Champagne – Vol. 12 – Côte des Bar: Von Courteron nach Urville

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Wir kommen zum letzten Teil der Reise durch die Champagne der Winzer und kleinen Häuser und es stehen noch mal ein paar besondere Adressen auf dem Programm. Dabei müssen wir gar nicht weit fahren von einem Haus zum nächsten. Von Les Riceys geht es zunächst nach Courteron.

Courteron
Courteron ist der Ort, wo jenes Champagne-Haus steht, das ich von allen am längsten kenne. Ich bin mit Biowaren und Bioweinabteilung im Bioladen aufgewachsen und dort stand schon zu Beginn der Neunziger Champagne Fleury. Es ist das erste Haus, das konsequent den biodynamischen Weg gegangen ist und sich auch schon frühzeitig hat zertifizieren lassen (demeter). Sauber, also chemiefrei, wird dort allerdings schon viel länger, nämlich seit Anfang der 1970er gearbeitet. Wie es für die Weingärten an der Aube üblich ist, steht hier vor allem Pinot Noir, der ein wenig durch Chardonnay ergänzt wird. Die Fleurys besitzen 15 Hektar Rebfläche, die allerdings noch einmal durch 10 Hektar Fläche ergänzt wird, die von Vertragswinzern eingebracht werden. Da Fleury in seiner Gänze demeter-zertifiziert ist, gilt dies natürlich auch für die Vertragswinzer des Ortes, die Fleury Trauben anliefern. So hat man hier eine Champagne-Gemeinde, die zu einem großen Teil von natürlich gepflegten, chemiefrei bewirtschafteten Weinbergen umgeben ist. Fleury übrigens hat schon relativ früh eine eigene Hefe aus dem Weinberg selektioniert, die man gezüchtet hat und unter dem Namen Quartz auch für andere Erzeuger angeboten wird. Das ist etwas für jene, die nicht die üblichen Reinzuchthefen der großen Hersteller nutzen wollen, denen andererseits aber Spontanvergärung zu heikel ist.

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Copyright: Champagne Fleury

Ich bin noch nicht so vertraut mit den neuen Labels, zumal sich auch die Namen teilweise geändert haben. Immer noch derselbe aber ist der Fleur de l’Europe, der eine Assemblage aus 85% Pinot Noir und 15% Chardonnay ist und der von einem größeren Anteil im Holz gelagerter Reserveweine profitiert. Wie alle Champagne von Fleury ist dieser ziemlich füllig, dabei lang und intensiv. Es sind nicht die feinsten Champagne, aber durchweg sehr gut gemacht. Das gilt übrigens auch für den üblichen Einstiegswein, den Brut, der seit einigen Jahren Blanc de Noirs heißt und nicht mehr wie früher Carte Rouge. eine Neuerung der letzten Jahre ist die Erweiterung der Palette hin zu Extra Brut sans soufre, also ohne zugesetzten Schwefel und zu einem reinsortigen Pinot Blanc-Champagne. Was ich momentan nicht mehr finde, ist der doux, dessen 2000er Jahrgang der letzte war, den ich probieren konnte. Doux war für mich zusammen mit dem Millésime 1995 und 1996 immer ein Highlight des Hauses.

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Der große Vorteil für unsereinen hier in Deutschland ist, das man auf Fleurys Weine einen guten Zugriff hat, denn zumindest Blanc de Noirs und Fleur de l’Europe findet man in vielen Biomärkten. Wer in Paris ist, kann übrigens bei Morgane Fleury vorbeischauen, die die Ma Cave Fleury betreibt. Da findet man nicht nur die hauseigenen Champagne sondern auch Weine von Marcel Deiss, Guibolot, de Villaine, Joly und anderen alternativen Winzern.

Essoyes
Eines neues Highlight sind die Champagne des Hauses Champagne Ruppert-Leroy oder, präziser, die Champagne von Bénédicte und Manu Leroy. Bénédictes Eltern waren ursprünglich Schafhirten mit einem Besitz von ca. 4 Hektar. In den 1980ern jedoch haben sie begonnen, auf den Anbau von Trauben umzustellen, denn ab da wurde es langsam finanziell interessant, als Traubenbauer die Waren an den Négo oder die lokale Kooperative zu verkaufen. Als sich abzeichnete, dass ihre Eltern so langsam aber sicher in den wohlverdienten Ruhestand wechseln wollten, musste Bénédicte sich überlegen, ob sie weiterhin als Lehrerin arbeiten wollte, den Job ihrer Eltern übernehmen oder einen Schritt weiter machen würde.

