In diesem Teil geht es um die weißen Großen Gewächse aus 2018
Es ist eine gute Tradition, dass der Verband Deutscher Prädikatsweingüter (im Folgenden VDP) Ende August zu einer Verkostung für eine knapp dreistellige Anzahl nationalen wie internationalen Fachpublikums einlädt, das über Wein schreibt, ihn bewertet, ihn verkauft oder ihn in der Gastronomie anbietet. Hinzu kommen einige Personen, die privat so viel Wein kaufen, dass auch sie zu den Gästen zählen. Diese Veranstaltung ist das wohl bestorganisierte im Jahreskreislauf. So war es auch in diesem Jahr wieder – trotz Corona. Worum geht es dabei? Es geht um Weine Großer Lagen, um die so genannten Großen Gewächse. Was das überhaupt heißt, aber ich hier von ein paar Jahren mal erläutert.
Von den drei Tagen, an denen 477 sogenannte Große Gewächse (im Folgenden GG) präsentiert wurden, konnte ich an zwei Tagen intensiv verkosten. Was dort als Große Gewächse bezeichnet wird, sind jedoch eigentlich Weine aus Großen Lagen. Dies sollte man im Hinterkopf behalten. Wie ich bereits im letzten Jahr geschrieben habe, ist die Menge der vorgestellten Weine viel zu groß, zumal die Qualität mancher Weine zu wünschen übrig lässt – obwohl es natürlich eine nicht geringe Zahl exzellenter Weine gibt. Wären lediglich Große Gewächse vorgestellt worden, hätte man die anderen Weine aus der Phalanx der Besten entfernen können. Da diese Weine aber aus zertifiziert Großen Lagen stammen, ist das leider nicht möglich, weil die Mitglieder des VDP letztendlich einen Anspruch darauf haben, auch aus diesen Lagen Weine vorstellen zu dürfen. Dieser Widerspruch, dass es Weine gibt, die zwar aus potentiellen Grand-Cru-Lagen stammen, aber höchstens Premier-Cru– oder Village-Qualität haben, lässt sich daher nicht leicht auflösen, wenn die entsprechenden Betriebe es nicht selber einsehen, dass sie bestimmte Weine eher herunterstufen sollten. Es würde dem Ruf der GGs guttun, wenn weniger Weine als GGs bezeichnet würden. Ich bin mir da recht sicher und kann das nur immer wieder betonen. Dabei möchte ich auch betonen, dass ich großen Respekt pflege gegenüber den Winzern, ihrem Handwerk und den Herausforderungen im Jahreskreislauf. Die Kritik, die ich äußere, halte ich trotzdem für angebracht, weil es hier um eine Veranstaltung geht, die einige der besten trockenen Weine Deutschlands zeigen soll – und weniger ist halt manchmal auch mehr.
Kommen wir zu den Weinen. Die ersten Fragen, die mir immer gestellt werden, wenn ich von der Vorpremiere der Großen Gewächse berichte, sind: Wie ist er denn nun, der Jahrgang 2019? Was ist das Besondere, und ist er besser als 2018? Das kann man letztlich nur nach dem beurteilen, was man als Momentaufnahme im Glas hatte – wir wissen ja mittlerweile, dass Jahrgänge im Laufe der Zeit so manche Kehrtwende machen können – und das tue ich in gewisser Weise auch. Während 2018 ein für deutsche Verhältnisse heißer und vor allem trockener Jahrgang war, war 2019 lediglich sehr warm, aber nicht ganz so trocken. Während vergleichsweise viele 2018er Weine durch vom Trockenstress der Reben stammende Bitternoten geprägt waren, habe ich das bei den 2019ern kaum irgendwo bemerkt. Stattdessen habe ich aber viel häufiger recht fruchtsüß wirkende Weine im Glas gehabt. Besonders bei Moselweinen war das der Fall, tendenziell auch bei Weinen von der Nahe. Wenn man diese Weine für sich trinkt, ist das keineswegs störend, wenn man hingegen Dutzende probiert, schon eher. Zudem ist der 2019er Jahrgang gerade an der Mosel von einer deutlichen Apfelaromatik geprägt, die einem bewusst werden lässt, was es nicht alles an Apfel gibt: grün, gelb, rot, knackig, weich, mürbe, braun, gärend, trocken, sauer, süß, saftig, getrocknet usw. All das kommt vor. Was 2019 auch ausmacht, ist eine Säure, die sehr viele dieser Weine – vor allem natürlich die Rieslinge – besonders sexy wirken lässt. Die Säure ist reif, sehr präsent, aber durch die Reife kaum einmal spitz, sondern eher süffig wirkend. Zudem betont sie in diesem Jahrgang die potentiell vorhandene Mineralität. Diese besonders deutlich ausgeprägte, aber immer auch seidige Säure ist der eigentliche Star des Jahrgangs, und man schmeckt diese Säure über alle deutschen Anbaugebiete hinweg. Das ist der auffälligste Vorteil gegenüber vielen 2018er Weinen, die ich letztes Jahr durchweg kaum niedriger bewertet habe. Das wird auch von einigen 2018er GGs unterstrichen, die ein Jahr länger auf der Hefe lagerten und erst in diesem Jahr präsentiert wurden.
