Champagne – Vol. 08 – Die Côtes des Blancs in Le-Mesnil-sur-Oger

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Auf dem Weg von Avize nach Le Mesnil sur Oger streift man den kleinen Weiler Oger. Die wenigen Winzer dieses Ortes kenne ich nicht und die meisten Weinberge gehören eh Winzern aus Avize, Le Mesnil oder den Großen, die hier ebenfalls Besitz haben. Wer einen reinen Champagner aus Oger probieren mag, der kann zum Clos Cazals Millésime Grand Cru greifen. Der 3,7 Hektar große, umfriedete Weinberg gehört dem Haus Claude Cazals aus dem Nachbarort Le Mesnil. Der Wein ist normalerweise sehr stoffig, kraftvoll und immer ein wenig salzig. Beeindruckend ist das Säurespiel dieses Weins. Empfehlenswert sind auch die anderen Weine des Hauses, das über zehn eigene Hektar verfügt und von Dauphine Cazals geführt wird. Claude Cazals hat übrigens zusammen mit Jacques Ducion die gyropalettes zum Patent angemeldet. Das war 1968. Diese automatisierten Rüttelpulte haben die remuage, also das langsame Rütteln des Hefedepots in den Flaschenhals, der vorher komplett von Hand erfolgte, revolutioniert.

Voilà: Le Clos

Voilà: Le Clos

Nun sind wir schon in Le Mesnil – neben Avize und Vertus einer der Hauptorte der Côte de Blancs. Das Dorf ist neben der teils exquisit arbeitenden Häuser vor allem bekannt für einen totalen unscheinbaren Weinberg, der mitten im Ort liegt – allerdings so versteckt, dass man Mühe hat ihn zu finden. Im Clos de Mesnil aber wird einer der teuersten Champagne überhaupt erzeugt. Er gehört dem Hause Krug, das diese Ortslage Anfang der 70er erworben hat. Eine Flasche dieses Champagne liegt immer im vierstelligen Bereich und wird preislich höchstens noch durch den ebenfalls von Krug stammenden Monocru Clos d’Ambonnay getoppt. Doch lassen wir dies beiseite, es liegt außerhalb unserer Spähren. Ebenso wie die Weine des Hauses Champagne Salon, die ich bisher drei Mal probieren konnte und ich hatte immer den Eindruck, ich hätte sie zu früh probiert. Auch wenn die Weine von Salon deutlich günstiger sind als die Monocrus von Krug, starten sie doch erst bei 200 bis 300€. Interessant zu erwähnen sind sie natürlich trotzdem. Denn das Haus, das Anfang des zwanzigsten  Jahrhunderts gegründet wurde ist in dieser Form einzigartig. Es gibt hier nur einen Champagne, und der wird auch nur in guten Jahren abgefüllt. Es ist eine reinsortiger Chardonnay, immer Jahrgangschampagne und nur aus dem Ort Le Mesnil. Das Haus ist allerdings längst nicht mehr eigenständig. Es ist sozusagen das Schwesterweingut des benachbarten Delamotte und beides gehört zu Laurent-Perrier. Delamotte ist für uns das deutlich interessantere Haus, weil es die Tugenden Salons in sich trägt, aber doch ein ganzes Stück günstiger ist. Diese Tugenden sind für mich der diskrete Charme der Bourgeoisie, oder, weniger literarisch ausgedrückt, die diskrete Eleganz, die gezügelte Kraft, die Finesse, die übrigens vor allem in Japan geschätzt wird, dem Hauptabsatzmarkt von Delamotte. In beiden Häusern wird der Wein ausschließlich in Edelstahl ausgebaut, bei Delamotte auch konsequent mit malolaktischer Gärung.

