Je weiter ich in den Süden Neuseelands vordringe, desto höher wird die Dichte an biodynamisch arbeitenden Betrieben. Das liegt vor allem daran, dass die Weinbaugebiete trockener, kühler und durchlüfteter sind als im Norden. Der Pilzdruck in den Weingärten ist erheblich geringer. Allerdings dürfte es auch daran liegen, dass viele der Weingüter kleiner sind und hier ein wenig mehr Risikobereitschaft herrscht. Zwei dieser Betriebe besuche ich noch in Canterbury, bevor es dann weitergeht nach Central Otago.
Black Estate
Ursprünglich wurde das Weingut Black Estate 1993 von Russell und Kumiko Black gegründet. Acht Hektar wurden mit Pinot Noir und Chardonnay, später zusätzlich mit Riesling bepflanzt. 2007 haben Nicholas und Penelope Naish den Besitz übernommen und sukzessive auf biologisch-organischen Landbau mit deutlichen biodynamischen Einflüssen umgestellt. Der Betrieb ist nach BioGro zertifiziert. Leider blieb auf meiner Reise nur Zeit für ein Mittagessen mit Penelope im Restaurant des Weinguts. Die Weine, die ich dazu probiert habe, waren ausgezeichnet. Leider sind sie meines Wissens nach bisher nicht in Deutschland erhältlich, was sich dringend ändern sollte.
Der mittlerweile auf drei Weingärten mit insgesamt 24 Hektar erweiterte Beitrieb bietet neben Pinot und Chardonnay außerdem Chenin Blanc (yes!), Riesling und eine Rosé-Cuvée aus Pinot Noir und Chardonnay. Der Netherwood Rosé ist ein Field Bland, die beiden Rebsorten stehen gemischt in einem 0.8 Hektar-Block im Netherwood Vinyard. Der Wein ist in diesem Jahr zum ersten Mal erschienen. Probieren konnte ich ihn bisher noch nicht.
Wohl aber den 2014 Riesling, der bei Black immer halbtrocken ausgebaut wird. Geprägt wird er von einer glasklaren Säure und entsprechender Frische, leichtem Petrol und Botrytis, wie es so typisch ist für Down-Under-Rieslinge. Dazu kommt eine komplexe Aromatik, die an einen Korb unterschiedlicher Zitrusfrüchte, Äpfel und Aprikosen erinnert. Die Reben stehen im Wesentlichen auf Sandstein und Kalkstein. 30% Botrytis prägen den Riesling. Der hat 10 Gramm Restzucker, eine Säure von 7,2 Gramm und einen pH-Wert von 3,42. Der Alkohol liegt bei 11,5%.
Cremiger, mit weniger Säure aber über 40 Gramm Zucker ausgestattet ist der Home Chenin Blanc 2014. Er hat eine angenehme eigene Note, tendiert aber Richtung Old-School-Chenin von der Loire. Üppige Frucht von Pfirsich, Birne, etwas Honig, Botrytis spielt mit rein, füllig am Gaumen und doch mit genügend Säure ausgestattet, um nicht zu breit zu werden, ein schöner Essensbegleiter zur Fusionküche, wie man sie in Neuseeland häufig findet. Fusion im Sinne von europäischer, modern Londoner Küche und asiatischen Einflüssen. Der Chenin Blanc steht auf dem 0,5 Hektar Home Block, nördlich ausgerichtet mit Ton-Lehm-Boden mit Kalziumkarbonat. Der Alkoholgehalt liegt bei schlanken 13%, die Säure bei 4,5 Gramm, der pH-Wert bei stolzen 3.75.