Hier also eine Zusammenfassung zu den Weißweinen aus 2018:
Silvaner 2018
Bei den vereinzelten weißen 2018ern, die ich im großen Feld der 2019er Präsentation probiert habe, gab es Licht und Schatten. Zuerst der Schatten: Die 2018er Silvaner hatten mir schon letztes Jahr im Wesentlichen nicht sonderlich gefallen. Diese Rebsorte kann auf Säure nicht gut verzichten. Der Riesling hat es da ein bisschen leichter. Insofern konnten mich Weine wie der Julius-Echter-Berg 2018 Silvaner und der Kammer 2018 Silvaner von Wirsching wenig beeindrucken. Sie wirkten fast etwas wässrig am Gaumen, die Frucht kompottig, die Säure weich. Der Rothlauf Silvaner 2018 von Bickel-Stumpf war geradezu süß und warm, was ich bei Silvaner nicht besonders schätze. Im Gegensatz zum Rothlauf fand ich den Mönchshof Silvaner 2018 allerdings beeindruckend gut mit seiner tabakigen Note, mit Stein und Minze sowie einer Säure, die zwar reif ist, aber immer noch Druck bietet. Sehr angenehm ist der Grip am Gaumen, ferner die lebendige Mineralität, der Stein und das Kräutrige. Das ist ein fordernder Wein und sicher mit der Beste der Silvaner-GGs 2018 aus Franken. Ebenfalls hat mich der Hohenroth 2018 Silvaner von Störrlein Krenig beeindruckt, die in diesem Jahr ihr VDP-Debut gegeben haben. Sie erreichen es, das üppig Cremige und Fruchtige mit einer Säure zu kombinieren, die quasi durch die Hintertür einfällt und das Mineralische gleich mitbringt. Im Finale wirkt der Wein dann zunehmend trocken, und mit der Steinigkeit verbindet sich auch hier eine Würze von blondem Tabak. Das ist sehr gelungen. Neben vier 2019er aus dem Lumpen, hat Egon Schäffer einen 2018er präsentiert. Der Am Lumpen 1655® 2018 Silvaner zeigt sich mit einer Mischung aus Ananas (vom Holz?), Birnen- und Quitten-Kompott auf einer Cremeschnitte. Am Gaumen zeigt sich eine leicht beißende Säure, die noch nicht integriert ist und vielleicht auch vom Holz kommt. Dabei ist der Wein durchaus saftig und lang.
