Im vierten und vorletzten Teil des 2020er Grand Prix der Großen Gewächse geht es nun um die vielen Rieslinge aus 2019. Im Vorfeld gab es sehr viel sehr hohe Bewertungen und Superlative. Dem kann ich mich nicht so ganz anschließen. Es gibt über alle Gebiete hinweg sehr gute Weine. Im Großen und Ganzen sind die Weine auch etwas frischer als die 2018er. Und doch bietet sich ein sehr heterogenes Bild, das ich einzufangen versuche. Rheinhessen, Pfalz, Mittelrhein und Württemberg habe ich nahezu komplett probiert, Mosel in großen Teilen, Nahe und Rheingau in geringerem Maße.
Mosel 2019
Es geht los an der Terrassenmosel, und zwar mit 5 x Heymann-Löwenstein, 2 x Knebel und 2 x Clemens Busch. Der Kirchberg 2019 Riesling von Heymann-Löwenstein zeigt sich in einem ungewöhnlich intensiven Gelb (so wie alle weiteren Weine des Gutes). Seidig, cremig und würzig mit typischem Schieferduft, mit etwas Stein und etwas Lanolin duftet es hier leicht pikant und elegant. Am Gaumen zeigt sich eine schöne Kombination aus reifer Säure, leicht an Süßholz erinnernder Würze und feiner Saftigkeit in Kombination mit Schiefergestein. Jung ist der Wein und ungestüm. Das ist ein schöner Auftakt. Der Stolzenberg 2019 von Heymann-Löwenstein zeigt seine Anlagen olfaktorisch weit weniger deutlich, ist geradezu zurückhaltend mit etwas Lanolin, gelbem Gewürz, gelber Frucht und Stein. Am Gaumen wirkt der Wein reif und seidig, aber auch sehr frisch und mineralisch, dezent fruchtig, aber klar und präzise. Der Röttgen 2019 von Heymann-Löwenstein muss sich mit Knebels gleicher Lage messen. Hier gibt es ein ganz leichtes Petrol, dann eher Stein mit eigener Würze. Am Gaumen ist der Riesling hell, klar und saftig sowie mit leichtem Säuredruck und einem pikanten Finale. Der Röttgen 2019 von Knebel öffnet sich mit leichter Phenolik, wirkt markant würzig, steinig und viel kompromissloser. Am Gaumen zeigt sich eine feine Saftigkeit mit Säuredruck. Aromatisch ist der Wein recht hell, es zeigt sich wiederum eine leichte Phenolik mit leichtem Grip und der oft so erotisch wirkenden, seidig reifen und doch klaren und lebendigen Säure. Der Uhlen 2019 von Knebel ist ein anderer Schnack, wie man im Norden sagen würde. Seidig ist er, sehr würzig mit weißer und gelber Frucht, mit Grapefruit, Trockenkräutern und Stein. Am Gaumen zeigt sich der Riesling zunächst seidig, dann wird es immer steiniger, würziger und mineralischer. Und all das bleibt auch stehen, wenn der Wein dem Gaumen längst entfleucht ist. Das ist stark und mal wieder sehr schön prägnant. Ähnlich beeindruckend zeigt sich der Uhlen „Blaufüßer Lay“ 2019 von Heymann-Löwenstein. Auch hier dominiert letztlich das Mineralische, das leicht Kühle und in diesem Falle tatsächlich auch das Dunkle, das vom „Blau“ im Namen schon ein wenig evoziert wird. Würzig und kühl ist der Wein schon in der Nase, fein und kühl, feinsaftig und seidig und das fast tänzerisch. Im Finale packt die Säure dann sogar ein wenig zu, und es wird ein wenig zitrisch und leicht druckvoll. Der Uhlen „Laubach“ 2019 von Heymann-Löwenstein wirkt ähnlich kristallin, in der Nase jedoch noch etwas dunkler, würziger, am Gaumen frisch, klar und pikant mit leichtem Curry und lebendiger Säure. Der Marienburg 2019 von Clemens Busch ist erstaunlich offen und lebendig. Hell ist er mit geradezu reifer Apfel- und Birnenfrucht, etwas Grapefruit und Kumquats. Da sind viele Gewürze mit drin, kandierte Orangenschalen, etwas aus dem nordafrikanischen Bereich, dazu Stein. Am Gaumen findet sich zunächst eine leichte Fruchtsüße, dann ein etwas öliger Stein, dann wieder die Frucht, reif, saftig, nicht mehr knackig, aber immer noch frisch. Die Säure ist typisch, aber lebendig. Der Marienburg „Rothenpfad“ 2019 von Clemens Busch gibt sich hintergründig und komplex mit einer wunderbaren Mischung aus Stein, feinen Orientgewürzen und reifer Frucht. Sogar eine leicht strenge grüne Note ist mit dabei. Am Gaumen findet sich viel Stein und Würze, dabei ist der Riesling transparent und klar, saftig und mit sehr ordentlichem Druck ausgestattet. Grapefruit, Kumquat, Stein, einige Orientgewürze sind auch hier wieder mit dabei – und außerdem eine Kinnwasser fördernde Salzigkeit.