Der eigentliche Fokus der Weingüter in dieser Gegend liegt aber beim Chardonnay und Pinot Noir. Und wieder hat mich auch hier der Chardonnay geflasht. Im Gegensatz zu fast allen anderen Rebsorten hat sich die Anbaufläche im Laufe der letzten 10 Jahre nicht erhöht, sondern leicht verkleinert. Dabei gehört die Sorte von Kumeu ganz im Norden bis zu Felton Road im Süden mit zum Attraktivsten, was Neuseeland zu bieten hat. Nach dem Montrachet-ähnlichen Pegasus Bay Chardonnay teigt sich Black Estates Chardonnay 2014 schlanker und sehr fokussiert. Gerade einmal 9% neues Holz verwendet Nicholas für diesen Wein, der reduktiv ausgebaut wird, spontan vergoren (natürlich) und erst einmal eine schöne flintstone-Nase offeriert. Was dann kommt ist sehr sexy: gelbe Pflaume, etwas Quitte, viel Grapefruit und reife Zitrone, Lemo-Curd, ein Touch Vanille und Kokos (auch wenn kein amerikanisches Holz verwendet wurde), dazu ein Touch Exotik (Mango, Ananas). Am Gaumen diese für Neuseeland-Chardonnay so typische, vor allem dem Mendoza-Klon zu verdankende Frische, Viel Grip am Gaumen, komplexe Aromenstrukturen, schwebend leicht einerseits, ganz ernsthaft andererseits mit einer sehr guten Länge. Der Chardonnay steht auf den gleichen Böden wie der Chenin, die Menfoza-Stöcke sind wurzelecht, dry-farming von Anfang an, lediglich 1998 wurde einmal bewässert. Der Chardonnay wurde mit Stilen gepresst, vor allem in gebrauchten Puncheons vergoren, der Wein hat eine volle Malo mitgemacht und wurde nach acht Monaten auf Flaschen gezogen. Der Alkoholgehalt liegt bei 13%, die Säure bei 6, der Zucker bei 3.7 und der pH-Wert bei 3,27.
Ein ähnliches Kick-Ass-Feeling gab es beim Damsteep Pinot Noir 2013. Der Weingarten hieß früher Spye Omihi, liegt auf 160 Meter Höhe im Nordosten von Waipara und wird von einer Mischung aus Ton, Sandstein und Kalkstein geprägt. Der Wein hat einen moderaten Alkohollevel von 13%, der pH-Wert liegt bei 3,61, die Säure bei 5,1 und der Zucker bei 0,4. 94% der Reben wurden entrappt, 80% wurden als ganze Trauben vergoren. Nach einem üblichen viertägigen Cold-Soaking, also einer kühlen Vorgärung wurde spontan vergoren. Dabei gärt ein kleiner Teil der Trauben im Weingarten an und wird dann in die Fermenter gekippt. Die Gärung lief über 12 Tage, nach 33 Tagen wurde abgepresst und der Pinot spundvoll in altes Holz gelegt. Der Pinot präsentiert sich dunkel und erdverbunden mit viel Unterholz, schwarzer Kirsche, Pflaume, Oliventapenade, schwarzem Tee, Waldpilzen und Kräutern. Am Gaumen zeigt sich die Säure und in angenehmer Weise der relativ moderate Alkoholgehalt. Der Wein ist natürlich noch ganz jugendlich. Er ist wunderbar frisch und hat eine gute Länge.
Das Weingut ist für den deutschen Markt noch zu haben. Weinhändler, greift zu, es lohnt sich. Außerdem haben sie ein Lager in Belgien.
Pyramid Valley
Im Gegensatz dazu hat Pyramid Valley, das ich als nächstes besucht habe, in Zukunft einen deutschen Anbieter, auch wenn es noch nicht offiziell ist. Pyramid Valley ist das Projekt von Mike und Claudia Elze Weersing. Er kommt aus den USA, sie ursprünglich aus Norddeutschland. Pyramid Valley ist das Ergebnis einer langen, fast krankhaften Suche nach dem richtigen Ort, um große Pinots und Chardonnays zu machen. Mike hat sein Handwerk vor allem im Burgund beim Who is who der dortigen Winzerszene gelernt. Wenn man das hinter sich hat, will man mit dem eigenen Weingut nicht auf einen viel tieferen Level. Mike hat dann, ab 1996 bei Tim und Judy Finn bei Neudorf gearbeitet, was zu den besten Weingütern Neuseelands zählt, hier nachlesen.
Der eigene Weinberg jedoch hat ihn nie losgelassen und daher ist er mit Claudia so viel wie möglich durch die Gegend gefahren. Mit Gegend meinte er die ganze Weinwelt. Er hat überall Bodenproben genommen und sie von einem französischen Institut analysieren lassen. Claudia sagte mir, er hätte darüber fast alle Freunde und schließlich auch fast sie selbst verloren, denn irgendwann hatte auch sie, trotz aller ursprünglichen Begeisterung einfach keine Nerven für das ständige Herumreisen und Suchen. Einige der letzten Bodenproben waren die aus dem Pyramid Valley. Und es war nicht zu spät, um nach 15 Jahren Suche endlich zu beginnen.