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Gegenüber der Auffahrt zu Salon liegt das Haus von Guy Charlemagne. Hier bekommt man Weine für einen deutlich kleineren Sallaire, als bei den bisher genannten. Empfehlen will ich die Millésimés, also die Jahrgangschampagne. Die einfachen Brut und Réserve Brut fand ich bisher immer ein bisschen belanglos. Der Blanc de Blancs Grand Cru Millésime und der Le Mesnillésime (man beachte das Wortspiel) stammen beide ausschließlich aus den Dorflagen von Le Msnil. Sie sind ein guter Ausdruck der Eigenheiten mit klarer, limoniger Frucht, Konzentration, präziser Säure. Le Mesnillésime steht dabei deutlich über allem. Er wird als Einziger in Teilen im Holz ausgebaut, er ist gleichzeitig typisch säurebetont und doch sehr stoffig, ja oft fast buttrig und karamellig mit deutlicher Dosage. Also, viel Stoff für’s Geld gibt es hier auf jeden Fall. Wenn man in Le Mesnil übrigens günstig einkaufen will, sollte man bei der Cooperative vorbei gehen. Da gibt es zwar keine Spitzenchampagne, aber doch gute Qualität zu nachvollziehbaren Preisen. Allerdings frage ich mich da immer, welche Qualität diese Weine wohl hätten, wenn die Mitglieder der Kooperative ihr Potential stärker ausschöpfen würden?

Moncuit

Diese Frage muss man sich für das Haus Pierre Moncuit, welches seit langer Zeit von der Grande Dame Nicole Moncuit und ihrem Bruder Yves geführt wird, nicht stellen. Es ist eines der ältesten Häuser, denen man das Label Winzer-Champagne anheften kann. Die Familie besitzt ca. 20 Hektar, verteilt auf Le Mesnil und Sézanne, wobei beide Orte jeweils immer getrennt ausgebaut werden. auch wenn die Einstiegsqualitäten keine offiziellen Jahrgangschampagne sind, stammen sie doch aus einzelnen Jahren. Der Champagne von der Côte de Sézanne nennt sich Cuvée Hugues de Coulmet, der Wein aus Le Mesnil heißt Cuvée Pierre Moncuit-Delos, beide sind brut ausgebaut. Alles was qualitativ darüber liegt, ist auch offiziell Jahrgangschampagne. Da hier alles als Jahrgangswein abgefüllt wird, gibt es entsprechend keine Réserveweine. In einigen, besonders reifen Jahren werden die Weine auch durchaus non-dosé abgefüllt. Die Grundweine werden samt und sonders im Edelstahl samt malolaktischer Gärung ausgebaut. Die Weine von Madame Moncuit sind immer elegant und gleichzeitig geerdet. Sie entsprechen damit ihrem Charakter in hohem Maße. Wer klassische Eleganz möchte, wer einen kühlen, zurückhaltenden Charakter im Champagne liebt, der wird diese Weine mögen.

Copyright: Champagne Pierre Péters

Copyright: Champagne Pierre Péters

Ich selber bevorzuge die Erzeugnisse des Hauses Pierre Péters. Hier wird auch schon in fünfter Generation Champagne erzeugt und zwar mittlerweile, also genau gesagt seit 2008, durch Rodolphe Peters. Die luxemburgisch stämmige Familie besitzt 18 Hektar an der Côte de Blancs, wobei  zwei Drittel der Parzellen in Le Mesnil beheimatet sind. Die Champagne sind immer kristallin und mineralisch. Ja, ich benutzte das m-Wort, weil es genau das ist, was sehr gute Blanc de Blancs aus diesem Ort oder den Nachbarorten ausmacht. Sie sind mineralisch, kreidig, rassig und die Säure ist so stark, dass sie praktisch immer durch eine malolaktische Gärung gezähmt werden muss.

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Bei Pierre Péters beginnt der Spaß bei der Cuvée de Reserve Brut Blanc de Blancs Grand Cru. Das ist im besten Sinne eine Einstiegsdroge, von der man eigentlich nicht mehr die Finger lassen will. Dieser Champagne bietet so viel Trinkspaß, wie ihn ein Brut bieten soll – doch leider allzu oftnicht tut. Dieser hier ist bei aller Trinkfreude immer balanciert und fein. Ca. 35% des Wein stammen aus einer solera perpetual, die 1988 begonnen wurde. Interessant verlaufen ist das Experiment, einen Teil der solera getrennt auszubauen und noch mal zusätzlich zwei Jahre auf der Hefe liegen zu lassen. Diese Réserve Oublié wird seitdem jährlich ausgebaut – mittlerweile sogar unter Kork gelagert, um mehr Mikrooxydation zu erhalten. Dieser Wein ist ungemein stoffig, kaum fruchtig, dafür salzig-mineralisch, extrem kreidig und lang. Das ist Champagne abseits des Mainstreams, der sehr viel Spaß macht! Überhaupt ist Pierre Péters ein Haus, bei dem ich durch die Bank weg alle Weine empfehlen kann, ähnlich wie bei Agrapart im benachbarten Avize. Über allem steht dabei der Jahrgangs- und Einzellagenchampagne Cuvée Speciale Les Chétillons, benannt nach eben jener berühmten Lage in Le Mesnil sur Oger. Der Ausdruck des Ortes, das Kreidig-Mineralische, das Limonige in der Frucht, das Vibrierend-Rassige wird hier auf die Spitze getrieben in einem voluminösen, komplexen und langen Champagne.