An der Mittelmosel beginne ich mit dem Juffer 2019 Riesling von Fritz Haag. Das ist ein heller und klarer Wein mit feinen grünen bis gelben Apfelnoten, etwas Zitrone, leichter Gesteinswürze und etwas Lanolin. Am Gaumen zeigt sich recht viel Saftigkeit, auch hier eher im apfeligen Bereich, verbunden mit reifer Säure. Der Wein könnte etwas mehr Druck haben, denkt man zuerst. Der kommt aber dann im Finale mit Macht sowie mit einiger Würze und bleibt dabei frisch und klar. Klassisch und schön! Etwas hintergründiger und komplexer wird es dann mit dem Juffer-Sonnenuhr 2019 Riesling von Fritz Haag. Auch hier gibt‘s Apfel, aber schon etwas mürberen. Dabei wirkt der Wein ebenso frisch und klar mit viel Zitrusfrucht und Stein. Hinzu kommt etwas Cremiges. Am Gaumen besitzt der Wein viel Substanz, ist tief, dabei klar und druckvoll, sehr saftig mit leichtem Salz und beeindruckend vibrierender Mineralität. Ein elegantes ausgewogenes und klassisches Prachtstück! Da kann der Juffer-Sonnenuhr 2019 Riesling von Schloss Lieser – Thomas Haag nicht ganz mithalten. Der ist auch sehr saftig und klar mit sehr viel Frische. Die Säure ist präsent und druckvoll, gleichzeitig seidig, die Würze prägend. Aber der Wein erreicht nicht ganz die Tiefe und Mineralität. Der Riesling Juffer-Sonnenuhr „Im Falkenberg“ 2019 ist ein Versteigerungswein von Fritz Haag. Der Wein zeigt Reife und leichtes Petrol, wirkt insgesamt noch sehr verschlossen. Am Gaumen findet sich neben dem leichten Säuredruck eine leichte Würze. Der Wein wirkt recht tief, ist aber auch am Gaumen noch schwer zu beurteilen. Ganz anders der Paulinshofberg 2019von Fritz Haag. Der ist würzig und nochmal würzig mit viel Stein und Kräutern. Ein sehr klares und transparentes Mosel-Gewächs, druckvoll mit einer leichten Wässrigkeit im Mittelteil, im Finale dann aber wieder präsent und mit Kraft. Der letzte Wein im Flight ist dann kein Haag mehr. Der Hofberg 2019 stammt von Grans-Fassian. Auch hier gibt es viele Kräuter, viel Zitrisches, viel Stein und kaum mollige, dafür grün apfelige Frucht. Am Gaumen ist dieser Wein überaus lebendig und frisch, hell und saftig mit lebendiger Säure. Das ist geradezu knackig. Ein Begriff, der mir nur zu sehr wenigen Mosel-Rieslingen in diesem Jahr einfällt. Überhaupt Grans-Fassian. Was für eine schöne Kollektion gibt es hier. Das Goldtröpfchen 2019 zeigt sich verspielt und recht hellfruchtig in der Nase und auch am Gaumen, dann aber kommt der Säuredruck, die Mineralik und der Schiefer. Der Wein ist vielleicht etwas kurz, aber sehr saftig und auf angenehme Weise unkompliziert. Der Apotheke 2019 Riesling duftet hell nach Blüten, ein wenig Holunderblüte ist mit dabei, aber auch etwas Herbes. Der Wein hat Zug, Grip und verfügt über eine angenehme Spannung. Der Laurentiuslay 2019 Riesling bildet den würdigen Abschluss der Kollektion. Er ist eleganter, seidig, cremig mit ein wenig Lanolin zur reifen Apfelfrucht und feinen Würze. Am Gaumen ist der Wein 2018-typisch seidig, elegant, und doch mit leichtem Druck und feiner Würze. Er hat eine einprägsame Frucht- und Gewürzkombination mit unterlegter lebendiger Mineralik. Beim Goldtröpfchen 2019 gab es noch den Sparringspartner von Schloss Lieser – Thomas Haag. Es ist ein echter Charakterwein mit feinster Würze, leichtem Petrol und einer leichten Reduktion. Der Wein wirkt fast streng, ist dabei komplex, dicht, dunkel und druckvoll in der Säure und zwingend in der Mineralik. Das ist sehr stark. Schließlich habe ich an der Mittelmosel noch den Laurentiuslay 2019 Riesling von Nik Weis – St. Urbans-Hof probiert. Der ist völlig ungewöhnlich interpretiert. Er wirkt sehr reif mit viel gelbem Obst und vielleicht sogar etwas Botrytis. Am Gaumen treffen Opulenz, Reife, Creme und Petrol auf ein dichtes und lebendiges Fundament von Holz, Stein und Mineralik.
Ruwer 2019
Zwei Weine gibt es hier, zwei Grünhäuser, auch wenn auf dem einen Abtsberg 2019 Maximin Grünhaus – Familie von Schubertund auf dem anderen Herrenberg 2019 steht, so ist zum aktuellen Zeitpunkt mehr oder weniger das Gleiche drin. Sprich, so jung unterscheiden sie sich nur in Nuancen, was jemand, der mehr als zweihundert Weine in drei Tagen probieren soll, recht viel abverlangt. Es geht trotzdem. Der Abtsberg 2019 zeigt eine duftig florale und feine Nase mit elegantem Schiefer. Am Gaumen wiederholt sich das, Blüten und eine helle Frucht treffen auf Schiefer und Salz. Der Wein wirkt eindringlich, feinsaftig uns salzig. Er ist ein Aristokrat. Der Herrenberg 2019 aus gleichem Hause wirkt zurückhaltender, ist saftig, frisch, hat die typischen Apfelnoten des Jahrgangs, ist seidig, zeigt einen ein Hauch von Süße und ist ebenso leise wie eindringlich. Ich sehe ihn minimal leichter und eine Spur weniger komplex als den Abtsberg in diesem Jahr.
Saar 2019
An der Saar gibt es alljährlich die Van-Volxem-Festspiele mit einem halben Dutzend Weine. Die sind auch alle gut oder sogar sehr gut. Kollege Bodmann bezeichnet sie in seiner Wertung als grundsolide GGs. Da liege ich vielleicht ein wenig drüber, aber irgendwie fehlt ihnen ein Funken Esprit, um sie wirklich zu etwas Besonderem zu machen. Der Goldberg 2019 von van Volxemzeigt Noten feiner indischer Gewürze zusammen mit Stein und Agave. Am Gaumen ist der Goldberg seidig und cremig, dann saftig und mit feiner Steinwürze. Gelungen. Der Altenberg 2019 Riesling ist vielschichtig, würzig, dunkel, mit wenig Frucht, aber viel rauchigem Gestein. Am Gaumen zeigt sich eine seidige und auch frische Stilistik: hell, saftig, dann aber auch wieder steinig und druckvoll. Der Gottesfuß 2019 ist saftig mit viel heller und klarer Apfelfrucht. Der Riesling ist pikant mit recht viel Druck und Würze, dazu ist er recht lang. Volz 2019 zeigt zunächst eine ähnliche Transparenz in der Frucht, wirkt dann am Gaumen aber hintergründiger, eine reife gelbe Frucht mischt sich mit ins Gesamtbild zu Schiefer und Salz. Es wird gelbfruchtig, aber in angenehmer Weise. Beim Bockstein 2019 hat man recht viel Fruchtgummi in der Nase, aber das matte von Katjes. Am Gaumen wird es angenehm steinig, ja sogar kühl mit schöner Mineralität und Länge. Bockstein gibt es noch mehr. Der Bockstein 2019Riesling von Nik Weis – St. Urbans-Hof zeigt sich nussig im Auftakt und dann sogar leicht medizinal. Er ist etwas nussig im Auftakt, am Gaumen dann recht reif, seidig und zugeneigt, aber der Wein könnte druckvoller und lebendiger sein. Der Bockstein 2019 Riesling von von Othegraven wirkt dagegen recht kühl, klar und pikant mit leichtem Petrol und Würze. Am Gaumen ist er angenehm kräuterlastig, etwas zitrisch und elegant. Der gefiele mir von den drei Weinen gerade am besten. Von Kellermeister Andreas Barth kam dann noch der Altenberg 2019 von von Othegraven. Der wirkt im Duft wieder leicht apfelmostig. Hell und klar ist er, leicht hefig, herb mit einer darunterliegenden Schicht aus Stein. Am Gaumen findet sich ebenfalls das leicht Mostige, sauber und frisch. Hier gibt es Säure, Druck, rauchige Mineralität, der Wein wirkt sehr transparent und eindrücklich.