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Bénédicte und Emmanuel Leroy, Copyright: Josh Adler, Paris Wine Company

Sie hat sich mit ihrem Mann für Letzteres entschieden. Seit 2010 bringen sie ihren eigenen Champagne heraus, stellen gerade auf organische Landwirtschaft um und machen sich mit biodynamischer Wirtschaftsweise vertraut. Bénédicte hat parallel ihr Weinbaustudium durchgezogen. Und zwar in Dijon und nicht in der Champagne. Sie hat in der Wahl ihrer Mittel und dem Ausdruck ihrer Weine entsprechend burgundisch begonnen. Es gibt nur je einen Jahrgang und nur je eine Lage als brut nature pro Flasche. Die Grundweine der Lagen Fosse Grely und Les Cognaux werden mit indigenen Hefen im gebrauchten burgundischen Holzfass (228 bis 600l) ausgebaut und ungeschönt und unfiltriert auf die Flasche gebracht. Bisher werden die Jahrgangschampagne nach zwei Jahren auf den Markt gebracht – weshalb sie nicht als Jahrgangschampagne deklariert werden dürfen. Da wäre es auf Dauer schön, wenn die beiden einen Teil der Weine in Zukunft noch länger sur latte lagern könnten, zumal sie schon auf Grund der Ausbauart und des späten Lesezeitpunktes Reifezeit benötigen. Nichts desto trotz sind die Weine jetzt schon fein und präzise, energiegeladen und charaktervoll. Es gibt mittlerweile vier Cuvée, und zwar die Cuvée Fosse-Grely mit zwei Teilen Pinot und einem Teil Chardonnay, einen 100% Pinot Noir namens Cuvée Les Cognaux und einen Chardonnay names Cuvée Martin-Fontaine. Schließlich ist mittlerweile ein reinsortiger Pinot-Rosé aus der Lage Les Cognaux hinzugekommen.

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Weinberg von Ruppert-Leroy im Herbstkleid. Copyright: Champagne Ruppert-Leroy

Das ist, wie gesagt, alles ganz jung, aber schon erstklassig. Da hat sich mit Bénédicte Leroy jemand an das Experiment Winzer-Champagne gewagt, der viel Talent hat.

 

Laundreville
Als ich das erste Mal mit den Champagne von Charles Dufour in Kontakt kam, hatten sie noch das Label seines Vaters, Robert Dufour. Es gibt auch immer noch solche Champagne im Umlauf, alte Jahrgangsweine, die Robert in größerer Menge eingelagert hat und die so nach und nach ans Licht kommen. Was mich hier allerdings momentan besonders interessiert ist das, was Charles so treibt. Er hat vor einigen Jahren nach einem längeren Auslandsaufenthalt den Betrieb übernommen und fand, seiner Mutter sei Dank, ziemlich gesunde Böden vor. Diese hatte in seiner Abwesenheit damit begonnen, die Bewirtschaftung langsam auf biodynamische Arbeitsweise umzustellen. Teile der 15 Hektar Weinberge sind schon ecocert-zertifiziert, so das Charles‘ elegante Einstiegscuvée Bulles de Comptoir auch dieses Label schon trägt. Obwohl rund 83% der Rebfläche Aube-typisch mit Pinot Noir bestockt sind, sind gerade auch die Blanc de Blancs Champagne interessant. Sie sind meist wenig, wenn überhaupt geschwefelt und es gibt Blanc de Blancs vom Chardonnay aber auch vom Pinot Blanc. So der Champs du Clos L.10, der aus einer Parzelle zwischen Landreville und Celles sur Ource stammt, im Edelstahl verarbeitet wurde und weder nachgeschwefelt noch mit Dosage versehen wurde. Das Resultat ist ein ganz und gar ungewöhnlicher Champagne, zurückhaltend, introvertiert, mit einem Duft von Kräutern und weißen Blüten, ein ganz langsamer Champagner, noch jung mit erstem Jahrgang von 2010, der seine Schamesröte noch überwinden muss. Anders schon der Chèvetre L.10, ein Blanc de Blancs von jungen Chardonnay-Rebstöcken aus einer Parzellen zwischen Landreville und Ville sur Arce. Hier ist mehr Säure im Spiel, auch hier findet sich heller Blütenduft und etwas Gras, dazu aber mehr Brioche, etwas Holz – der Wein wurde im Holz vergoren und im älteren Barrique ausgebaut. Später folgt eine zunehmend süße Note wie die von Butterkeksen, dazu weiße Frucht, Grapefruit und Limette sowie Kalk. Das ist also durchaus ein kleiner Solitär, bei dem ich gespannt bin, wie er sich weiter entwickeln wird. Der Avalon L.10 ist die Urgewalt unter den neuen Champagne mit den minimalistischen Etiketten. Wiederum Chardonnay, diesmal aus Essoyes mit mehr Holz und von einem Weinberg stammend, dessen Boden fetter ist. Das ist ein geradezu fleischiger Champagne, einer der eher nach Kakao als nach Beeren duftet, einer der gleichzeitig dunkle Aromen bietet und dann wiederum helle, säurebetonte Zitrusnoten. Ein Charakterkopf par excellence, der einem gefallen mag oder nicht (mir gefällt er sehr), aber auf keinen Fall kalt lässt.

