Das, was das Wein-Reisen ausmacht ist ja, dass man tatsächlich die Weinregionen noch einmal anders oder vielleicht überhaupt erst versteht. So erging es mir mit Marlborough und dessen Sauvignon Blanc. Denn dieses Gebiet ist, ich erwähnte es bereits, letztlich mit einem ganz bestimmten Sauvignon-Blanc-Stil bekannt geworden und der war und ist so erfolgreich, dass er mit Marlborough quasi gleichgesetzt wird. Die Weinmacher in Marlborough aber sind schon ein ganzes Stück weiter als und das so auf der anderen Seite der Erdhalbkugel vorkommt. Denn das, was wir als Marlborough-Sauvignon-Blanc kennen ist eine Form der Terroirs. Eines Terroirs, um genau zu sein. dieses Terroir setzt sich zusammen aus der besonderen Bodenstruktur und des Mikroklimnas im Wairau Valley und einer bestimmten Machart im Keller. Hier trifft Sauvignon Blanc auf ein altes Flussbett samt typischer alluvialer Schwemmböden mit Flusskiesel. Das Tal ist Richtung Meer hin kühler und windiger als Richtung Inland wo auch die Böden etwas grob-kiesiger sind. Über das ganze Tal hinweg entsteht intensiv tropisch-fruchtiger Wein der, wenn die die Sauvignon-Blanc-Stöcke noch jung sind, noch zusätzlich die stark pyrazinhaltigen, grünen Aromen einbindet. dies alles wird beim typischen Marlborough-Sauvignon-Blanc ziemlich kalt vergoren, was das Tropische noch fördert.
Neben dem Wairau Valley gibt es aber noch ein paar andere Gegenden in Marlborough, und die dortigen Gegebenheiten lassen einen ganz anderen Sauvignon Blanc entstehen. Ein gutes Beispiel dafür ist das Awatere Valley. In diesem Bereich, der am Südrand von Marlborough liegt, habe ich ein wirklich spezielles Weingut besucht. Es heißt Yealands, wie sein Gründer Peter Yealand und es zeigt, was man leisten kann, wenn man eine konkrete Idee von nachhaltigem Wirtschaften hat.
Peter Yealands hat dort vor einigen Jahren Land gekauft. Das dürfte nicht so teuer gewesen sein denn es war trocken, unbepflanzt und nur von einigen Schafen bewohnt. Es ist eine ganze Menge Land, das er sich dort zugelegt hat und so stehen heute 1.000 Hektar unter Reben. Es sind 1.000-Hektar Single-Vineyard mit 1.6 Millionen Rebstöcken auf 4.000 Kilometer Rebzeilen, die sich über die Hügel ziehen. Und weil Peter ein ordentlicher Mensch ist hat er sie auch nicht einfach so wild wachsen lassen sondern er hat sich ein Instrument gebaut (er macht Vieles einfach am liebsten selbst) mit dem er mit Hilfe von GPS-Koordinaten die Rebzeilen genau abstecken konnte, so dass sie sich wie die 6. römische Legion in Schlachtordnung über die Hügel ziehen.
Die Perfektion, mit der er beim Anbau ans Werk gegangen ist, hört hier jedoch längst nicht auf. Denn Peter Yealand wollte nicht irgendein Weingut errichten sondern er wollte das nachhaltigste Weingut errichten, das es bis zu diesem Zeitpunkt gab. Als er am 08.08.08 (sic!) das Weingut offiziell eröffnete war es bereits carboNZeroCertTM zertifiziert. Was heißt das konkret vor Ort? Zunächst einmal hat man dort, wo es vorher nur Steppe gab, Flora und Fauna implementiert (200.000 Pflanzen) und eine ganze Reihe größerer Teiche geschaffen, aus denen sich im Zweifel auch der Weinberg bewässern lässt, ohne dass das Grundwasser angezapft werden muss.
Neben der großflächigen Ausstattung mit Sonnenkollektoren (die größte in Neuseeland mit 297 Panels und 133.000kWh pro Jahr), einer eigenen Wasseraufbereitungsanlage oder dem Einsatz von Bio-Kraftstoff in landwirtschaftlichen Geräten werden beispielsweise sämtliche Rebschnitte gesammelt, gepresst und als Brennmaterial für den Winter verwendet. Alles, was im Weingut, aber auch im Vorfeld bei den Zulieferern und auch nachher beim Verschiffen passiert, wird in den Carbon-Footprint mit aufgenommen und das Weingut arbeitet von „cradle to grave“ CO2-neutral. In den Weinbergen liegen heute die größten Komposthaufen Neuseelands, mit dem der Weinberg gedüngt wird, der in diesem Jahr die Öko-Zertifizierung erhält. Anderthalbtausend Schafe bearbeiten den Weinberg. Es ist eine kleine Rasse, die nicht an die Trauben kommt, so dass sie das ganze Jahr über grasen kann. Unterstützt werden sie von Kunekune-Schweinen und jeder Menge Hühner, die beide effektiv als Schädlingsbekämpfer arbeiten.