Bleibt zum Abschluss der Riesling Hütte 2019 von von Hövel. Der Wein wirkt in der Nase erst floral, dann leicht süßlich und reif. Insgesamt ist er seidig, hat durchaus Würze und Säure, aber es fehlt etwas der Schub. Auch die Kupp 2019 von Peter Lauer wirkt wie von jemand gemacht, der eigentlich gerne ein wenig Restsüße aufbaut: elegant, seidig, saftig mit sanfter Textur, aber auch leicht süß und fruchtig. Der Schonfels 2019 von Peter Lauer ist etwas herber, rauchiger, fast malzig, auch trockener, mit einer Schicht Stein und etwas Salz. Die Frucht liegt hier im apfeligen Bereich, aber es blitzt auch etwas Orange durch. Die lebendige Säure gefällt mir sehr gut. Zum Abschluss dann der Rausch 2019 von Zilliken, und das ist zusammen mit dem Schonfels ein angenehmer Abschluss. Allerdings gibt es hier recht viel Exotik, viel Frucht, aber wenigstens auch etwas Druck, Klarheit und Präzision, vibrierende Lebendigkeit und Länge.
Und wie war es jetzt an der Mosel? Sehr gemischt war es. Das hatte sicher auch mit teils schwierigen Lesebedingungen zu tun, da es recht viel Regen gab. Doch warum schmecken so viele GGs süßlich und irgendwo zwischen nachgesüßter Apfelschorle, Dosenobst und Zitronenlimo? Das wird eigentlich einem Großen Gewächs, so wie es sein soll, nicht gerecht. Deshalb habe ich beispielsweise auch Dr. Loosen jetzt nicht mit erwähnt, weil die Weine zwar sowas von typisch sind, aber eben auch sowas von typisch fruchtig und süß wirkend. Würde da nicht GG draufstehen, hätte ich damit keine Probleme. Aber so? Im Gegensatz dazu gab es herausragende Kollektionen, die auch in meinen Empfehlungen stehen. Für mich waren das die von Grans-Fassian im gehobenen Bereich und Fritz Haag im Spitzenbereich der MIttelmosel. Ebenfalls gut bis sehr gut fand ich die Kollektionen von Knebel, Heymann-Löwenstein und Clemens Busch an der Terrassenmosel sowie die Kollektion von Van Volxem an der Saar. Wie unschwer zu erkennen ist, bin ich mit meiner Bepunktung nicht so extrem hoch gegangen, weil ich der Ansicht bin, dass es da insgesamt noch Luft nach oben gibt, wenn ich andere Jahre Revue passieren lasse.
Meine Empfehlungen an dieser Stelle:
Uhlen 2019 Riesling, Knebel (aktuell bei 92P)
Uhlen „Blaufüßer Lay“ 2019 Riesling, Heymann-Löwenstein (aktuell bei 92+P)
Marienburg „Rothenpfad“ 2019 Riesling, Clemens Busch (aktuell bei 93+P)
Juffer-Sonnenuhr 2019 Riesling, Fritz Haag (aktuell bei 94P)
Hofberg 2019 Riesling, Grans-Fassian (aktuell bei 91P)
Goldtröpfchen 2019 Riesling, Schloss Lieser – Thomas Haag (aktuell bei 93P)
Abtsberg 2019 Riesling, Maximin Grünhaus – Familie von Schubert (aktuell bei 93P)
Altenberg 2019 Riesling, von Othegraven (aktuell bei 92P)
Schonfels 2019 Riesling, Peter Lauer (aktuell bei 92P)
Nahe 2019
Leider gehörte die Nahe zusammen mit dem Rheingau in diesem Jahr zu den Regionen, die ich recht schnell verkostet habe, weshalb ich mir nur die herausragenden Weine notiert habe. Der Goldloch 2019 Riesling vom Schlossgut Diel wirkt in der Nase voll und üppig mit einer Mischung aus reifer Frucht, etwas Flint und Reduktion. Am Gaumen aber marschiert er nach vorne, und zwar mit Druck. Er ist weitgehend durchgegoren trocken, saftig, salzig, leicht flintig, und die typische reife 2018er Säure ist ungemein lebendig, ja belebend. Das Pittermännchen 2019 wirkt sogar noch dunkler, würziger und rauchiger, und es gefällt mir mindestens genauso gut. Die Weine sind lang, tief und noch geheimnisvoll. Kruger-Rumpfs Weine aus der gleichen Ecke der Nahe sind dagegen schon fast harmlos, hell, eher schwebend – was ja wirklich nicht schlecht ist. Aber wie viele Weine von der Nahe wirken die Weine noch schwefelig gedämpft, leicht taub irgendwie, und man kann eine gewisse Tiefe der Weine nur erahnen.
Bei Dönnhoff sehe ich das beispielsweise ähnlich. Die Weine schwanken insgesamt zwischen Unruhe und einem Taubheitsgefühl und sind derzeit äußerst schwer zu bewerten. Dem Krötenpfuhl 2019 von Dönnhoff möchte ich eine kommende Größe attestieren und ebenfalls der Hermannshöhle 2019. Beide Weine wirken kühl, sind aber hintergründig und tief mit unterschwelliger Mineralik und Säure. Aber all das ist weitgehend nur erahnbar, zumal auch hier wieder eine Fruchtsüße im Vordergrund steht, die sich gar nicht so sehr von vielen Moselweinen unterscheidet. Im Vordergrund steht in diesem Ensemble gerade die Brücke 2019, die mehr weitgehend trocken wirkende Frucht, rauchigen Stein und eine lebendige Mineralik zeigt, aber auch hier noch mit angezogener Handbremse, allerdings wagt sie schon ein paar Tanzschritte.
Gut Hermannsberg war mit Rotberg, Steinberg und Felsenberg im Rennen. Alle drei Weine bestechen durch eine wunderbare kristalline Klarheit und Steinigkeit im Duft wie am Gaumen, wo sich deutliche MIneralität, Druck und Tiefe zeigen. Die typische 2018er Säure strahlt hier elegant und lebendig. Der Rotberg 2019 macht seinem Namen alle Ehre mit roten untergemischten Früchten und einer leichten Exotik. Der Steinberg 2019 ist tatsächlich der steinigste Wein von allen. Ist nun der Felsenberg 2019der felsigste? Nein, aber der mit den meisten Kräutern, mit einer kristallinen Säure und einer immensen inneren Dichte und Kraft auf der dunklen Seite.
Bei Dr. Crusius war der Felsenberg 2019 ebenfalls mein Favorit. Im Gegensatz zu den anderen Weinen von Dr. Crusius, die eher hell, wiederum schwefelig und teils recht fruchtsüß wirken, ist der Felsenbergein ganz trockener, mineralischer und auch salziger Weine mit einem Hauch von Malz, vielen Blüten und ein wenig herber Zitrone, die den Wein ganz angenehm nach vorne schiebt.
