einen Typus an Eleganz und Feinheit, wie man ihn ja auch im Bordelais zu selten findet. Es ist der Typus, den ich bevorzuge. Andere mögen lieber die dichteren Weine mit den hohen Alkoholgraden. Nur, eins ist klar, irgendwann ist Schluss.
Selbst wenn man andere Hefen entwickelt oder benutzt, die mit deutlich höheren Alkoholgraden zurecht kommen ohne zu früh abzusterben – irgendwann lassen sich diese Weine nicht mehr trinken. Was also tun? Der Klimawandel schreitet voran. Geoff Whitman sagte mir, dass diese 12.5% eines Ridge heute definitiv nicht mehr zu erreichen seien, vor allem nicht beim Cabernet, der, wenn zu früh geerntet, schnell grün, also nach Pyrazin schmeckt. In Europa, vor allem in Spanien und auch in Süditalien gibt es immer mehr Winzer, die auf biodynamischen Weinbau setzen, weil der irgendwie dazu führt, dass die Trauben auf Dauer schneller phenolisch reif werden, ohne einen zu hohen Zuckergehalt zu haben. Ist das ein Ansatz? Zumindest für die Oberklasse der kalifornischen Weine? Es gibt natürlich Weingüter, die schon längst so arbeiten – die waren allerdings leider gestern nicht da. Ich fürchte allerdings, dass auch Biodynamie nur kurzfristig weiterhelfen wird. Das Umdenken muss alerdings auch noch woanders stattfinden, denn so reif, wie vieles von dem, was ich gestern probiert habe, in die Flasche gekommen ist, muss es jedenfalls nicht sein. Das erinnert mich ein bisschen an die vielen bekannten Ribera del Duero Weingüter, die gerade in einer ähnlichen Sackgasse stecken. Wie sieht es bei den einfachen Weinen aus? Die, die so um die zehn Euro auf dem deutschen Markt kosten? Da kann ich mir in Zukunft eigentlich nur vorstellen, dass die Weine irgendwann entalkoholisieren, damit die überhaupt noch trinkbar sein werden. Keine allzu schöne Aussichten jedenfalls…
P.S.: Die Weingläser der Icon Cab Verkostung stanken übrigens alle penetrant nach scharfem Spülmittel und haben den teils immensen Duft der Weine deutlich überlagert. Radisson Blu, i give you a pass.
Hallo Christoph,
da sprichts Du ein Problem an, das unausweichlich daher kommt. Ich habe hier im Gaillac viel mit dem Präsidenten der unabhängigen Winzer zu tun, der 4 Tage die Woche in Paris ist, statt auf seinem Weingut. In mehreren Berichten, hatte ich auf unserem Blog ja schon darauf aufmerksam gemacht, was sich hier anbahnt und in welche (von Dir auch angerissenen) Richtungen Lösungen gesucht werden.
Die Hauptaussage hier ist : ab ~2025 werden in Frankreich südlich der Mitte, keine Weine mehr AOP deklariert werden können, weil alle zu viel Alkohol (Zucker) bilden. Das bedingt schon heute, dass die Nobelgüter in England, Dänemark, Schweden Grund kaufen und Stöcke anpflanzen um bis dahin Ersatz zu haben.
Biodynamie kann helfen wenn der Weinberg wirklich gesund ist. Allerdings nur in dem Sinne, dass die natürlichen Hefen auch in der Lage sind den Prozess zu Ende zu führen. Wir hatten hier schon 17%er. Also die Mär, dass die indigenen Hefen das nicht schaffen ist Bullshit. Aber – Du hast es schon geschrieben- dann haben wir trotz guter Einbindung und Harmonie, die Akloholmengen im Wein.
Die technischen Alternativen sind alles andere als animierend. Siehe meinen Hinweis auf : http://www.geschmackschmiede.de/?p=2992
Wem das noch schmecken kann, wenn man es weiß, dem kann man glaube ich nicht mehr helfen.
Eine Methode, die Lageder im Tirol mit Georg Meissner versucht ist da eventuell natürlicher und ebenso Erfolg versprechend. Spaliergewächse um die Weinestöcke zu beschatten. Das ergibt ein komplett anderes Mikrioklima und verhindert die massiven Zuckerwerte. Falls Du auf der Prowein bist, sprich doch mal mit Georg. Er wird bestimmt auf dem Lagederstand sein.
Und falls Du wirklich nach D’dorf fährst und die Gelegenheit hast einen Ausflug nach Köln zu machen, besuch uns doch mal. Ich fahre morgen von hier unten los und bin die gesamte nächste Woche in Köln. Freie Zeitplanung. Und ich bringe was Besonderes mit von einem Stopp im Chablis. Die gesamte Kollektion von http://www.chateaudeberu.com. Mutter und Tochter, die es in sich haben. Natürlich gibts auch unsere zu probieren.
also vielleicht bis nächste Woche
Karl
Hallo Christoph,
ich möchte dich auf diesen Wege fragen, ob man auf der Vinitaly in Verona auch bei den verschiedenen Winzer als Privatperson Wein kaufen kann? Wäre nett wenn du mir Bescheid geben könntest, da ich vorhabe hinzufahren. Dort sind Winzer vertreten, die man nur sehr schwer erhält! (Occhipinti, Foradori)
Hallo Bernhard, das geht leider nicht, denn die Vinitaly ist eine Fachmesse. Die ist nicht für Privatpersonen. Es wird auch nicht direkt etwas verkauft. Die Weine der Winzer, die Du ansprichst, sind hier aber gut erhältlich. Oder kommst Du aus der Schweiz?