Der Blanc de Noirs Brut Nature wiederum ist ein puristischer Winzer-Champagner par excellence. Im Duft verwebt sich eine ganze Bandbreite an Früchten, die von Orangenschalen über Birne bis zu Johannisbeeren reicht und ergänzt wird durch Virginia-Tabak und Brioche sowie einem ganzen Strauß an Provencekräutern. Schon in der Nase wird das Salzig-Mineralische und Trockene deutlich. Am Gaumen wirkt der Champagner pur und im ersten Moment geradezu scharf. Die warmen Fruchtnoten liegen im Hintergrund, die Säure, das Kalkige und etwas von Zitronen und Limetten hat hier eindeutig die Oberhand. Trotz der kühlen Klarheit ist der Blanc de Noirs mundfüllend und lang. Kein Champagner für den lauschigen Kaminabend sondern fordernd und die Lebensgeister weckend.

Tja, es geht immer weiter an der Aube, in der Experimentierküche brodelt es. Dabei arbeiten viele der jungen, innovativen Winzer zusammen, sammeln gemeinsam Erfahrung mit alternativen Anbaumethoden, Selektionen und Spontanvergärung.

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Zwei, die zu diesen Winzern gehören und ebenfalls kein Problem haben, mit ihren Champagne zu polarisieren sind Coessens und Demarne-Frison. Eigentlich müsste letzteres Gut de Marne Frison heißen, denn Champagne Demarne-Frison ist das Projekt von Valérie Frison und ihrem Mann Thierry de Marne. Das Kommitée der Champagne-Erzeuger CIVC jedoch hatte ein Problem mit dem Namen denn das Weingut liegt ja im Département Marne und das Weingut de Marne zu nennen, kam nicht in Frage. Deshalb haben die beiden ihre Namen entsprechend angepasst.

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Thierry und Valérie haben, nachdem sie 1997 die Weinberge ihrer Eltern übernahmen, den Ertrag zunächst einmal wie ihre Eltern weiter an die Kooperative abgegeben. Parallel haben sie jedoch damit begonnen, die Weinberge ökologisch zu bewirtschaften, bis sie 2007 ihren ersten Jahrgang ökologisch zertifizieren konnten. Damit haben sie dann auch mit Teilen des Ertrags ihre eigene Produktion begonnen. 2013 hat sich das Paar jedoch getrennt und Valérie macht seitdem alleine weiter. Das war nicht der einzige Rückschlag in den letzten Jahren. Denn schon den zweiten Jahrgang (2008) mussten die beiden damals wieder komplett an die Kooperative abgeben weil ihr Freund, Bertrand Gautherot (Vouette & Sorbée) ihnen plötzlich nicht mehr weiter Unterschlupf für ihre Weine bieten konnte, da er seinen Keller kurzfristig renovieren musste. Seit 2009 jedoch hat man bei Demarne-Frison einen eigenen Keller mit eigener Presse und eigene gebrauchte Fässer, in denen der Wein ausgebaut wird.

Es gibt bei Demarne-Frison genau zwei Champagne, wovon einer halb Pinot halb Chardonnay ist und der andere ein reiner Blanc de Blancs. Das ist erstaunlich, hat man auf den sechs Hektar Besitz doch 95% Pinot Noir stehen. Doch scheint das gut zu funktionieren. Wie gesagt, ein überwiegender Teil wird weiter an die Kooperative verkauft und der eigene Abverkauf dürfte bei ca. 5-6.000 Flaschen liegen. Der erste heißt Goustan Brut Nature und ist eine non vintage Produktion, weil sie – wir hatten das ja schon häufiger – nicht lange genug gelagert wurde, um den Millésime-Status zu erhalten. Trotzdem stammt der gesamte Grundwein aus einem Jahr und die 50% Pinot und 50% Chardonnay wurden samt und sonders in den Lagen La Chevetrée, Les Clos de la Cote, und Les Cotannes geerntet.