Um nochmal aufs Felseneck und andere schon genannte Lagen zurückzukommen: Es steht noch die Kollektion von Tim Fröhlich aus. Und die sehe ich vielleicht sogar noch vor Gut Hermannsberg und Diel. Normalerweise muss man sich hier ja auch durch jede Menge Reduktion, Schießpulver und Schwefel kämpfen. Diesmal ist es nicht bei allen so und vor allem nicht ganz so extrem. Zugeknöpft wirken vor allem die Kupfergrube und das Felseneck. Bei der Kupfergrube 2019 von Schäfer-Fröhlich dampft der Schwefel noch förmlich aus dem Glas. Dann wird es irgendwann hell, blütenduftig und fruchtig mit einer leichten Süße. Im Finale kommt dann geradezu unvermittelt die Mineralität um die Ecke. Und sie hat einen Elektroschocker mitgebracht. Noch reduktiver als die Kupfergrube ist üblicherweise das Felseneck. Das ist auch 2019so. Es ist auch wieder so richtig straff und irgendwie kühl und steinig, ja tatsächlich felsig mit Flechten und Blüten und eben einer steinigen Würze. Das ist kompromisslos karg, aktuell zudem noch recht zugeschnürt, macht aber Lust, das in ein paar Jahren wieder hervorzuholen. Beim Stromberg 2019 fällt dann so ein bisschen die Spannung ab, und es wird etwas heller, duftiger, auch fruchtsüßer sogar, bleibt dabei aber trotzdem abgründig verschlossen. Die Mineralik ist ähnlich präsent, die Säure reif, und es gibt ein wenig Grip und Gerbstoff am Gaumen. Es ist der offenste Wein der Kollektion, und insofern zeigt er vielleicht auch gerade am besten die Größe der Kollektion. Der Felsenberg 2019 ist dagegen wieder ein Gemäuer, an das man erst einen Belagerungsturm stellen muss. Bleiben noch Halenbergund Frühlingsplätzchen, die dann schließlich zu Emrich-Schönleber überleiten. Der Halenberg 2019 von Schäfer-Fröhlich hat gleichsam ADS und ist hibbelig, wenig greifbar und irgendwo zwischen dunkler rauchiger Mineralität und Steinigkeit angesiedelt. Er zeigt Pflanzenextrakt in einer Aromatik, wie man sie von Gin her kennt, also mit Kräutern, Zitrusschalen und Wacholder. Dann blitzt etwas Helles auf zusammen mit einer druckvollen Säure, und danach versinkt das alles irgendwo in einem tiefen Loch, und man muss schauen, dass man nicht direkt hinterherfällt. Das Frühlingsplätzchen 2019 dagegen ist wirklich ein Platz an der Sonne. Da sitzt man auf einem Felsen, die schon leicht wärmende Sonne strahlt, die Blüten auf der Wiese duften, aber es ist auch noch was vom Winter da, ein kühler Luftzug, der einen ein wenig frösteln lässt. Und dann fügt sich das Frische, das leicht Wärmende, der Stein und die Säure, die wie ein Bach die Blütenwiese durchschneidet, doch zusammen. Das ist der einzige Wein von der Nahe, den ich schon jetzt öffnen und trinken würde.
Das Frühlingsplätzchen 2019 von Emrich-Schönleber wirkt noch offener und zugänglicher. Hier findet man bei den Schönlebers helle Noten, Blüten sogar, etwas Phenolisches, etwas pflanzlich Herbes, aber auch eine süße Frucht zusammen mit einigen Noten von Curry und Safran. Dabei darf man bei beiden Weinen nicht die Kraft unterschätzen, die ihnen innewohnt und erst später offen zu Tage tritt. Beide Frühlingsplätzchen sind sehr balanciert und gelungen. Auch der Halenberg 2019 von Emrich-Schönleber wird irgendwann zu den besten Naheweinen des Jahrgangs gehören, da bin ich mir sicher. Das ist aktuell so ein unbeweglicher Fels in der Brandung, an dem man sich noch länger wird abarbeiten dürfen. Aber im Prinzip ist alles schon da: die lebendige Säure, der Grip am Gaumen, die elegante Textur, das untergründig Mineralische und die Kraft.
Die Weine von der Nahe waren in diesem Jahr wieder sehr schwer zu beurteilen. Das liegt auch an der klassischen Ausbauart, die die Weine allesamt haben. Der Schwefel dominiert hier mehr als einmal. Die Weine wirken gedämpft, sind noch unfertig, verschlossen. Ich finde, man könnte sich an der Nahe überlegen, ob man die Weine nicht unisono erst ein Jahr später veröffentlicht.
Meine Empfehlungen an dieser Stelle:
Pittermännchen 2019 Riesling, Schlossgut Diel (aktuell bei 94P)
Brücke 2019 Riesling, Dönnhoff (aktuell bei 93P)
Felsenberg 2019 Riesling, Gut Hermannsberg (aktuell bei 94P)
Felsenberg 2019 Riesling, Dr. Crusius (aktuell bei 92P)
Halenberg 2019 Riesling, Schäfer-Fröhlich (aktuell bei 95P)
Frühlingsplätzchen 2019 Riesling, Schäfer-Fröhlich (aktuell bei 95P)
Stromberg 2019 Riesling, Schäfer-Fröhlich (aktuell bei 96P)
Halenberg 2019 Riesling, Emrich-Schönleber (aktuell bei 93P)
Rheingau 2019
Es ist wohl so, ich habe es beim Schnutentunker gelesen, und an mir ist es vorbeigegangen, dass der VDP Rheingau genau das beschlossen hat, was ich dem VDP Nahe vorschlagen würde, nämlich in Zukunft alle Großen Gewächse erst im zweiten Jahr nach der Lese zu präsentieren. Daher ist es vielleicht gar nicht so schlimm, dass ich hier nur sporadisch verkosten konnte. Ich habe es dann sogar bewusst getan; denn der Kollege Felix Bodmann hatte ja live verkostet, und das hatte ich schon während der Probe mitbekommen. Probiert habe ich trotzdem einiges und viele der Weine als schwierig oder unfertig empfunden. So werde ich mich hier auf einige Highlights beschränken. Wie gesagt, es gab 477 Weine, und es ist unmöglich, die alle zu verkosten, zumindest in einer Form, dass man guten Gewissens ein Urteil fällen kann. Und da ich die Weine von Peter Jakob Kühn schon durchhatte, weil sie ja alle aus 2018 stammten, war ich gespannt, ob die in 2019 von jemand zu toppen sein würden. Tatsächlich sehe ich nur zwei Erzeuger, die das annähernd hinbekommen haben. Der Gräfenberg 2019 Riesling von Robert Weil liefert das ab. Im Gegensatz zu 2018, wo man den Wein so hätte wegschlotzen können, wird der 2019er aber länger brauchen. Doch was man jetzt schon erkennt, bereitet Vorfreude. Das strahlt mit klarer Frucht hell und weit. Diese pendelt zwischen zitrischen Noten, Kernobst und weißfleischigem Steinobst, hat Reife, aber nicht zu viel. Vor allem wirkt der Wein nicht so süß wie der vieler, vieler Kollegen. Stattdessen hat er Schmelz und zugleich Säurebiss. Hier wurde punktgenau gelesen; denn es passt alles sehr gut zusammen und bekommt zudem noch die Energie ab, die von der Mineralität ausgeht. Stark! Als stark, insgesamt sogar als sehr stark habe ich Künstlers Kollektion empfunden. Im Gegensatz zu Weils einzelnem Großen Gewächs wurden hier gleich fünf Weine präsentiert, von denen mir der Hölle 2019 Riesling von Künstler am besten gefallen hat. Der Wein wirkt zwar wie so einige andere in der Nase sehr reif, und das kennt man auch aus der Lage, die eine gewisse Exotik in der Frucht selten verbirgt und sie gerne mit etwas Cremigem verbindet, doch am Gaumen ist dieser Wein enorm strukturiert und jetzt schon tief, wobei in der Nase noch steinig würzige und leicht flintige, nein, eher rauchige und auch offensiv kräuterwürzige Noten dazukommen. Am Gaumen dann verbindet sich die reife Frucht mit einer aktuell gerade noch bissigen Säure, die so zuschnappt, dass man unwillkürlich zurückzuckt. Und das ist dann halt richtig gut; denn so viel Reife und frischen Biss bekommt man ja nur selten zusammen. Und es wirkt in sich stimmig und geschliffen, hat Power bis ins lange Finale. Ebenfalls sehr stark.
