Eindrücke von der Naturweinmesse RAW Winefair in London – Teil 1

Es war die zweite Ausgabe der RAW, die am 19.05. und 20.05.2013 in den alten Truman Breweries an der Brick Lane stattgefunden hat. Es ist nicht die einzige Messe für Naturwein in London – die andere Messe fand im März statt – es ist jedoch die deutlich größere und dürfte in dieser Form einzigartig sein.

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Was »That crazy french woman« Isabelle Legeron, MW hier auf die Beide stellt, ist für die Weinszene, die sich mit den Begriffen Bio, Biodynamie und Natural Wine auseinandersetzt, so erhellend wie horizonterweiternd. Es lohnt sich, von Deutschland aus aufzubrechen, um zumindest einen Teil der 160 Aussteller kennenzulernen, die vornehmlich aus Italien und Frankreich stammen, jedoch in kleiner Anzahl auch von der iberischen Halbinsel gekommen sind, aus Österreich, Slovenien, Kroatien oder Ungarn und auch von Übersee. Nur aus Deutschland hat genau ein Winzer den Weg gefunden – sieht man mal von Dominik Huber ab, der mit seinen im Priorat erzeugten Weinen jedoch in spanischen Teil gelistet ist. Es ist eigentlich eine Schande, wenn man bedenkt, wie gut der deutsche Wein ist, auch der Biowein, auch der Wein, der so naturnah wie möglich erzeugt wird, hinter dem eine Idee steht, die der Idee der RAW nahe kommt. All das gibt es in Deutschland. Anscheinend jedoch hat es bei uns niemand nötig, oder traut sich nicht auf unbekannte Märkte. Dominik Huber sagt, das Publikum, das aus Endkunden und Händler besteht, sei so informiert und kompetent, wie er es auf noch keiner anderen Messe bisher erfahren hätte. Für ihn sei diese Messe bisher die interessanteste. Und wohl gemerkt, die Standgebühren sind ausgesprochen gering. Hier stehen Winzer, die gerade einmal ihren ersten Jahrgang vinifiziert haben und die selbstverständlich noch keinen Importeur in England haben. Doch wo, wenn nicht in London (und New York und Paris) ist Platz für deutsche Weine, die den Ideen der RAW folgen? Hier geht es um Weine, die eine besondere Präsenz haben sollen, die möglichst ein authentisches Bild des Ortes wiedergeben sollen, auf denen die Reben gewachsen sind. Hier geht es darum, transparent zu kommunizieren, in welcher Art der Wein entsteht, hier geht es weniger darum, bestimmte Gruppen einzuschließen und andere auszuschließen. Es ist ziemlich offen, und das sehe ich als Chance, und nicht so, das schnell wieder welche bemängeln, das hätte ja nicht Hand und Fuß, weil es keine Statuten gibt.

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Die Messe zeigt ein komplexes Bild der Naturwein-Szene. Sie reicht von den harten Biodynamikern wie Nicolas Joly über Orangewine-Produzenten über Amphoristen und Terroiristen bis hin zu ziemlich normalen Winzern, die schlichtweg guten Wein erzeugen wollen und gemerkt haben, mit welchen Mitteln sie das am besten hinkriegen. Die Qualität der angebotenen Weine reicht von untrinkbarem, fehlerhaftem, teils krautigem, teils hochoxydativem Stoff, den ich einfach nicht mehr trinken mag über ziemlich leckere, unintellektuelle Saufweine und gelungene Experimentalweine zu einer kleinen Handvoll Ausnahmeweine, wie es beispielsweise die von Terroir al Limit sind, oder die von La Baronne und Foradori, oder die von Sepp Muster oder Le Cos Perdus, um nur einige zu nennen. Es ist also in dieser Hinsicht eine ganz normale Messe, bis auf den Umstand, dass die Quote an Fehlern doch höher liegt als normal.

Ich fasse mal zusammen, was mich auf dieser Messe bewegt hat und lasse die Ärgernisse aus, denn Blame findet auf diesem Blog nicht statt.

Alte Bekannte
Es sind mindestens vier Weingüter, die ich unter dieser Kategorie subsumieren würde, von zwei Weingütern habe ich selbst Weine verkauft. Aus dem Süden Frankreichs empfehle ich die Weine vom Château La Baronne. Dieses Weingut wird in Deutschland vom Bioimporteur Riegel vertreten und vinifiziert exzellente, tiefe und komplexe Rotweine. Der Pièce de Roche, ein reinsortiger Carignan von 120 Jahre alten Reben war für mich einer der Stars der Winefair. Ein Weingut, das ich sehr gerne mag auf Grund seiner klassischen und unprätentiösen toskanischen und gut bepreisten Weine ist Colombaia, geführt von Helena und Dante Lomazzi. Die beiden sympathischen Winzer hatten ein paar Weine, gereifte Rote und einen exzellenten leicht restsüßen weißen Schaumwein dabei, die ich ausgezeichnet fand.