Chardonnay 2018
Von den zwölf vorgestellten Chardonnays stammen zwölf aus Baden. Es ist das bisher einzige Anbaugebiet, in dem der Chardonnay als GG zugelassen ist, und ich würde mir wünschen, dass ein paar andere Anbaugebiete nachzögen, um möglicherweise ein höheres Niveau zu erreichen. Was hier vorgestellt wurde, war sicher kein Grand Cru oder Großes Gewächs, weder von 2018 noch von 2019. Die einzigen wohltuenden Ausnahmen waren die von Julian (Bernhard) Huber. Dem Bienenberg 2018 Chardonnay und dem Schlossberg 2018 Chardonnay fehlen zwar in 2018 auch die letzten Gramm an Säure und damit der entsprechende Druck, aber es sind hervorragende Vertreter dieser Sorte. Die flintige Reduktionsaromatik fährt Julian Huber glücklicherweise zunehmend in einen Bereich zurück, den ich eher als elegant bezeichnen würde denn als überwältigend, wie es in anderen Jahren schon mal der Fall war. Der Bienenberg zeichnet sich vor allem durch eine grüne bis gelbe Zitrusaromatik aus und durch ein wenig weißen Pfeffer. Am Gaumen hat der Wein Substanz, Saftigkeit und eine gute Säurestruktur. Der Wein erzeugt Druck, ist lang, kraftvoll und bietet bis ins Finale die frische Zitrusaromatik zusammen mit ein wenig Steinsalz. Der Schlossberg hat ein deutliches Mehr an Flint und Rauch zusammen mit Meyerzitrone und etwas Kräutersud. Am Gaumen ist der Wein druckvoll, hell und klar mit einer prägnanten zitrischen Säure und gut eingebundenem Holz. Er wirkt leicht seidig, ist enorm druckvoll, mundfüllend und hat viel Kraft. Der Kirchberg 2018 Chardonnay von Franz Keller war ein Wein, den man sich gerne vorsetzen lässt. Das ist Chardonnay, den ich, würde ich mich im Burgund bewegen, als besseren Village eingestuft hätte. Das Holz ist nach meinem Geschmack deutlich zu plakativ, wenn auch von guter Qualität, der Wein leicht rauchig, die Frucht im knackigen Kernobstbereich, die Säure seidig, aber präsent – insgesamt ein Chardonnay, der leicht fordernd und ebenfalls elegant ist. Was dann kam, war einem GG schlichtweg nicht angemessen. Das gilt für den Heinberg 2018 Chardonnay von Heitlinger, den Doktorgarten 2018 Chardonnay vom Staatsweingut Freiburg, den Winklerberg „Pagode“ 2018 Chardonnay von Stigler, den Winklerberg Hinter Winklen „Gras im Ofen“ 2018 Chardonnay von Dr. Heger und das Sonnenstück 2018 Chardonnay von Blankenhorn. Ich schreibe das nicht, weil die Weine etwa nicht gut wären. Sie sind jeweils für sich sogar recht ansprechend, aber „ansprechend“ ist schlicht nicht das, was man von einem GG erwartet. Ich habe auch gar nichts gegen Lernkurven, wenn sie notwendig sind. Aber vielleicht sollte man die lieber außerhalb des Große-Gewächse-Bereiches vollziehen. Man könnte aus einem solchen Wein eine Chardonnay Réserve machen oder etwas in dieser Richtung, das würde einem Wein dieser Art, dem es an Spannung und Tiefe fehlt, deutlich gerechter werden.
Weißburgunder 2018
Beim Weißburgunder gab es ein etwas ausgewogeneres Verhältnis von Licht und Schatten. Schon recht fortgeschritten wirkten auf mich der Kirchberg 2017 Weißer Burgunder sowie der Henkenberg 2017 Weißer Burgunder von Salwey. Der Kirchberg ist in der Nase schon recht weit, am Gaumen dann süß und salzig mit vollreifer Melone und Orange, dabei leicht pikant. Er ist insgesamt ein recht ausgewogener Wein im Gegensatz zum Henkenberg, der irgendwo zwischen zitrischen Noten, unreifer Ananas und dazu passender leicht beißender Säure pendelt und seine Balance wohl nicht mehr finden wird. Der Karthäuser 2018 Weißer Burgunder vom Juliusspital Würzburg zeigt einen recht deutlichen Holzeinsatz. Doch dazu passen Kraft und Körper. Die stecken das weg. Das ist ein Weißburgunder, der vielleicht lieber ein Chardonnay geworden wäre. Der Wein zeigt eine druckvolle Säure und ist balanciert – und das ist gut. Der Kirschgarten 2018 von Philipp Kuhn pendelt zwischen Gummi und Knallplättchen. Man kann nur erahnen, was sich dahinter verbirgt. Der Wein braucht noch Zeit, so kann man hoffen. Aktuell verschwindet er noch recht schnell im Nirwana, wenn er vom Gaumen runter ist. Beim Weilberg 2018 Weißer Burgunder von Rings gibt es auch ordentlich Reduktion, aber hier wirkt sie eher angenehm und lässt auch noch andere Nuancen zu, so etwa in der Nase Rauch, Talkumpuder, ein wenig weiße und zitrische Frucht. Am Gaumen ist er sehr saftig, frisch und hellfruchtig, hat Zug und Länge, ist im Finale herb mit recht viele Apfelschalen. Der Mandelberg 2018 Weißer Burgunder von Bergdolt • Klostergut St. Lamprecht hat für mich schon leichte Alterungsnoten, ist gelb- und weißfleischig mit heimischem Obst und Melone, recht cremig und auch recht pudrig wirkend mit zunächst satter Frucht am Gaumen. Auch hier ist die Reife deutlich und wirkt zunächst etwas üppig. Dann aber findet der Wein die Kehrtwende und wird immer steiniger und lebendiger mit etwas Grip am Gaumen.