Die beiden haben das Weingut 2000 eröffnet. Die Rebstöcke sind alle wurzelecht, vorher war dort eine Viehweide, die Böden haben nie Chemie gesehen und der Weinberg und die Farm, die die beiden zusätzlich bewirtschaften und in der sie mittlerweile über 20.000 Pflanzen gesetzt haben, wurde von Beginn an biodynamisch bewirtschaftet. Ich muss gestehen, ich war noch selten an einem Ort, der so beeindruckend war. Er liegt abgeschieden von der Zivilisation. Die kleinen Flächen unter schützenden Netzen tauchen unvermittelt auf und liegen dort wie zufällig abgelegt. Inmitten der Vertiefung liegt ein See, aus dem zur Not Wasser für die Weinberge geschöpft werden kann. Das ist aber seit Jahren nicht passiert. Besucht habe ich die das Weingut Anfang März. Seit Dezember hatte es nicht geregnet und doch war der Boden feucht, fühlte sich exzellent an, roch gut.
Vier Weine entstehen auf vier kleinen Flächen, die zusammen 2,2 Hektar ausmachen und nie weiter als 400 Meter voneinander entfernt liegen. Zwei sind mit Chardonnay und zwei mit Pinot bestockt. Claudia hat die Weine nach dem benannt, was dort als Kraut wächst: Earth Smoke steht für Erdrauch, eine Pflanze aus der Familie der Mohngewächse. Der Angel Flower Block wurde nach den dort vorkommenden Engelstrompeten benannt, gleichzeitig findet sich dort viel Schafgarbe, die sich in den Präparaten, die im Weinberg ausgebracht werden, wieder findet. In beiden Gärten steht Pinot Noir mit einer Pflanzdichte von ca. 11.000 Stöcken. Zusammen mit dem Bell Hill Vineyard, der nur unweit entfernt liegt, sind das die bisher einzigen Pflanzungen in Neuseeland, die so extrem burgundisch ausfallen.
Auf dem Lions Tooth Vineyard, wo Löwenzahn wächst und auf dem Field of Fire, zu Deutsch Kriech-Quecke, steht ähnlich dicht gepflanzt, Chardonnay.
Auf den Fotos mit den Bodenproben sieht man die Unterschiede, die sich im Boden auftun. Man findet in diesem Bereich von Canterbury Ton-Lehm, Lehm, steinigen Ton-Lehm, Schluff-Lehm, sandigen Lehm, Kalk-Lehm, Kalkstein, kreidigen Kalkstein, Mergel und Sandstein. Vier unterschiedliche Kombinationen aus Ober- und Unterboden repräsentieren die vier Weine von Pyramid Valley.
Vom exponiertesten Teil des Weinguts stammt der Angel Flower Pinot Noir. Der Boden ist deutlich kalkhaltig. Hier entsteht der leichtere, ja schwebende Pinot. Extrem saftig die roten Beeren, Kirschen vor allem, dazu erdig, steinig, Unterholz, Kräuter der Provence, Rote Beete, etwas Eisen vielleicht. Enorm frisch, dabei konzentriert und voller Energie, feines Tannin, kühl. Ca. 15% neues Holz, ansonsten Ausbau in altem Holz und Amphore. Malolaktik ja, Schönung und Filtrierung nein, kaum Schwefel.
Earth Smoke steht auf dichtem Ton-Lehm-Kalk-Gemisch, was den Pinot deutlich dunkler und erdverbundener macht, als den Angel Flower. Sehr erdig, fleischig, Wildbret, rote und noch mehr schwarze Beeren, Pfeffer, feinste Tannine, tolle Länge, feine violett-farbene Blumennoten liegen über den dunklen Noten von Erde und Waldbeeren.
Der Field of Fire Chardonnay steht auf dem schwersten Ton-Gemisch des Weinguts. Entsprechend opulent und buttrig zeigt er sich. Gleichzeitig schwingt dort aber eine mineralisch-salzige Frische im Orchester von Steinobst und Orangen mit, die sich gewaschen hat. Ausbau ohne neues Holz, seidige Textur, süße Noten wie Lemon-Curd-Gebäck, dabei insgesamt aber trocken. toll.
