Etwas länger schon als der Hamburger Weinabend am ersten Wochenende im Dezember existiert der Weinabend am zweiten Dezemberwochenende in Bonn. Einige Bonner Weinfreunde treffen sich, immer so mit ein, zwei Gästen von außerhalb in kleiner Runde. Da gibt es dann Abende wieder diesen oder jenen oder den im Folgenden dokumentierten.
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Schon am Wochenende zuvor hatte ich für die Frühankömmlinge den gerade degorgierten Von Buhl Brut Reserve geöffnet und das war auch an diesem Abend der Einstieg. Die Cuvée aus Weißburgunder und Chardonnay, die vor allem von und mit ihren Reserveweinen lebt, stand neben dem Bollinger R.D. aus dem Jahre 1990. Zwei, wie man sich vorstellen kann, gänzlich unterschiedliche Weine, die ich dennoch beide in die Champagne verortet habe. Ganz falsch lag ich nicht, richtig aber auch nicht. Matthias Neske, der mit anwesend war und schon hier über den Abend berichtet hat, dachte an Mauzac aus dem Gaillac und an Savoyen. Der apfelige und zugleich trockene Stil ließ uns definitiv an Frankreich denken und wenn man weiß, wo der Kellermeister von von Buhl, der Franzose Mathieu Kauffmann sein Handwerk ausgeübt hat, dann wird klar, dass sich die Spur von der Champagne bis in die Pfalz zieht. Dass der Gastgeber neben den Buhl Reserve brut einen Champagner aus dem Hause Bollinger gestellt hat, ist da natürlich kein Zufall, denn Kauffmann war lange Zeit chef de cave bei Bollinger – dürfte also beide Schaumweine zu verantworten haben. So frisch und balanciert der Buhl sich präsentierte, so ausgezehrt zeigt sich der 1990er Bollinger R.D. Die Abkürzung R.D. steht für récemment dégorgé und ist im Prinzip der gleiche Basiswein wie für den Jahrgangschampagner La Grande Année, nur später degorgiert. Zwei Drittel Pinot Noir und ein Drittel Chardonnay werden im Eichenholz ausgebaut und später in großen Flaschen unter Kork sur latte gelegt. Doch allzu lang sollte man den Wein nach Degorgement (2001) wohl nicht mehr lagern sagten mir später Kollegen, die sich mit dem R.D. besser auskennen als ich. Orangefarben im Glas, oxydativ in der Nase mit leichtem Nuss-, Parmesan- und Briocheton, die Säure noch markant aber insgesamt wohl eher ein Schatten seiner einstigen Größe.
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Zwei gereifte Weine finden sich im Glas, der zweite hat Kork aber es gibt eine Ersatzflasche. Beim ersten Wein bin ich zunächst bei Savagnin aus dem Jura, auf Grund der Kargheit in der Nase. Hier zeigt sich etwas Geruch von Autowerkstatt, Penatencrème und Gummi, in das sich nach und nach etwas Steinobst mischt, das am Anfang seiner Reife steht. Mit zunehmender Wärme aber entfernt sich der Weine von Jura und ich denke eher an Nordrhône. Man spürt den Alkohol am Gaumen, der Wein zeigt sich ölig mit gelben Fruchtnoten und wenig Säure. Es ist schließlich nicht Nordrhône sondern Südrhône, ein 2006er Domaine de la Janasse Châteauneuf-du-Pape.
Im gegenüber steht ein dunkelgoldener, ja bernsteinfarbener Wein, dem man ein gewisses Alter und seine Reife schon ansieht. In der Nase ist dieser Wein dann zweifelsohne ein Chenin Blanc. Honig, Orangenschale, gelbe Birne kurz vor der Überreife, etwas Wachs und Apfel in Form von Apfelkuchen notiere ich mir hier bezüglich des Aromenspektrums. Am Gaumen bestätigt sich die Reife und aus dem Apfelkuchen wird eine Tarte Tatin mit etwas Schlagsahne. Neben der Reife und Tiefe steht da eine markante, würzige Säure, der Wein ist nicht wirklich süß aber unglaublich reif. Ein schönes Erlebnis, ein Wein, den man über den ganzen Abend verfolgen möchte, der opulent ist und wegen der Botrytis auch 14,5% Alkohol mit sich herum trägt. Doch der Alkohol wirkt weniger präsent als der vom Châteauneuf. Dafür trägt ihn die Säure, und das macht unterm Strich einen großen Unterschied. Marc Angelis Ferme de la Sanssonière mit dem 2006er Vieilles Vignes des Blanderies.