In 2018 hatte ich hinter Vollrads und Eberbach ein kleines Ausrufezeichen gesetzt, weil ich dachte, hier tut sich was. In 2019 fand ich die Weine im guten Mittelfeld wieder. In diesem Jahr setze ich das Ausrufezeichen hinter Baron zu Knyphausen. Wo immer wieder an der Holzschraube gedreht wurde und die Weine immer unbalanciert wirkten, veränderte sich etwas. Zumindest bekommt man den Eindruck beim Hohenrain 2019. Dieser Wein wirkt gar nicht mehr experimentell, sondern in sich stimmig mit Tiefe und Substanz, einer noblen Textur und einem wunderbaren Grip am Gaumen. Kaufbefehl? Ich glaube schon! Auch von Oetinger ist vorne mit dabei. Vor allem mit seinem kraftvollen und zutiefst mineralischen, aber noch weitgehend verschlossenen Marcobrunn 2019. Dass der in den letzten Jahren schon knapp vor 100 Euro die Flasche lag, war mir gar nicht bewusst. Der 2019er wirkt recht kühl und druckvoll, hell saftig, aber dunkel in der steinernen, ja nahezu ehernen Würze und Kräutrigkeit. Das ist sehr gut, vor allem in seiner Länge.
Meine Empfehlungen an dieser Stelle:
Gräfenberg 2019 Riesling, Robert Weil (aktuell bei 94P)
Hölle 2019 Riesling, Künstler (aktuell bei 93P)
Hohenrain 2019, Baron zu Knyphausen (aktuell bei 92P)
Mittelrhein 2019
Nicht weit entfernt vom Rheingau findet man den Mittelrhein mit einer Handvoll Weine. Bei denen fehlen immer die Weine von Kauer und von Weingart, die das kleine Feld so sehr bereichern würden. Aber so ist es eben. Wenn die Weine von Matthias Müller dafür stehen, was der Klimawandel am Bopparder Hamm bewirkt, dann steht es schlecht um die heiße Lage. Der Engelstein 2019 Riesling von Matthias Müller ist eine Fruchtbombe mit der ganzen Palette an weicher Haribo-Frucht. Das ist süß und nahezu kitschig. Der Riesling An der Rabenlei 2019 vom selben Winzer wirkt ebenfalls sehr reif und leicht süß, hat aber etwas mehr Säuredruck, ja sogar Frische neben der unglaublich reifen und gelben Frucht. Doch je länger ich das probiere, desto mehr habe ich das Gefühl, dass die Säure komplett neben der Frucht steht. Der Riesling Feuerlay 2019 wirkt etwas kühler und seidiger mit Druck und sehr frischer Säure, dazu kommt Stein neben der wiederum üppigen Frucht. Der Wolfshöhle 2019Riesling von Ratzenberger verfolgt einen ganz eigenen Stil. Hier finden sich gleichsam medizinale Noten auf Salbengrundlage. Der Riesling wirkt floral, herb, dann saftig werdend, immer mit dem leicht medizinal-salbenartigen Beigeschmack, insgesamt etwas zu harmlos in der Komplexität, aber frisch und klar. Im Hahn 2019 von Toni Jost ist ein gelungener Wein mit feinen Druck, mit Länge und einer wunderbaren Saftigkeit in der Frucht. Der Wein ist sehr frisch, wirkt keineswegs überhitzt Außerdem besitzt er eine wunderbare Mineralität, etwas Textur, Grip und eine ganz leichte Süße, die ich hier gerne verschmerze. Am Lauerbaum 2019 von Lanius-Knab ist ebenfalls gelungen, cremig, etwas phenolisch, aber mit gutem Druck am Gaumen.
Meine Empfehlungen an dieser Stelle:
Im Hahn 2019 Riesling,Toni Jost (aktuell bei 91+P)
Rheinhessen 2019
Bingen ist der Übergang von Nahe, Mittelrhein, Rheingau und Rheinhessen. Dort liegt der Scharlachberg, einst einer der berühmtesten Weinberge Deutschlands. Dann wurde er zerpflückt und im Stich gelassen, bis einige Winzer den Mut hatten, „to make Scharlachberg great again“. Dazu zählten die Runkel-Brüder vom Weingut Bischel, das Nahe-Rheinhessen-Gut Kruger-Rumpf und seit einigen Jahren auch Daniel Wagner vom Weingut Wagner-Stempel, der mit Bischel Parzellen in der Heerkretz getauscht hat. Dass der von Quarzit dominierte Scharlachberg mit drei Großen Gewächsen vertreten war, fand ich sehr gut, zumal die Weine einfach einiges hergaben, und das nicht zuletzt in 2019. Der Scharlachberg 2019 Riesling von Bischel zeigt zunächst einmal viel Glycerin im Glas. Der Scharlachberg hat dieses Jahr in allen drei Weinen eine sehr eigene Nase von ganz leichter Kräutermedizin in Verbindung mit etwas Lanolin. Bischels Interpretation ist saftig und leicht salzig, wobei direkt der Trinkfluss anspringt. Der Wein verfügt über eine beeindruckende Struktur. Hier gibt es viel Stein und entsprechende Würze, dazu sehr hellen und viel zitrischen Saft. Die Säure ist? Na? Seidig und reif wie fast alles in 2019, das Hefelager sorgt für Schmelz, der Boden für eine bockstarke Mineralität mit viel Druck. Der Scharlachberg 2019 von Kruger-Rumpf wirkt ebenfalls recht steinig und etwas dunkler, aber auch süßer am Gaumen mit dem Mehr an reifer weißfleischiger Frucht und ein wenig Exotik. Der Scharlachberg 2019 von Wagner-Stempel ist noch leicht reduktiv, rauchig und unruhig. Am Gaumen aber ist dieser Riesling intensiv und elegant, druckvoll und sehr steinig. Hier gibt es kaum Frucht, aber neben den zitrischen Aspekten ein paar rote Beeren, dazu Stein, Stein und Mineralität, die zupackt. Tatsächlich liefern sich Bischel und Wagner-Stempel hier ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Der Flight wird ergänzt durch den Hundertgulden 2019 von Bischel. Aus dem Heimatberg kommt ein Riesling, der sich in der Nase fast vollständig verschließt und nur ein wenig Stein, Trockenkräuter und Tabak freigibt. Am Gaumen wirkt er dann fast ein wenig weich und fruchtsüß, jedenfalls nicht so druckvoll und konsequent wie der Scharlachberg.