Copyright: Champagne Philippe Gonet

Copyright: Champagne Philippe Gonet

Und doch mag der aktuelle Preis-Leistungssieger noch woanders zu finden sein. Den trifft man meines Erachtens im Hause Phillipe Gonet. Selbst den vielfach prämierten Brut Soleil findet man für knapp über dreißig Euro. Und die Einstiegscuvée, die Brut Grande Réserve, gibt es für unter 25€. Auch wenn der Brut kein Blanc de Blancs ist sondern eine Cuvée aus Pinot Noir, Meunier und Chardonnay. Aber das macht ihn natürlich nicht schlechter. Wer aber Blanc de Blancs sucht, sollte den Signature Brut Blanc de Blancs wählen oder, noch besser, den 3210, einen krassen Champagner, der zwischen zwei verschiedenen Terroirs, nämlich Le Mesnil und Montgueux pendelt. Dafür steht auch die 2 im Namen, der sich zusammen setzt aus 3 Jahre Reifung, 2 Terroirs, 1 Rebsorte und 0 Gramm Dosage. Im Roy Soleil schließlich findet man puren, bezahlbaren Le Mesnil, ausgebaut in 600 Liter-Holzfässern. Er wird nur noch vom Millésime Belemnita Brut Blanc de Blancs Grand Cru getoppt, benannt nach den Fossilen, die man hier überall im Boden findet. Es ist so etwas wie die Prestige-Cuvée des Hauses – mit entsprechendem Preis. Dieser dichte, expressive, kreidige, pure, salzige, rauchige Wein muss sich im Prestige-Bereich erst noch einen Namen machen. Dazu braucht es ein paar Jahre. Aber wenn das auf dem Niveau des 2004ers bleibt, dann ist das großes Kino, das einige Aufmerksamkeit erlangen dürfte.

Ergänzen möchte ich den Artikel durch die genaue Darstellung aller Einzellagen in Mesnil-sur-Oger. Sie sind hier bei weinlagen.org dargestellt.

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Die Artikel der Serie:

Teil 13: Epilog

Teil 12: Côte des Bar von Courteron nach Urville

Teil 11: Côte des Bar von Bar-sur-Seine nach Les Riceys

Teil 10: Von Vertus nach Montgueux

Teil 9: Côte des Blancs in Vertus

Teil 8: Côte des Blancs in Le-Mesnil-sur-Oger

Teil 7: Côte des Blancs in Avize

Teil 6: Côte des Blancs von Épernay nach Cramant

Teil 5: Vallée de la Marne, am linken Ufer zurück nach Épernay

Teil 4: Vallée de la Marne, am rechten Ufer von Dizy nach Crouttes

Teil 3 Vallée de la Marne, rund um Aӱ

Teil 2: Montagne de Reims

Teil 1: Auf der Suche nach einem Mythos

12 Comments

  1. […] Es gibt in diesem Bereich so viele Weinempfehlungen, dass es schwierig ist, einzelne herauszupicken. Leicht fällt es für Montgueux, da bildet Lassaigne das Terroir hervorragend ab, an der Côte de Sézanne ist es Ulysse Collin, in Vertus präferiere ich Pascal Douquet, Larmandier-Bernier und Veuve Fourny, in Mesnil ist es (bezahlbar) Pierre Péters, in Avize Agrapart, in Cramant Diebolt-Vallois und Suenen, in Chouilly sind es Legras und Vazart-Conquart und in Cuis Pierre Gimmonet. Aber bitte, viel genauer habe ich es hier und hier beschrieben. […]

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