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Zwei Rieslinge stehen nun im Glas, da bin ich mir sicher. Wo sie herkommen, weiß ich nicht, zumindest tippe ich völlig falsch. Beide Weine zeigen sich goldgelb im Glas und damit hört die Gemeinsamkeit dann auch auf. Bis auf eine leichte Duftkomponente, die mir gereiften Riesling suggeriert. Wein Nummer fünf an diesem Abend zeigt Firne, eine präsente aber reife Säure und eine schöne innere Spannung. Es handelt sich um den 2004er Nonnenberg vom Weingut Georg Breuer.
Dem gegenüber steht ein Wein, der mich in seiner Aromatik an Dill mit frisch gebeiztem Lachs erinnert. So etwas habe ich noch selten in der Nase gehabt. Das Ganze wirkt jedoch keineswegs unangenehm oder gar fehlerhaft sondern einfach nur ungewohnt. Hat der Nonnenberg ordentlich Säuredruck, ist die Säure bei diesem Wein viel moderater. Dafür wirkt der Wein steiniger und dunkler, ja rauchiger. Wo der herkommen mag? Ich denke an Wachau doch Matthias trifft nicht nur das Gebiet sondern sogar die Lage. Es ist ein 1998er Rangen de Thann von Zind-Humbrecht. Und es ist das Besondere dieser Lage, das Rauchige vom Vulkanboden, das Matthias hier erkennt. Chapeau! Hatte ich beim Flight davor den Chenin auf Grund seiner Säure über den Châteauneuf gestellt, verhält es sich hier genau anders herum. Hier handelt es sich bei dem säureärmeren Riesling zweifellos um den größeren Wein – ohne den Nonnenberg klein machen zu wollen.
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Die Karawane zieht weiter und hält beim Chardonnay. auch das lässt sich schnell erahnen und bestätigt sich später. Da im Raum stand, dass heute ein Chardonnay von Gantenbein geöffnet werden würde, musste es der erste der beiden Weine sein – und auch das bestätigte sich. Der 2009er Chardonnay von Gantenbein ist ein hinreissender weißer Burgunder. Dabei ist er mir eigentlich, was meine präferierte Stilistik angeht, zu glatt. Doch diese Eleganz, diese Feinheit, diese Balance besticht. Ich würde es auch nicht mögen, jeden Tag über die Champs-Elysées zu flanieren aber einmal im Jahr in Dunkelheit in der Weihnachtszeit würde ich mir das auch gefallen lassen. Und genauso diesen Chardonnay aus der Schweiz.
Der Sparringspartner wirkt gegen diese Eleganz fast grob. Da leben Adel und Gesinde just wie bei Downton Abbey unter einem Dach. Der Wein zeigt sich deutlich dunkler mit orangenen Reflexen während der Gantenbein hell im Glas stand. Hier gibt es Firne, etwas Gemüse und deutlich mehr Holz, geröstete Haselnüsse und Brioche. Leider wirkt der Wein doch etwas zu alt – vor allem neben dem jugendlichen Gantenbein. Ob das nun Premox ist, worunter ja viele Weißweine aus dem Burgund leiden oder nicht, kann ich in diesem Falle nicht sagen. Für sich genommen hat der Wein Spaß gemacht, ich hätte ihn eher nach Australien oder Südafrika verortet, muss aber immer häufiger feststellen, dass man gerade Chardonnay und Pinot Noir nur noch schwer in Länder-Schubladen packen kann. Es handelte sich um einen 1996er Bâtard-Montrachet von Louis Jadot.
Zur Lamm-Tajine mit Aprikosen hat Matthias zwei aus dem Rahmen fallende, gänzlich ungewöhnliche Weine mitgebracht. Wer sein Blog kennt, weiß, dass er ständig aus der Suche nach solchen Entdeckungen ist. In diesem Fall war dies ein 2013er Vugava von Antonio Lipanović von der Insel Vis aus Kroatien, der sich recht verschlossen und apfelnotig präsentierte. Der zweite Wein ist eine wahre Kuriosität. Ich zitiere Matthias: „Der zweite Wein, der Cetawico 2006 Presidential Reserve, hat eine absolut verrückte Geschichte: Ein italienischer Ingenieur soll im Auftrag einer NGO in Tansania einen Brunnen bohren und entdeckt dabei zu seiner großen Überraschung ein vernachlässigtes Weinfeld in der Nähe. Jenes wurde einst von einem italienischen Missionar angelegt, der dann aber versetzt wurde, was den Reben nicht gut getan hat. Unser Ingenieur kann – wieder zurück in Italien – seine Auftraggeber davon überzeugen, „irgendwas aus der Sache zu machen“.” Mittlerweile werden in einer Cantina Soziale die Trentiner Trauben Teroldego und Marzemino sowie Aglianico, Syrah und auch Chenin Blanc angebaut. Für den Presedential Reserve werden die Trauben in der Sonne teilgetrocknet und dann zu einem Wein im etwas leichteren Amarone-Stil verarbeitet. Der Wein war erstaunlich gut. Er war sauber vinifiziert, hatte noch Frucht und Säure und ein weiches Tannin. In der Nase fand sich ein leicht stallig-ländlicher Geruch, der am Gaumen aber nicht zu finden war. Ein schönes Intermezzo.