Nach dem Bereich Bingen folgt die Rheinfront. Den Auftakt bildet der Nackenheimer Rothenberg 2019 Riesling von Gunderloch. Der zeigt sich recht dunkel und steinig-rauchig, feinwürzig und kräutrig mit etwas Phenolik, pendelt dann am Gaumen sehr schön zwischen weißer und auch roter Frucht, vor allem finden sich Johannisbeeren mit Strünken, schön trocken mit austrocknendem Grip und mit Textur. Schließlich stellen sich wieder dieses Rauchig-Steinige und eine klare Mineralität ein – ein toller Auftakt in diesem Bereich Rheinhessens. Der Pettenthal 2019 von Gunderloch pendelt zwischen Rauch und leichter heller Frucht mit Kräutern. Am Gaumen ist der Wein etwas süßer als erwartet, doch das spielt nur auf der Zungenspitze eine Rolle. Dann wird es leicht ölig (typisch), kraftvoll, steinig, mit Druck sowie mit heller und wiederum auch rotbeeriger Frucht. Der Wein besitzt außerdem eine leichte Fülle. Der Pettenthal 2019 von Kühling-Gillot verbindet im Duft kühlen Rauch und Bierhefe mit Dope und Aromahopfen. Das liegt nahe beim Götzenberg 2018 von Schnaitmann und wirkt auch hier auf mich wie eine Labsal nach so vielen klassischen Gewächsen. Am Gaumen zeigt sich auch dieser Wein etwas weicher als erwartet, fast mit einer leichten Süße, die aus reifer Frucht und der seidig reifen Säure entsteht, die im Roten Hang zu diesem fast weichen Mundgefühl führt. Dabei ist der Wein sehr elegant, tief, ebenfalls kräutrig mit etwas Macchia dabei. Im Gegensatz zu anderen Jahren, wo der Pettenthal 2019 von Schätzel gerne einmal sehr abweisend wirkte, geht es in 2019 rauchig-steinig zu mit zitrischer Frucht. Der Wein ist aber auch mit einer leichten Cremigkeit ausgestattet, zeigt am Gaumen ebenfalls etwas leicht Hopfiges, ferner Kräuterwürze und herb zitrische wie auch pflanzliche Noten. Na ja, doch erst einmal weglegen. Kam noch der Pettenthal 2019 von St. Antony, wo sich ja in den letzten zwei Jahren sehr viel in eine neue Richtung getan hat. Letztes Jahr gab es deshalb noch ein „Oh“ und „Ah“, in diesem Jahr hat sich St. Antony einfach mit eingegliedert mit einem spannenden Riesling voller Spannung und Druck. Der Wein wirkt pur und angenehm ungeschminkt im Duft, am Gaumen mit leicht cremiger Textur und einer runden Säure, einer reifen Phenolik und feiner Würze genau in der Balance zwischen Spannung und Eleganz. Der Ölberg 2019 von Kühling-Gillot steht wie der etwas jüngere Bruder neben dem Pettenthal. Noch nicht ganz so reif und erwachsen, sondern etwas ungestümer mit einer kühlen und klaren Aromatik zwischen Kräutern, Petrol, Erde und Moos, Blüten und dunkler Steinigkeit. Am Gaumen zeigt der Wein Druck, Saft, Mineralität und Phenole samt einer fantastischen Länge. Der Ölberg 2019 von Kai Schätzel ist ebenfalls kräutrig und leicht floral mit sanften fruchtigen Noten. Er wirkt leicht medizinal und herb. Am Gaumen zeigt sich die für Schätzel typische Verschlossenheit der ersten Jahre. Der Wein wirkt kühl, leicht abweisend, herb, fast schlank wie Schätzels trockene Kabinette, zeigt Druck, aber erscheint aktuell noch ein wenig ungehobelt und etwas kurz. Den Hipping-Orbel-Flight habe ich ausgelassen, weil ich wie immer schauen musste, dass ich weiterkomme.
Tatsächlich begannen dann mit Gutzler und Wagner-Stempel die eigentlichen Rheinessen-Festspiele bis hin zu Wittmann, Battenfeld-Spanier und Keller. Der Riesling Liebfrauenstift Kirchenstück 2019 von Gutzler bildet dabei einen exzellenten Auftakt. Wo ich bei den 2017er Spätburgundern wirklich ein wenig enttäuscht war, schlägt das bei den Rieslingen ins Gegenteil um. Hier findet sich ein noch junger, etwas unfertiger Wein mit einer recht präsenten Phenolik, mit erdigen, steinigen und würzigen Noten in Verbindung mit einer schon recht saftigen Frucht und vor allem mit Säuredruck. Das kann sich sehen lassen. Der Heerkretz 2019 von Bischel wirkt leuchtend hell in seiner Anmutung von zitrischer Frucht und Steinobst, gerundet von Kernobst und einem Hauch an Exotik. Dahinter blitzt etwas Phenolik auf. Am Gaumen ist der Riesling saftig und reif, die Säure begleitet die Frucht sehr gut, dann wird es steinig, auch würzig und sehr lang. Das ist stark. Der Heerkretz 2019 von Wagner-Stempel wirkt dagegen zurückhaltender, etwas hefiger und phenolischer. Darüber liegen Blüten und eine zitrische Note. Am Gaumen ist dieser Riesling schon sehr balanciert und ausgewogen mit voller reifer Frucht, aber auch mit viel Stein. Durch dieses Bild fließt eine reife, lebendige und absolut präsente sowie klare Säure. Der Wein lebt schon jetzt von einer Spannung und Kraft, die sich in ihrer Gänze aber erst in ein paar Jahren zeigen wird. Das ist noch stärker als bei Bischel, wo ich wiederum den Scharlachberg vom Heimat-Terrain ein wenig spannender fand. Habe ich früher immer einen Heerkretz einem Höllberg vorgezogen, so hat diese Lage in den letzten Jahren aufgeholt und liegt in diesem Jahr für mich gleichauf, ja ich sehe sie aktuell sogar einen halben Schritt weiter vorne. Mit seiner tiefen Würze und dem herben Grapefruitabrieb, dieser dunklen und ganz leicht petroligen Anmutung ist der Höllberg 2019 schon im Duft sehr sexy. Am Gaumen verbindet der Wein die Wärme des Jahrgangs mit der reifen und lebendigen Säure, die aber zusammen mit der fast überbordenden Mineralik noch mehr Druck und Spannung erzeugt, als es der Heerkretz schon tut. Der Wein ist lang, voller Energie und Druck.