Wer jetzt meint, ich würde hier ungefiltert eine Werbebotschaft abtippen, liegt falsch. Aber ich habe mir das Weingut einen Tag lang angesehen und bin bis heute begeistert, mit welcher Konsequenz dort gearbeitet wird. Das habe ich, vor allem in dieser schieren Größe sonst noch nirgendwo gesehen. Wer also mal in Marlborough aufschlägt, sollte dieses Weingut definitiv einen Besuch abstatten und sich selbst überzeugen.
Der Weinberg beginnt übrigens direkt oberhalb des Pazifik. Hier im Awatare District – Awatare bedeutet auf Maori schneller Strom – ist es im Weinberg deutlich kühler, trockener und windiger als in denWeinbergen des Wairau Valley. Dies führt, zusammen mit der Bodenbeschaffenheit von alluvialem Schwemmland mit Kies und Löss zu einer anderen Typizität denn durch das Klima sind die Beeren kleiner, dickschaliger und verfügen, was z.B. den Sauvignon Blanc angeht über ganz andere Aromen. Nimmt man zum Beispiel den Yealands Single Vineyard Sauvignon Blanc 2014 als Beispiel und geht davon aus, dass die Kellertechnik ähnlich wie bei typischen Marlborough-Sauvignons abläuft, dann hat man hier viel mehr Guave, Johannisbeere, Kräuter und Zitrus statt der typischen Wairau-Maracuja.
Die Weine bei Yealands sind klar und typisch gemacht. Man erkennt die neuseeländisch-australische Schule der Weinmacherin Tamra Kelly-Washington. Hier findet man saubere Kellertechnik mit typisch kühler Vergärung und Reinzuchthefen. Auch wenn diese Weine größtenteils nicht meiner persönlichen Neigung entsprechen, gefallen mir doch speziell die Estate Single Blocks und der Gemischte Satz aus Riesling, Pinot Gris und Gewürz. Als Kritiker würde ich auch die anderen Weine hoch bewerten, weil sie einfach gut gemacht sind. Ich weiß, dass ich mit dem ausgezeichneten Material, das dort im Keller angeliefert wird, anders umgehen würde, aber das ist Geschmacks- und nicht Qualitätssache.
Auf jeden Fall hat mich der Besuch bei Yealands sowohl der Sauvignon-Blanc-Lagen-Diversität von Marlborough näher gebracht als auch der Idee von Sustainability, von der ja in Neuseeland allerorts die Rede ist. Und, um es noch einmal zu sagen, die Konsequenz dort hat mir stark imponiert.
In Neuseeland:
Teil 1: Auckland, Waiheke und die Bucht von Man O’ War
Teil 2: Einige erste Gedanken zum neuseeländischen Weinbau
Teil 4: In Hawke’s Bay bei Craggy Range und Elephant Hill
Teil 5: In Hawke’s Bay bei Trinity Hill und Sileni
Teil 6: In Martinborough bei Ata Rangi
Teil 7: In Martinborough und Gladstone
Teil 8: In Nelson bei Woollaston und Neudorf
Teil 9: In Marlborough, bei Johanneshof, Greywacke, Dog Point
Teil 10: In Marlborough, über Sauvignon Blanc, einen Besuch bei Yealands und die Nachhaltigkeit
Teil 11: In Marlborough mit Framingham und Seresin
Teil 12: In Marlborough mit Huia, Hans Herzog, Fromm
Teil 13: In Marlborough mit Clos Henri, Te Whare Ra und Rockferry
Teil 14: A Day Off (Von Marlborough nach Canterbury)
Teil 15: In Canterbury, Pegasus Bay
Teil 16: In Canterbury, Black Estate, Pyramid Valley
Teil 17: In Central Otago, Rippon, Quarz Reef
Teil 18: In Central Otago, Burn Cottage und Felton Road
Die Reise erfolgte auf Einladung und wurde mit mir und nach meinen Wünschen hervorragend organisiert von:
[…] damit nicht nur eine Ansammlung von Floskeln ist, habe ich am Beispiel von Yealands erläutert. Dieses Weingut ist natürlich ein Leuchtturm in der Konsequenz, wie dort gearbeitet wird, aber es […]