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Auf der Liste des generösen Gastgebers standen nun zwei Weine, die mir in ihrer Typizität gar nicht gefielen. Der erste war für mich ganz klar ein deutscher Spätburgunder mit viel Reife und Specknoten, dem die Mitte fehlte. Die Speck- und Rumtopfnoten der Nase verschwanden zwar am Gaumen, doch wirkte der Wein auch dort eher zu reif und einfach. Dass es sich bei diesem Wein um den 2003er Spätburgunder Alte Reben von Bernhard Huber handeln würde, überraschte mich dann doch. Aber ich denke, dass es dem heißen Jahr geschuldet war, dass dieser Pinot sich in dieser Verfassung präsentiert hat. Aus diesem Weingut bin ich Anderes gewohnt.
Das gilt vor allem auch für den zweiten Wein im Flight. Auch wenn ich nicht über viel Erfahrung mit dem Weingut verfüge, so konnte ich doch wenigstens schon ein paar mal nippen. Was mich im Glas erwartete, war ein Wein mit leichtem Dill- und Liebstöckel in der Nase sowie leicht pyrazin-grünen Tönen, wie ich sie vom Cabernet Franc kenne. Und genau dort habe ich den dunkeltrüben Wein auch eingeordnet. Wenn mir auch nicht klar war, wo von der Loire er her kommen könnte. Ich habe dann mal an Saumur-Champigny gedacht, da der Flecken relativ warm für Loire-Verhältnisse ist. Ich dachte an einen 1996er La Marginale von der Domaine des Roches Neuves, einem der ersten Weine von Thierry Germain dort. Ich hatte ihn kürzlich probiert und erinnerte mich an den Wein, den ich jetzt im Glas hatte.Tatsächlich scheint dies für mich ein 1996er Jahr zu sein, so viel habe ich aus diesem Jahrgang probiert. Doch es war nicht Roches Neuves. es war DRC. Es war ein 1996er Richebourg der Domaine de la Romanée Conti. Unfassbar. Eigentlich nicht verständlich. Kork hatte der Wein auf keinen Fall. Auch sonst konnte ich keinen Fehler entdecken. Er wirkte alt und müde und so stelle ich mir den Wein eigentlich auch dann nicht vor, wenn er sich in einer verschlossenen Phase befindet. Tja, also, der Wein wurde auch nach Aufdecken der Flasche nicht besser. Schade, sehr schade auch für den Gastgeber, der sich hier, wie alle, eine andere Klasse gewünscht hätte. so einen Wein holt man ja nicht jeden Tag aus dem Keller.
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Im Gegensatz dazu präsentierte sich der nächste Altwein ganz anders. Ebenfalls leicht trüb, viel heller als der DRC dafür aber mit mindestens so viel Liebstöckel in der Nase zeigte sich ein Wein von großer Klasse. Es mag sein, dass er vor ein paar Jahren noch ein wenig besser gewesen wäre, ich weiß es nicht, kann nur vermuten, dass er seinen Peak gerade hinter sich gelassen hat aber dieser 1985er Barolo von Bartolo Mascarello ist in diesem Fall nicht nur dem Namen nach einer der großen Klassiker sondern auch just in diesem Moment im Glas. Des Barolos ganze Feinheit und auch Leichtigkeit, das Spielerische, dass er bekommen kann, wenn man ihm Zeit läst und das man zu Beginn seines Lebens kaum erahnen wird. Süßholz, zunehmende reife Süße, Tannin, Würze, immer noch etwas Waldboden und Trüffel, ganz famos ineinander übergehend, feine Säure, das ist großes Altweinkino!
Was wäre das für ein Paar gewesen, wenn der ebenfalls aus dem Jahr 1985 stammende Margaux kein Kork gehabt hätte. Doch der TCA-Geruch schwebte über dem Glas. Was für ein Elend! Der zu allem bereite, mit Spendierhosen ausgestattete Gastgeber ging dann unverdrossen in den Keller, während wir noch um Fassung rangen. Er holte einen würdigen Nachfolger, das war beim ersten Schnuppern klar. Der Wein, den wir statt des Margaux ins Glas bekamen war jünger und es war so eindeutig Pauillac, wie es nur geht. Der 1998er Château Laifte-Rothschild hatte nicht die Chance sich stundenlang geöffnet auf den Abend vorzubereiten, er musste spontan brillieren, doch konnte er dies nur mit angezogener Handbremse. Der Wein ist einfach noch nicht so weit. Er zeigte jetzt Größe aber es ist direkt klar, dass da noch viel mehr kommt hinter dem kühl Distanzierten.