Beim Lions Tooth Chardonnay zeigt sich ein völlig anderes Bild. Dieser wächst auf einem Boden mit hohem Kalkstein-Anteil. Der Wein zeigt sich viel schlanker, kühler, in der Aromatik leichter, Lime ist der englische Begriff für Kalkstein und Limette. Das zeigt sich hier. War der Field of Fire von warmen Orangen-Noten geprägt ist es hier eher Limette und noch mehr Grapefruit mit einer entsprechend kühleren Säure. Dazu kommt eine leicht salzige Note, Blüten, etwas Nuss. Wunderbar schwebend.
Neben den Weinen vom Homeblock vinifiziert Mike ein Growers Collection. Er pachtet also in unterschiedlichen Teilen Neuseelands bei befreundeten, ähnlich konsequent arbeitenden Winzer bzw. Weinbauern Zeilen, die er für sich bewirtschaftet und ausbaut. diese Weine sind deutlich günstiger als die der Home Collection. Die raren Weine der Home Vineyards liegen bei 120 NZ-Dollar und sind rar. Zwischen 50 und vielleicht 250 Kisten werden von den vier Weinen erzeugt.
Vier Weine habe ich probiert. Der Calvert Vineyard Pinot Noir der Growers Collection stammt vom Calvert Vineyard, dem vielleicht bekanntesten Weingarten in Central Otago, der vor allem durch Felton Road berühmt wurde. Der Central Otago Pinot unterscheidet sich fundamental von denen anderen, bisher probierten. Er ist dunkel, würzig, rauchig, hat einen süßeren Kern und ist sehr erdverbunden. Der Moteo Ridge Chenin Blanc stammt aus Hawke’s Bay und spielt schön mit der Restsüße. Sehr französisch mit Apfel, vor allem Birne und Steinobst, leicht samtig am Gaumen, stoffig und rund. Der Howell Family Vineyard Cabernet Franc aus Hawke‘s Bay offeriert Johannisbeeren, Himbeeren, etwas rohes Fleisch, Rauch, Mokka und Toast (obwohl kein neues Holz genommen wurde). Der Cabernet hat keinen Schwefel gesehen.
Unterm Strich war das der interessanteste Kurzbesuch, den ich je in einem Weingut gemacht habe. Ich hatte nur etwa drei Stunden und ich hätte länger bleiben wollen. Der Ort ist einzigartig, ich fühlte mich abseits der Zivilisation wie in einer Parallelwelt. Die Menschen sind in einer besonderen Weise verrückt wie sympathisch und liebenswert. Und ich möchte vor allem von den Home-Vineyard-Weinen gerne je eine kleine Kiste im Keller haben, irgendwann.
In Neuseeland:
Teil 1: Auckland, Waiheke und die Bucht von Man O’ War
Teil 2: Einige erste Gedanken zum neuseeländischen Weinbau
Teil 4: In Hawke’s Bay bei Craggy Range und Elephant Hill
Teil 5: In Hawke’s Bay bei Trinity Hill und Sileni
Teil 6: In Martinborough bei Ata Rangi
Teil 7: In Martinborough und Gladstone
Teil 8: In Nelson bei Woollaston und Neudorf
Teil 9: In Marlborough, bei Johanneshof, Greywacke, Dog Point
Teil 10: In Marlborough, über Sauvignon Blanc, einen Besuch bei Yealands und die Nachhaltigkeit
Teil 11: In Marlborough mit Framingham und Seresin
Teil 12: In Marlborough mit Huia, Hans Herzog, Fromm
Teil 13: In Marlborough mit Clos Henri, Te Whare Ra und Rockferry
Teil 14: A Day Off (Von Marlborough nach Canterbury)
Teil 15: In Canterbury, Pegasus Bay
Teil 16: In Canterbury, Black Estate, Pyramid Valley
Teil 17: In Central Otago, Rippon, Quarz Reef
Teil 18: In Central Otago, Burn Cottage und Felton Road
Die Reise erfolgte auf Einladung und wurde mit mir und nach meinen Wünschen hervorragend organisiert von:
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[…] Ort zu tun hat. Das letzte Mal, dass mich ein Ort so fasziniert hat, bei Pyramid Valley in Neuseeland, war es ebenfalls so ein strikter, aus dem tiefen Inneren heraus […]