Weiter geht es in diesem beeindruckenden Reigen großer rheinhessischer Rieslinge mit dem Frauenberg 2019 von Battenfeld-Spanier. Bin ich schon von Daniel Wagners Performance schwer beeindruckt, legt H. O. Spanier nach den Kühling-Gillots bei seinen ureigenen Weinen noch einen drauf. Der Frauenberg zeigt zunächst eine feine Hefesüße zusammen mit Rauch, Stein und Kräutern. Am Gaumen liegt auf der Zungenspitze eine feine Fruchtsüße, die aber gar nicht stört, weil sie schnell von der tiefen Mineralität und der Säure eingefangen wird und der Wein dann von einer ausgesprochen grandiosen Klarheit und Eleganz geprägt wird. Er hat ein bisschen was vom Hopfen neben der Frucht, die auch schon in den Weinen vom Roten Hang zu finden war. Die Säure ist brillant und reif, dazu gibt es einen fein geschliffenen Gerbstoff am Gaumen. Großartig. Aber es wird gleich noch spannender. Der Riesling Aulerde 2019 von K. F. Groebe hat einen starken Auftritt. Der Wein ist fein in der leicht phenolisch begleitenden Frucht. Feine Hefeauszüge sind mit dabei, der Riesling ist sehr fruchtig, aber auch würzig und immer in der Balance und auch mit Druck. Im Finale wirkt er etwas zu fruchtbetont und reif, aber das kann sich noch einpendeln. Der Riesling Aulerde 2019 von Wittmann ist fein, würzig, leicht steinig, fast leise, aber eindringlich in seiner Balance. Am Gaumen ist der Wein glasklar, seidig, saftig, fast frisch mit feinen Blütennoten, die einhergehen mit einer hellen Frucht, mit Kräutern und dunklem Stein, der viel Mineralität mitbringt. Es ist auch hier alles eindringlich und belebt, lang, fest und vor allem voller Säuredruck und Energie. Das hört gar nicht auf. Das ist der schönste junge Aulerde-Riesling, den ich bisher von Philipp Wittmann im Glas hatte.
Es folgen drei Messweine. Das Kirchenstück 2019 von Battenfeld-Spanier zeigt im Auftakt viele Kräuter, etwas Hanf, etwas Hopfen, dann Frucht. Der Wein wirkt noch verschlossen, ist aber dabei irgendwie trotzdem brillant und klar in seiner präzisen Frucht und Säurestruktur. Auch dieser Wein ist eindringlich, tief, lang und mit so vielen Kräutern, mit heller Frucht, dunkler Würze bis hin zu Pfeffer gesegnet, dass es wirklich eine Wonne ist (Wonnegau, you know?). Das Kirchspiel 2019 von K. F. Groebehat vielleicht nicht die Tiefe, ist aber trotzdem überaus ansprechend. Es liegt zwischen den ganz großen Weinen von H. O. Spanier und Philipp Wittmann, würde aber in den meisten anderen Flights des Tages ganz weit vorne liegen mit der klaren Kräutrigkeit, der angenehm feinen Phenolik und der hellen Frucht. Die ist mir am Gaumen ein klein wenig zu süß, doch wird auch diese Süße eingefangen von einer wunderbar steinigen Würze samt Kräutern. Der Riesling wirkt zunächst auch dank der Süße sehr sanft, dreht aber im Finale auf und bildet einen exzellenten Übergang zum Kirchspiel 2019 von Wittmann. Das Kirchspiel ist zum Niederknien schön. Feine Würze, feine Frucht, so wunderbar zitrisch, aber nur wie ein Hauch, der vorüberzieht wie eine Brise. In der Tendenz ein Wein von Stein und Kräutrigkeit. Am Gaumen findet sich zunächst eine leicht verspielte Fruchtsüße, dann baut sich Druck auf, fast Schärfe durch die Steinigkeit, die 9-Volt-Batterie dieser präsenten Mineralik und auch durch die Säure, die sehr präzise wirkt. Der Wein kleidet den Mund aus mit seiner Phenolik, bleibt ewig lang am Gaumen stehen, bis er sich ganz langsam verflüchtigt, und man denkt mit Faust über diesen Augenblick: Verweile doch, du bist so schön!
Ja, solche Gedanken kommen einem, man ist angekommen, viel schöner kann es eigentlich gar nicht mehr werden. Und dann kommt der Flight, der den Rest der gesamten Probe in den Schatten stellt. Und das meine ich jetzt für fünf Weine aus dem Wonnegau, die gemeinsam ein Monument bilden. Das Brunnenhäuschen 2019 von Wittmann wirkt zunächst verhalten, dann vor allem fein, seidig, leicht kräutrig mit etwas Nana-Minze, zitrischen Noten und einer feinen grünen Ader. Am Gaumen dann wird es fordernd, kräftig, saftig, komplex, dabei fast kühl, brillant in der straffen Säure, wie sie nur selten in diesem Jahr so straff zu spüren ist. Der Wein ist mineralisch und elektrisierend, lang und druckvoll. Der Morstein 2019 von Gutzler wirkt zunächst recht reif in der Frucht und der Phenolik. Dann aber wird er mehr als beeindruckend mit dieser Intensität, mit der Säure und erst recht mit der markanten Textur. Saftig in der recht gelben Frucht samt dunklen festen Beeren, seidig den Mund auskleidend, fordernd und fest. Der Morstein 2019 Riesling von Keller wirkt rauchig, dicht und ebenfalls ungemein intensiv und unglaublich fordernd, druckvoll, auskleidend und saftig am Gaumen mit einer kühlen Präzisionssäure und der Energie des Kalkbodens. Das ist so druckvoll, so vibrierend und dazu noch so elegant. Wow! Der Morstein 2019 von Wittmann wirkt dagegen im ersten Moment fast schüchtern in der Nase. Fein ist er, elegant, seidig und zunächst ruhig dahinfließend. Doch dann bäumt sich die Säure auf, als habe jemand den Nachbrenner eingelegt. Da baut sich immens viel Druck auf, bahnt sich eine Schneise durch die weißfleischige Frucht auf einem Bett von Kalk und Kreide. Das ist druckvoll wie auch kraftvoll und bleibt doch immer finessenreich und elegant bis ins lange, wirklich lange Finale hinein. Tja, und danach beschließt man das Ganze mit keinem geringeren Wein als dem Zellerweg am Schwarzen Herrgott 2019 von Battenfeld-Spanier und kann dann nur noch Herrgott! in sich hineinflüstern, weil man einmal all diese Weine zusammen in einer Reihe probieren konnte. Ruhig und dunkel, steinig und mit durchdringender Mineralität, absolut klar und präzise in der noch schneidenden Säure, die Steinigkeit immens, die Energie noch höher. Ja, es ist ein schwarzer Wein, ein dunkler Gigant, der noch ganz am Anfang eines langen Lebens steht.
Was für eine Strecke! Nach allem, was ich bisher probiert hatte, ist das in seiner Gänze ganz sicher das Anbaugebiet mit der höchsten Dichte an gelungenen Weinen, und ich würde sagen, da hat die gesamte Riege auch wirklich den Titel Großes Gewächsverdient. Die Weine aus der Rheinhessischen Schweiz und vor allem aus dem Wonnegau sind in 2019 überragend.