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Mit fortgeschrittener Stunde kamen dann die abschließenden Süßweine ins Glas. Die 1998er Riesling Trockenbeerenauslese Escherndorfer Lump von Horst Sauer erinnerte mich farblich und auch was die Säure anging, an alte Rieslaner von Müller-Cartoir. doch Pustekuchen, ich war auch nicht ernsthaft bei Cartoir, der Lump hier war trüber und hatte mehr etwas von Brühe denn von Tee, wofür die Rieslaner von M-C typisch sind. Am Gaumen bissig mit leichtem Karamel und etwas Trockenobst. Auch hier sind die guten Zeiten vorbei, was überrascht, den so alt war der Wein ja nicht.
Dann aber ein Wein, der alles andere überstrahlte. Auch wenn dies ein Süßwein ist, dem ich sonst eine große Trockenbeerenauslese auf Grund der Säure tendenziell vorziehen würde, zeigte dieser Wein, wie auch schon der Gantenbein, dass persönliche Präferenzen manchmal einfach egal sind. In diesem Fall hatten wir einen überaus komplexen goldgelben Süßwein im Glas, den jeder direkt ins Sauternes verortet hat. Der Wein hatte von allem viel, aber nicht zu viel Botrytis. Nicht viel Säure für deutsche Verhältnisse aber so, dass diese alles zusammen gebunden hat: Steinobst frisch, reif und getrocknet, Uhu, Safran, Akazienhonig, etwas Zitronengras. Am Gaumen unglaublich balanciert, lang, vielschichtig. Der größte Wein des Abends, sicherlich. Aufgedeckt handelt es sich um einen 2002er Château d’Yquem. Eigentlich offiziell nicht eines seiner größten Jahre aber an diesem Abend eine Wucht. Begeisternd!
Was bleibt nach einem solchen Abend für ein Fazit? Vor allem das, dass es ungeheuren Spaß macht, solche Weine in einer angenehmen, kleinen Runde zu trinken. Aber auch, dass das Reifen der Weine immer Va Banque ist. Die Möglichkeit, dass sich ein Wein nicht positiv entwickelt oder sich gerade in einer Phase befindet, in der er nicht das zeigt, was geht, steigt exponentiell. Die Ausfallquote war unterm Strich relativ hoch. Und doch hatten wir an diesem Abend große Weine im Glas, von denen der Rangen de Thann, der Gantenbein, der Mascarello und der Château d’Yquem eine ganz besondere Klasse an den Tag gelegt haben.
Allein den Block zu lesen: Ein Genuß! Dank und: Bitte weiter so!
Mit herzlichen Grüßen und in gespannter Erwartung, was das Neue Jahr an Anregungen so bringen wird, Ihr Sebastian Krutzenbichler
Wenn ich das so lese, habe ich den Eindruck, aus reiner Genusssicht war die Probe nicht immer eine Freunde, aber bestimmt eine interessante Erfahrung.
Ich kann dir nur empfehlen, dich mit dem Piemont auseinanderzusetzen. Und hier ist natürlich Bartolo Mascarello für mich die erste Wahl. Die Familie setzt ganz auf die traditionelle Barolo Methode, wird biologisch geführt, setzt auf Qualität ganz klar vor Quantität und sowohl Maria Teresa wie auch ihr Mann sprechen hervorragend deutsch. Besonders erwähnenswert finde ich jedoch auch die günstigeren Weine, hier besonders den Freisa. Wäre mal was für einen Wrint Flaschen.
lg
Bernhard
Oh, ich setzte mich schon mit dem Piemont auseinander. Ist allerdings nicht unbedingt mein Hauptfokus und wird es wohl auch nicht werden. Die Weine von Mascarello kenne ich schon länger. Das Piemont wird bestimmt auch mal Thema bei WRINT, wenn wir mal nach Italien vorstoßen oder mal ne Sondersendung machen. Weine wie der Freisa, also jenseits der 20 Euro, werden bei WRINT aber die absolute Ausnahme bleiben.
Eine interessante Erfahrung auf jeden Fall und manche Weine waren so begeisternd, dass sie die Weine, die für Frustration hätten sorgen können, an dem Abend mehr als aufgewogen haben. Die Stimmung war auch zu gut und wenn einer frustriert hätte sein können, dann der Gastgeber, doch für den war der Abend mit den Menschen unterm Strick wichtiger als ein paar Flaschen, die nicht so mitgespielt haben – und ich denke, so wäre es mir auch gegangen.
[…] die sich auch mit dem Thema beschäftigen.teure Bonner RundeBonner Runde aus anderer Sicht Teil 1Bonner Runde aus anderer Sicht Teil 2Eine kleine Serie die etwas älter ist, aber durch seine Konzentration auf grundlegende Prinzipien […]