Unten rechts, Dante Lomazzi von Colombaia

Unten rechts, Dante Lomazzi von Colombaia

Nachdem ich Dominik von Terroir al Limit und seinen Weinen vor einiger Zeit in Hamburg über den Weg gelaufen bin habe ich ihn bei Alois Lageders summa getroffen, jetzt hier und in zwei Wochen wieder auf der Hausmesse von vinaturel, ebenfalls in Hamburg. Der Arme ist viel unterwegs, er macht Weine, die erklärt werden müssen, die einen neuen Stil bieten, der mit dem althergebrachten Stil des Priorat nicht mehr allzuviel zu tun hat. Ein alter Bekannter ist auch der Istrier Mladen Rozanic, der in seinem Weingut Roxanich einen sehr eigenen Stil erzeugt hst und im Rahmen der Orangewine-Bewegung bekannt geworden ist. Der Chardonnay Milva gehörte für mich zu den interessantesten Weinen der Ausstellung. Es wären noch ein paar andere alte Bekannte aufzuzählen – Château Le Puy oder Château Arnauld, champagne Tarlant und andere, deren Weine ich einfach nicht probiert habe, da es zu viele Weine gab, die Vorrang hatten.

Weine, die ich immer mal gerne probieren wollte
Eines der vielen Weingüter, die ich bisher in Brüsseler Weingeschäften entdecken durfte ist Clot de l‘Oum. Lèia und Eric Monné führen ihr Weingut im katalanischen Teil des Roussillon, am Fuße der Pyrenäen in Bélesta. Die weit verstreuten Weinberge liegen auf 400 bis 700 Metern Höhe und reichen von Granit über Gneiss bis Schiefer. Ich mag ja nicht nur die klaren Etiketten in diesem besonderen Grünton, ich fand auch ihre Weine exzellent. Besonders hervorzuheben sind La Compagnie Des Papillons, ein feiner, reifer roter aus Carignan und Grenache, der gerade einmal 12% Alkohol besitzt. Saint Bart, ein Wein von hundert Jahre alten Reben wurde zu gleichen Teilen aus Grenache, Syrah und Carignan vinifiziert und gefiel mir noch besser als die pfeffrig-würzige Nummero Uno des Hauses.

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Mit einer ganz eigenen Stilistik sind die Sancerres von Sébstian Riffault gesegnet. Er zeigt bei seinen Terroir-Weinen Auksinis und Skeveldra, wie sich unterschiedliche Böden auf den Wein auswirken. Sie sind in ihrem Charakter komplett unterschiedlich, wurden aber im Prinzip gleich behandelt: späte Lese, geringe Erträge, keine filtration, kein zugegebener Schwefel. Die beiden Weine – und auch der mit leichtem Schwefel behandelte Brot und Butterwein Les Quarterons – zeigen eine Aromatik vom Sauvignon Blanc, die ich sonst noch nirgendwo probiert habe.

Sepp Muster, seine Weine und ein Etikett von Andreas Tscheppe

Sepp Muster, seine Weine und ein Etikett von Andreas Tscheppe

Bewusst anders schmecken natürlich ebenso die beiden Orange-Sauvignon Blancs von Sepp Muster. Die Gräfin wird einige Wochen auf den Häute gelassen und besteht zu 100% aus Sauvignon, die Erde wird ungewöhnlicherweise im Tongefäß verkauft und liegt genauso ungewöhnlicherweise ein Jahr lang auf den Traubenhäuten. Dass diese Cuvée aus Sauvignon und Morillon (Chardonnay) nicht total freakig schmeckt, dürfte dem besonderen Händchen des Winzers zu verdanken sein, der ebenso besondere wie elegante Weine herstellt. Das wurde auch bei seinen etwas, na, sagen wir normaleren Sauvignons deutlich, die in drei verschiedenen Höhenlagen wachsen und für sich vinifiziert werden. Das ist besonderer, hochklassiger Sauvignon. Nur wenige Stände weiter  konnte ich die exzellenten Gelb- und Goldmuskateller von Andreas Tscheppe probieren. Auch das ist schlicht großartiger Stoff.

Riffault

In Teil 2 geht es die Tage weiter mit Neuentdeckungen alte Welt, neue Welt und ein paar weiteren Impressionen von der RAW. Hier geht es zu Teil 2.

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