Meine Empfehlungen an dieser Stelle:
Scharlachberg 2019 Riesling, Bischel (aktuell bei 93P)
Pettenthal 2019 Riesling, Kühling-Gillot (aktuell bei 94P)
Heerkretz 2019 Riesling, Wagner-Stempel (aktuell bei 94P)
Höllberg 2019 Riesling, Wagner-Stempel (aktuell bei 94+P)
Frauenberg 2019 Riesling, Battenfeld-Spanier (aktuell bei 95P)
Aulerde 2019 Riesling, Wittmann (aktuell bei 94+P)
Kirchenstück 2019 Riesling, Battenfeld-Spanier (aktuell bei 95P)
Kirchspiel 2019 Riesling, Wittmann (aktuell bei 95P)
Brunnenhäuschen 2019 Riesling, Wittmann (aktuell bei 95+P)
Morstein 2019 Riesling, Gutzler (aktuell bei 93P)
Morstein 2019 Riesling, Keller (aktuell bei 95+P)
Morstein 2019 Riesling, Wittmann (aktuell bei 96+P)
Zellerweg am Schwarzen Herrgott 2019 Riesling, Battenfeld-Spanier (aktuell bei 96P)
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Zunächst einmal: Danke für den sehr profunden, kritischen Bericht. Er ist der beste, den ich zu diesem Thema lesen konnte.
Jetzt ein Satz zur Kritik an den süßlich wirkenden Mosel-GG’s, ein Einwand, der ja auch GG’s aus anderen Anbaugebieten betrifft und sich wie ein roter Faden durch den fünfteiligen Bericht zieht. Ich muss vorausschicken, dass ich noch keine 2019 GG’s probiert habe, frage aber, was die Alternative wäre: frühere Lese, weniger Restzucker? Oder sind die Einwände nicht auch auf persönlichen Geschmack zurückzuführen? Zu fragen wäre auch, woher die Benchmark für GGs stammen soll? Von den Spitzenerzeugern in Rheinhessen oder der Nahe, die unter ganz anderen Bedingungen arbeiten als ihre Kollegen an der Mosel oder in Baden? Ferner könnte man auch bezweifeln, ob der sehr frühe Zeitpunkt der Verkostung eines sehr komplexen Jahrgangs wirklich so detaillierte Aufschlüsse liefert.
Weil gerade das Weingut Dr. Loosen in die Kritik gerückt ist: Die GG’s liegen ein Jahr auf der Vollhefe, in Wiesbaden wurden Fassmuster gezeigt. die Weine werden frühestens im November abgefüllt. Ich kann mich erinnern, wie ich vor einem Jahr Loosens 2018er GG’s verkostet habe: Die Weine trieften vor einer schwabbelig-süßen Üppigkeit, Lagenunterschiede waren kaum zu erkennen. Doch welch Wandel im Frühjahr dieses Jahres. Dieselben Weine waren kaum wiederzuerkennen, straff, mit fast knackiger Struktur und keineswegs eindimensional fruchtig-süßlich. Nun muss man diese Weine deshalb noch längst nicht mögen und man kann Ihnen auch den GG-Status absprechen. Nicht leugnen lässt sich jedoch, dass sie sich massiv verändert hatten. Ich schreibe das, weil ich meine, dass die Kritik nicht zu schnell urteilen sollte. Leider ist es aber so, dass im August die Bewertungen entstehen, die dann das lange Leben der Weine begleiten. Wenn ein Winzer wie Loosen etwa durch langes Hefelager auf Langlebigkeit statt auf den schnellen Erfolg setzt, gereicht ihm das kurzfristig bei manchen Kritikern (nicht bei allen) zum Nachteil. Das kanns ja auch nicht sein.
Herzlichen Dank für das positive Feedback und die kritische Auseinandersetzung.
Ich versuche mal gerade, die Fragen einzeln zu beantworten:
>Jetzt ein Satz zur Kritik an den süßlich wirkenden Mosel-GG’s, ein Einwand, der ja auch GG’s aus anderen Anbaugebieten betrifft und sich wie ein roter Faden durch den fünfteiligen Bericht zieht. Ich muss vorausschicken, dass ich noch keine 2019 GG’s probiert habe, frage aber, was die Alternative wäre: frühere Lese, weniger Restzucker?Oder sind die Einwände nicht auch auf persönlichen Geschmack zurückzuführen?Zu fragen wäre auch, woher die Benchmark für GGs stammen soll? Von den Spitzenerzeugern in Rheinhessen oder der Nahe, die unter ganz anderen Bedingungen arbeiten als ihre Kollegen an der Mosel oder in Baden?Ferner könnte man auch bezweifeln, ob der sehr frühe Zeitpunkt der Verkostung eines sehr komplexen Jahrgangs wirklich so detaillierte Aufschlüsse liefert.Weil gerade das Weingut Dr. Loosen in die Kritik gerückt ist: Die GG’s liegen ein Jahr auf der Vollhefe, in Wiesbaden wurden Fassmuster gezeigt. die Weine werden frühestens im November abgefüllt. Ich kann mich erinnern, wie ich vor einem Jahr Loosens 2018er GG’s verkostet habe: Die Weine trieften vor einer schwabbelig-süßen Üppigkeit, Lagenunterschiede waren kaum zu erkennen. Doch welch Wandel im Frühjahr dieses Jahres. Dieselben Weine waren kaum wiederzuerkennen, straff, mit fast knackiger Struktur und keineswegs eindimensional fruchtig-süßlich. Nun muss man diese Weine deshalb noch längst nicht mögen und man kann Ihnen auch den GG-Status absprechen. Nicht leugnen lässt sich jedoch, dass sie sich massiv verändert hatten. Ich schreibe das, weil ich meine, dass die Kritik nicht zu schnell urteilen sollte. Leider ist es aber so, dass im August die Bewertungen entstehen, die dann das lange Leben der Weine begleiten. Wenn ein Winzer wie Loosen etwa durch langes Hefelager auf Langlebigkeit statt auf den schnellen Erfolg setzt, gereicht ihm das kurzfristig bei manchen Kritikern (nicht bei allen) zum Nachteil. Das kanns ja auch nicht sein.<
Sie haben sicher gemerkt, dass ich die Weine von Doc Loosen nicht probiert habe. Ja, es steht außer Frage, dass diese Weine sich noch mal deutlich verändern. Wieviel Sinn es macht, jetzt darüber zu schreiben, kann man kritisch sehen. Es ist eine frühe Momentaufnahme. Und sie hilft vielleicht manchen, sich zu orientieren, da sie wegen Corona nicht die Chance haben, irgendwas zu probieren. Und bei manchen Weinen muss ja schnell sein, weil sie nach wenigen Tagen ausverkauft sind. Bei anderen dauert es länger.
Dass Loosens Weine Fassmuster waren in Wiesbaden, glaube ich nicht. Dort werden nur Weine angestellt, die auch veröffentlicht werden. Daher gibt es ja mittlerweile auch viele Weine, die erst im zweiten Jahr nach Lese dort angestellt werden. Die meisten seiner in Wiesbaden gezeigten Weine findet man auch als 2019er Jahrgang bereits im Handel, zum Beispiel bei Lobenberg.
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