Der zweite Wein names Lalore Blanc de Blancs ist ebenfalls NV und ebenfalls aus nur einem Jahr und, das kommt noch hinzu, aus der Einzellage Les Cotannes. Der 100% Chardonnay wird ausschließlich in Magnums abgefüllt. Beide Weine verfügen über sehr viel Energie, sie vibrieren, sind lebendig und kräftig mineralisch-kalkig. Die Fruchtnoten sind alle hell und klar, oft zitronig, untermalt mit dem, was der Ausbau im Holz bietet, wie zum Beispiel leichte Vanille-Noten. Dazu kommt eine sensorische Süße vom reifen Lesegut. Die Champagne sind wunderbar harmonisch, klar und pur. Richtig Winzerstoff eben, der sich in eine Reihe stellt mit diesem wunderbaren Stoff, den man hier an der Côte des Bar bekommt.

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Ville-sur-Arce. Copyright: Champagne Coessens

So wie eben auch bei Jérôme Coessens, einem weiteren dieser Freaks, dieser Inidividualisten, die sich nicht beirren lassen und die das Gebiet so spannend machen. Coessens macht ausschließlich Jahrgangsweine aus einer Einzellage namens Argillier und zwar ausschließlich aus Pinot Noir. Fünf Varianten des Weinbergs gibt es bei Coessens. Es beginnt mit dem Brut Blanc de Noirs und dem Brut Nature, wobei ich den Brut Nature vorziehen würde – er ist etwas klarer und purer. Daneben steht der Rosé de Saignée, ein dichter, stoffiger Rosé mit viel dunkler Frucht und erdigen Noten. Darüber steht der Jahrgangschampagne, momentan Millésime 2006, reifer, kräftiger, doch auch eleganter und geschliffener Pinot Noir, der schließlich noch getoppt wird durch den in einer hellen Flasche abgefüllten Sens Boisé, dessen Grundwein im Barrique gelagert wurde. Holz spielt im Aroma aber keine besondere Rolle – die Mikrooxydation ist das, was den Wein verändert. Gelbe Pflaumen präsentieren sich hier, Gewürze wie Zimt und etwas Süßholz und Pfeffer rundet den kraftvollen und gleichzeitig saftigen Champagne ab.

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Copyright: Champagne Coessens

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Einen vielleicht noch besseren, noch ungewöhnlicheren Stoff gibt es im Nachbarort bei Bertrand Gautherot zu verkosten. Er firmiert unter dem Namen Vouette & Sorbée – den Namen seiner beiden wichtigsten Weinberge. Gautherot ist genau so ein besonderer Typ, so ein erd- und naturverbundener Charakter, wie es seine Weine sind, die ich neben denen von Cédric Bouchard von allen an der Aube bisher am meisten schätze. Gautherot hat bis 2001 seinen gesamten Wein an den Négo verkauft. Trotzdem hat er schon lange vorher auf biologische und dann biodynamische Wirtschaftsweise umgestellt. Er hat sich sogar von Demeter zertifizieren lassen obwohl er sein ganzes Traubenmaterial verkauft hat. Das war ihm seine Gesundheit wert und auch und vor allem die seiner Böden und Rebstöcke. Für Gautherot ist jedoch nicht die Ideologie der Biodynamie entscheidend, sondern die veränderte Qualität der Böden und Stöcke aus der erst eine veränderte Qualität der Weine entstehen kann. Es war schließlich mal wieder Anselme Selosse, der große Mentor, der auch Gautherot überzeugen konnte, seine Weine endlich selbst zu vinifizieren. Schließlich hatten er und einige andere ja mittlerweile den Markt dafür bereitet, dass sich Champagne-Freakstoff auch verkaufen ließ. 2001 war sein erster Jahrgang, seit 2008 verarbeitet er den größten Teil seines Rebmaterials selbst und hat den Kontrakt mit dem Négo Duval-Leroy nicht mehr erneuert. Fünf Hektar sind es heute, die er bewirtschaftet. Das sind vor allem der Vouette-Weinberg (Kimmeridge-Kalk) in der Nähe des Hauses, Sorbée etwas weiter entfernt (Portland-Kalk) und dann noch ein dritter Teil namens Biaunes (Kimmeridge-Kalk) auf dem Weg nach Ville-sur-Arce.