Für Baden war 2018 eine große Herausforderung. Das merkte man nicht nur beim Chardonnay, sondern auch beim Weißen Burgunder. Die Baßgeige „Leh“ 2018 Weißer Burgunder von Franz Keller sticht da angenehm heraus, wirkt absolut klassisch und old school mit Eleganz und wie immer mit einem gekonnten und nicht gerade kleinlichen Holzeinsatz. Der Wein ist reif, üppig, saftig und im Finale sogar mit einer angenehm druckvollen Säure ausgestattet. Der Doktorgarten 2018 Weißer Burgunder vom Staatsweingut Freiburg wirkt saftig und reif mit einem Fruchtcocktail vom Frühstücksbuffet, hat aber ein kratziges Grün im Finale. Da wurde vielleicht zu früh gelesen. Das beschert dem Wein aber zumindest eine robuste Säure. Der Winklerberg „Pagode“ 2018 Weißer Burgunder von Stigler dagegen schmeckt unangenehm nach gekochtem Gemüse mit etwas milchsauer Vergorenem. Soll das so sein? Wie bekommt man dafür eine AP-Nummer? Der Winklerberg Hinter Winklen „Gras im Ofen“ 2018 Weißer Burgunder von Dr. Heger wirkt schlicht müde, ihm fehlt bei aller Üppigkeit in der exotischen Frucht die Säure – zumal er neben einem 2019er aus gleichem Hause steht. Stattdessen wirkt er eher laktisch und hefig.
Doch kommen wir abschließend zu etwas ganz anderem: Der Gips Marienglas® 2018 Weißer Burgunder von Aldinger ragt bei den Pinot blancs so weit heraus wie die Weine von Huber beim Chardonnay. Das ist mal ein Großes Gewächs, das den Namen auch verdient, noch reduktiv mit Gummi und Rauch, dann aber in der Nase schon seidig und saftig wirkend, am Gaumen ausbalanciert zwischen saftiger Frucht, gekonntem Holzeinsatz und reifer, prägnanter Säure. Da findet sich eine leicht schneidende Säure, wie man sie vom Chardonnay kennt: alles in allem ein Wein mit Druck, Festigkeit, Grip und einer Trinkfluss fördernden Salzigkeit im langen Finale. Es ist der einzige 2018er Weißburgunder, der bei mir deutlich die 90er-Marke überspringt.