Grüße, Christoph
Danke Christoph für deine Antwort. Ich bin aus Österreich. Occhipinti ist so gut wie gar nicht zu erhalten. Vinaturel ist eine Möglichkeit. Sehr hohe Versandkosten und limitierte Auswahl. Bei dieser Messe, wären alle Winzer die ich mal gerne probieren würde vertreten. Bin noch dazu in der Nähe zu dieser Zeit.
Grüße Bernhard
P.s.: Danke für deinen Blog und Podcasts! Du hast mir schon sehr viele schöne Weinerlebnisse beschert! Noch dazu mit Weinen, die man nicht unbedingt kennt!
Danke Bernhard, das freut mich! Es lohnt sich auf jeden Fall, diese Messe zu besuchen. Wenn du reinkommst, solltest Du das machen. Vielleicht gibt es in Verona natürlich auch einen Laden, wo es Foradori- und Occhipinti-Weine gibt. Auf der Messe selber haben sie nur die aktuellen Jahrgänge.
Foradoris Weine gibt es Österreich in Wagners Weinshop. Die von COS auch. Arianna Occhipintis Weine leider nicht…
Grüße,
Christoph
Lieber Karl, dieses Jahr bin ich nicht auf der Prowein und auch nicht in der Umgebung. Deswegen wird es nichts mit dem Kennenlernen, fürchte ich. Mit den Chateau de Beru auch nicht, was ich aber verschmerzen kann, da ich die alle hier stehen habe. 😉 Georg Meisner werde ich in Kürze treffen und mir das bei Lageder mal anschauen. Bin leider in Eile… herzliche Grüße, Christoph
Mal was zum Thema 😉 : Vor einiger Zeit hatte ich in Berlin die Gelegenheit, die Weinriege von Ridge zu probieren. Seitdem denke ich ein wenig anders über kalifornischen Wein, aber mir ist gegenüber dem mitgereisten Verkaufsleiter auch einfach so rausgeplatzt, dass das ja 1a europäische Weine seien – nur halt ein wenig saftiger im Angang. Aber trotzdem, Ridge bleibt bei mir weiter ganz hoch im Kurs. Auch die aktuellen Weine schmecken mir. Pinot aus den USA findet bislang nicht mein Gefallen (auch nicht aus Oregon oder Washington), aber das ist ein anderes Thema.
Ich glaube übrigens nicht, dass alles ausschließlich mit dem Klimawandel zu tun hat. Grüne Lese, Ertragsbegrenzung, “intensivere” Klone, da gibt es sicher noch ein paar andere Faktoren, die mit reinspielen können. Olivier Jullien und Cyril Fhal aus Südfrankreich (neben einigen anderen) gehen ja den Weg in Richtung Nordhang und höhere Lage. Biodynamik und Spontangärung bleiben bei beiden gleich. Ich glaube, es war Cyril, der mal gesagt hat, dass die Winzerausbildung seiner Meinung zu stark von “nördlichen Philosophien” geprägt ist (wie er sie auch gelernt hat). Er musste nach seiner Ankunft im Süden feststellen, dass er die Reben vor der Sonne schützen muss, also prinzipiell mit Blattdach etc pp. Aber vielleicht hatte ich genau das in einem Kommentar bei Dir ja auch schon mal geschrieben, ich bin da ein bisschen schusselig… 😉
Cristoph – sag nicht Du fährst zum kommenden Lageder-Haussalon ins Tirol!? Neid=;)) Wenn ichs zeitlich hätte schaffen können, wäre das für dieses Jahr meine erste Wahl gewesen. Wegen der teilnehmenen Winzer, wegen der Weine und wegen der Gegend.
Viel Vergnügen!
Hallo Karl, ich muss sagen: Yes! I do it again. Ich war letztes Jahr schon da und es ist eine der schönsten Weinveranstaltungen, die ich kenne. Wegen der Menschen, wegen der Gegend, wegen des Caterings, natürlich auch wegen der Weine. Alles stimmt. Danke, ich werde dieses Vergnügen hoffentlich wieder haben.
Hallo Matthias, ich glaube auch nicht, dass das alles Klimawandel ist. Das ist schon komplexer. Du sprichst die Dinge im Weinberg an (klar, wegen des Alkohols), dazu kommt ja noch, was im Keller gemacht wird um die Weine noch intensiver zu kriegen. Die meisten in den USA jedenfalls wollen die Weine genau so haben, wie sie momentan gemacht werden. Und sie trinken diese Weine mit ihrem fetten Alkohol und Holz zu 95% in den ersten zwei, drei Jahren nach Abfüllung.
[…] Vor kurzem habe ich eine ganze Reihe kalifornischer Weine probiert, und zwar bei einer großen Veranstaltung in Hamburg. Ich war, ehrlich gesagt, ein wenig entsetzt darüber, dass sich weder in der Breite, noch in der Spitze etwas getan zu haben schien in Bezug auf das späte Lesen, den Alkoholgehalt und die dementsprechende Schwere der Weine. Den Text dazu findet ihr hier. […]
[…] wer sich an dem Tag präsentiert hat. Unter dem Titel Quo vadis California habe ich das damals hier zusammengefasst, wohl wissend, dass es natürlich auch in Kalifornien Querdenker und Erneuerer […]