Ist es nach der ganzen Reise noch etwas Besonderes, dass auch hier mit natürlichen Hefen vergoren wird? Nicht wirklich, auch wenn es für sich genommen in der Champagne eigentlich immer noch außerordentlich ist. Der Ausbau findet im gebrauchten Barrique statt und auch hier wird (natürlich) auf Schönung, Filtration oder gar Kältestabilisierung komplett verzichtet, die Schwefelung ist minimal. Was dabei herauskommt ist Handwerk von seltener Schönheit, das dabei immer kompromisslos eigen und voller Persönlichkeit ist. Ähnlich wie bei Cédric Bouchard oder oft auch bei Dufour, ist das vor allem und zunächst Wein und dann auch Champagne.

Der erste Wein heißt Fidèle Blanc de Noirs, ein Name, der auf seine ersten Versuche, überhaupt Wein zu machen zurückgeführt werden kann. Es ist ein reinsortiger Pinot Noir von den beiden Kimmeridge-Plots, ein Wein, der zu ca. 95% aus einem Jahrgang besteht und einen minimalen Anteil von Reserveweinen aufweist, eine Pinzette voll Reservewein, wie er sagt. Der Wein bietet viel Kraft, viel reife rote Frucht und diese Form von Stein- und Erdegeschmack, wie man ihn fast nur bei biodynamisch erzeugten Gewächsen findet – ein Expressionswunder.

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Foto  ©: Thomas Iversen, Mad about Wine

Blanc d’Argile stammt aus dem noch jungen, erst 2000 gepflanzten Biaunes-Weingarten. Der Chardonnay ist absolut besonders, hat Gautherot den Hektarertrag doch auf ein Mindestmaß gesenkt (15 bis 20hl). Viele in der Champagne sagen ja, zu geringe Erträge würden den Charakter eines Champagne zerstören, ihn zu fett und wuchtig werden lassen. Beim Blanc d’Argile ist das nicht so. Ja, er ist reif, er ist dicht, er ist voll aber er ist dabei so etwas von ausgewogen und markant, so fruchtig und fast minzig-kräuterig mit großer Länge und Komplexität. Das ist einfach großes Blanc de Blancs Kino in einer Art, wie sie nichts zu tun hat mit den Klassikern von den Côtes de Blancs. Aber es ist großer Stoff!

So ungewöhnlich der Blanc d’Argile ist, so schräg oder eigenwillig ist auch der Saignée de Sorbée. Dieser pure Pinot Noir Rosé ist dicht wie Blut, mit einer Farbe und Frucht, wie sie bei einer Maceration Carbonique entsteht. Der Champagne erinnert an die Rosé von Horiot, Leclapart und Larmandier-Bernier – und ist vielleicht noch ein bisschen abgefahrener. Und, es ist für Gautherot der Top-Wein der Domaine, das sagen nicht gerade viele über ihre Rosé. Hier vermischt sich reifes Lesegut, das Aroma reifer roter Früchte mit Tabak, Pfeffer und Mineralität. Der Wein füllt den Mund, ist dicht und intensiv, dabei auch am Gaumen würzig und tabakig mit viel erdiger Frucht. Toll! Das ist einfach das, was zumindest ich sehr gerne mag.

Urville
Es ist der letzte Anlaufpunkt der lang gewordenen Reise durch die Champagne der Winzer und kleinen Häuser. Es ist ein Besuch und eine Empfehlung, die mich freut, denn mit dem Hause Champagne Drappier stelle ich zum Schluss noch mal ein Haus vor, dass eine lange Tradition hat, für den Bereich Aube ziemlich groß ist, immer sehr sauber gearbeitet hat und in den letzten Jahren sehr viel zum noch Besseren verändert hat. Drappier war übrigens für Charles de Gaulle das, was Pol Roger für Winston Churchill war – die Hausmarke. Drappier war stark daran beteiligt, den früher üblichen Gamay an der Côte des Bar durch Pinot zu ersetzen und das Haus ist bis heute der größte und vielleicht typischste Vertreter dieses Aube-Stils: Pinot-betont, Frucht satt, Champagne für den Magen, nicht für den Intellekt, wie man bei Drappier sagt. Drappier verfügt heute über eigene 54 Hektar, 50 weitere sind gepachtet und von 50 weiteren Hektar wird dazu gekauft. Wobei auch da natürlich auf einen Standard im Weinberg geachtet wird, der selbst gepflegt wird: naturnah ohne Stickstoff und einzig mit einem synthetischen Mittel gegen Mehltau.