Riesling 2018
Es gab einige wenige 2018er Rieslinge von der Mosel. Es begann mit dem Uhlen „Roth Lay“ 2018 Riesling von Heymann-Löwenstein. Ich muss gestehen, der Wein hat mich zwar nicht abgeholt, hat aber definitiv seine Qualitäten. Er wirkt recht warm und füllig, zwar mit recht viel Würze, aber auch mit einer etwas fleischigen und leicht süßlichen Frucht. Die Säure ist rund. Allerdings ist der Wein insgesamt ausgesprochen lang und elegant mit einer fast rotbeerigen Frucht und einer minzigen Frische. Die Würze zieht sich bis in die letzte Verästelung des langen Finales. Der Marienburg „Fahrlay“ 2018 Riesling von Clemens Busch zeigt weiß- und gelbfleischige Noten, etwas Würze, etwas Lanolin, Kernobst und nassen Schiefer mit Trockenkräutern, Erde und Rauch. Am Gaumen dann steht er den 2019ern in nichts nach. Die Säure ist druckvoll, dabei reif, die Würze ist beeindruckend, der Wein hat enorm viel Kraft, ist präsent, klar und frisch und dabei immer dunkel-würzig. Der Marienburg „Falkenlay“ 2018 Riesling zeigt etwas Senfsaat, dann Stein, eine leichte Würze, Lanolin, etwas Speck und viele getrocknete Gartenkräuter. Am Gaumen ist der Wein kraftvoll und sehr würzig mit etwas süß und würzig wirkendem Lardo di Colonnata, der auf der Zunge zerfließt. Dann wird es wieder trocken und zwischenzeitlich sogar kühl. Die Säure wirkt etwas reifer als beim Fahrlay, aber immer noch klar und griffig. Der Marienburg „Fahrlay-Terrassen“ 2018 Riesling schließlich fließt dahin wie die Mosel in ihrem Bett: ruhig, entspannt und mit einem seidig reifen Gefühl am Gaumen, typisch für die 2018er Säure. Auch wirkt der Wein sehr lebendig, wenn auch weicher. Weißfleischiges Obst dominiert, dazu etwas Grapefruitschale, zum Finale hin immer mächtiger und kraftvoller werdend mit Tabak-Würze und Druck. Dann erwacht auch die Säure zum Leben und bleibt präsent bis ins lange Finale. Der Kupp 2018 Riesling Versteigerung des Weinguts von Othegraven ist ein ausgesprochen ungewöhnlicher Wein, den ich jetzt noch nicht hinreichend einschätzen kann. Er duftet zitrisch und cremig, sehr elegant, leicht süß und reif nach Lemon Curd mit etwas blonden Tabak und Gestein. Am Gaumen wird die Wärme des Jahrgangs klar. Der Riesling wirkt zunächst recht reif in der Frucht, ist aber trotzdem mit einer beeindruckend straffen Säure gesegnet, die erst im Finale so richtig präsent wird und einhergeht mit Salz, Saftigkeit, Mineralität und Länge. Versteigerung … wer ein bisschen zum Zocken neigt, sollte ihn vielleicht ersteigern. Ob er groß wird oder abfällt, kann ich noch nicht recht beurteilen.
Aus Württemberg kommen der Götzenberg 2018 Riesling sowie der Lämmler 2018 Riesling von Rainer Schnaitmann. Ich mag ja diesen immer wilderen Stil des Rainer Schnaitmann. Das sticht sowas von heraus! Das schmeckt nach teilweiser Maischegärung und riecht wie ein GG auf Dope und auf jeden Fall sehr nach Natur mit einem Hauch von flüchtiger Säure. Ich kann gar nicht sagen, wie gut das tut, wenn man so viele Weine probiert, die in ihrer Machart doch ausgesprochen klassisch sind. Am Gaumen zeigt sich ebenfalls diese leichte Dope-Note, ferner etwas Hopfen, eine reife und mürbe Apfelfrucht und eine seidige Säure. Der Lämmler steht dem kaum nach mit seiner Sportzigarette und dem Apfelmost. Natürlich ist die Säure reif und in gewisser Weise weich, aber man hat den Eindruck, dass die Mineralität das ausgleicht, weil die so elektrisierend wirkt. Der Wein verfügt über Tiefe und hat auch eine besondere Präsenz, die mit dem Grip und einer Maischegärungstextur einhergeht und salzig endet. Der Pulvermächer -Berge- 2018 Riesling von Jochen Beurer ist ebenso geprägt von einem eigen(willigen) Stil. Recht reif ist er in 2018 und auch recht rund, es fehlt mir etwas die Spannung und Dichte gegenüber dem Vorgänger. Und doch findet sich auch hier diese mineralische Lebendigkeit im Finale, die einen sehr schönen Eindruck hinterlässt.
Beim Kammer 2018 Riesling von Andrea (Hans) Wirsching komme ich nochmal auf die Säure-Problematik der 2018er Frankenweine zurück; denn die Wirsching-Silvaner haben mich nicht überzeugt. Der Riesling gefällt mir hingegen viel besser, er ist eher zurückhaltend, dabei aber durchaus elegant, kräuterig und leicht steinig. Er ist nicht auf der fruchtigen, sondern eher auf der erdigen Seite.