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Michel & André Drappier. Copyright: Champagne Drappier

Drappier ist mit seinen Einstiegsqualitäten so etwas wie der typische Banquet-Champagne für mich. Das Unkomplizierte, das Fruchtige ist immer gut gemacht, nie langweilig. Preislich gesehen ist das dabei immer in einem guten Rahmen. Ich spreche dabei von den beiden Klassikern Brut Carte d’Or und Brut Rosé. Etwas fordernder sind die Brut Nature Champagne, von denen es gleich mehrere gibt und zwar den Brut Nature zéro dosage, Brut Nature Rosé und Brut Nature sans souffre, einem der wenigen Weine, die tatsächlich keinen Schwefel gesehen haben. Ein Experimentierfeld für ein so großes Haus, das aber dazu geführt hat, dass heute alle Champagne aus dem Hause Drappier nur noch sehr behutsam mit gerade einmal 20 Milligramm geschwefelt werden – das ist sehr ungewöhnlich. Auf wirklich hohem Niveau spielen normalerweise die Millésime-Champagne und Grand Sendrée Millésime sowie der Quattuor Blanc de Blancs, wo der Chardonnay von Petit Meslier, Arbanne und Blanc Vrai (Pinot Blanc) begleitet wird.

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Copyright: Champagne Drappier

Der Besuch bei Champagne Drappier ist auch insofern ein schöner Abschluss, weil er die beiden Welten der Champagne miteinander verbindet. Denn Drappier verbindet wie kaum ein anderes Haus die Tradition der Champagne – sehenswert sind bei einer Führung die Keller, die teils aus dem 12. Jahrhundert sind und schon von den Mönchen der Abtei von Clairvaux genutzt wurden – mit einem gewissen experimentellen Stil und den Besonderheiten, die sonst eigentlich eher die Einzelkämpfer pflegen. Besonders ist dabei auch, dass man bei Drappier die zweite Gärung in allen Flaschenformaten von der 0,375 bis zur 30-Liter-Melchisedek durchlaufen lässt. In vielen anderen Häusern werden lediglich die 0,75er und die Magnums sur latte ausgebaut und dann später auf die anderen Formate umgefüllt. Besonders auch, dass der liquer d’expedition, den man zur Dosage nutzt nicht etwa simpler Zucker oder Most ist sondern in alten Weinen aufgelöst wird und lange, bis zu 25 Jahre gelagert wird. All das, ich sprach es schon mal an, bekommt man für einen fairen Preis, soweit man davon in der Champagne überhaupt reden mag, aber dieses Thema hebe ich mir für den Epilog auf.

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Die Artikel der Serie:

Teil 13: Epilog

Teil 12: Côte des Bar von Courteron nach Urville

Teil 11: Côte des Bar von Bar-sur-Seine nach Les Riceys

Teil 10: Von Vertus nach Montgueux

Teil 9: Côte des Blancs in Vertus

Teil 8: Côte des Blancs in Le-Mesnil-sur-Oger

Teil 7: Côte des Blancs in Avize

Teil 6: Côte des Blancs von Épernay nach Cramant

Teil 5: Vallée de la Marne, am linken Ufer zurück nach Épernay

Teil 4: Vallée de la Marne, am rechten Ufer von Dizy nach Crouttes

Teil 3 Vallée de la Marne, rund um Aӱ

Teil 2: Montagne de Reims

Teil 1: Auf der Suche nach einem Mythos

 

24 Kommentare

  1. beauveau

    Nachdem ich jetzt durch alle Folgen bin, weiss ich nicht was ich im Bereich “Brut Nature” von wo probieren muß. Ich kenne einige Champagne aber nicht systematisch, sondern was es gerade beim Händler gibt. Schön wären Tipps für mehrere Geschmacksrichtungen. Als Endverbraucher kann man ja auch nicht soviele Winzer aufsuchen, das geht dann ja auch ins Geld.

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  2. Danke! Ich werde im letzten Teil noch ein paar Tipps geben. Wenn ich mehr der Fotos selbst gemacht hätte, wäre das tatsächlich eine Idee. Aber wer kauft sowas schon? Mittlerweile habe ich wieder ne brauchbare Kamera. Ich hoffe mal, dass ich bei den nächsten Reisen mehr Fotos selbst geschossen kriege.

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