Wenn wir nun in die Pfalz kommen, geht es um die Weine vom Reichsrat von Buhl, die alle aus 2018 stammen. Es war ja klar, dass die sich verändern würden nach dem Weggang des Gespanns Richard Grosche und Mathieu Kauffmann. Aber das, was ich nun probiert habe, ist teilweise haarsträubend. Pechstein, Ungeheuer, Reiterpfad, Jesuitengarten … Es roch mal mehr, mal weniger nach Diacetyl, nach UTA, nach Milch, Walnuss – und war meilenwert von den Bewertungen entfernt, die diese Weine als Fassproben bei Robert Parker bekommen hatten. Da ist irgendwas sehr schief gelaufen, entweder mit den vorgestellten Proben oder mit den Weinen an sich.
Was für eine Erholung sind da die Weine von Peter Jakob Kühn aus 2018. Der Jungfer 2018 Riesling duftet recht hell und hopfig, dann wird es tabakig, kräutrig, wild mit ein paar Apfelschalen, Waldboden, Moos und Pilzen. Am Gaumen ist der Wein saftig und hell, mit zitrischer und apfeliger Frucht, hinzu kommt dann ein wenig Stein, Salz, Blüten und die Würze vom Duft. Beim Doosberg 2018 Riesling wird es rauchig. Es riecht also nach Rauch, auch nach Zitrone, Hefe und Hopfen. Auch hier wirkt es so, als sei das Wilde gerade auf dem Weg, domestiziert zu werden. Das hat Druck und Biss, ist packend und trotzdem irgendwie auch in sich ruhend und entspannt, überaus energiegeladen und lebendig. Beim Lenchen 2018 Riesling geht es ebenso wild, aber doch balancierter zu. Der Wein wirkt leicht phenolisch, hefig, ist ausgestattet mit Apfelschalen, Chinin und Zitrone vom Tonic Water mit all dem Herben, das dazugehört. Sie Säure ist reif, aber ungemein lebendig, sodass man hier kaum auf 2018 kommt. Das ist ein Stoff, der stark heraussticht und für mich die Spitze im Rheingau bildet – mal wieder.
Bleiben noch die 2018er von der Nahe. Caroline Diel liefert mit ihrem Burgberg 2018 Riesling ein famoses Großes Gewächs, einen Giganten, der noch ruht und schläft. Aber nichtsdestotrotz ist es ein Gigant in stählerner Ritterrüstung. Der Wein zeigt sich intensiv, ist aromatisch kühl, leicht salzig und rauchig mit viel Spannung. Der Bastei 2018 Riesling und auch der Hermannsberg 2018 Riesling vom Gut Hermannsberg zeigen eine satte Frucht mit einer gewissen Fruchtsüße. Dabei sind sie recht kompakt und am Gaumen mit viel Grip ausgestattet. Was vorne betont fruchtig und reif wirkt, wird hinten raus immer fester, würziger und mineralischer. Das ist eine nicht zu verachtende Melange. Der Bastei wirkt unterm Strich etwas kräutriger und steiniger, der Hermannsberg etwas dunkelwürziger und gleichzeitig exotischer.
Meine Empfehlungen an dieser Stelle:
Mönchshof Silvaner 2018, Bickel-Stumpf (aktuell für mich bei 92P)
Schlossberg 2018 Chardonnay, Bernhard Huber (aktuell für mich bei 93P)
Gips Marienglas® 2018 Weißer Burgunder, Aldinger (aktuell für mich bei 92P)
Weilberg 2018 Weißer Burgunder, Rings (aktuell für mich bei 91 bis 92P)
Marienburg Fahrlay 2018 Riesling, Clemens Busch (aktuell für mich bei 92P)
Götzenberg 2018 Riesling, Schnaitmann (aktuell für mich bei 91P)
Lenchen 2018 Riesling, Peter-Jakob Kühn (aktuell für mich bei 95P) und die anderen Kühn 2018er
Burgberg 2018 Riesling, Diel (aktuell für mich bei 93P)
Hier geht es zu
kein rheinhessen?
Es waren keine weißen 2018er aus Rheinhessen angestellt. Die roten 2018er kommen im zweiten Teil, die weißen 2019er dann im dritten.
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