Auf ins südlichste Weinbaugebiet der Erde! Weiter weg von Hamburg geht es nicht, zumindest, was Wein angeht. 45 Grad Süd ist die Richtung, auf 220 bis 300 Meter Höhe wird Wein angebaut. Central Otago ist damit das höchstgelegene Weinbaugebiet Neuseelands.
Wo früher Obstbäume standen –es ist hier so ähnlich wie in Marlborough und Hawke’s Bay – wird heute auf knapp 2.000 Hektar Wein angebaut. Davon entfallen 1.500 Hektar auf Pinot Noir. Dazu kommen 226 Hektar Pinot Gris, etwas Riesling, Chardonnay und, weit abgeschlagen, Sauvignon Blanc. Central Otago gehört schon heute zu den renommiertesten Pinot-Anbaugebieten der Weinwelt. Dabei kann man eigentlich nicht von einem speziellen Central-Otago-Typ sprechen. Dafür sind die Subappellationen Gibbston und Wanaka, Bannockburn, Bendigo, Cromwell/Lowburn/Pisa sowie Alexandra zu unterschiedlich. Das betrifft sowohl das Klima, als auch die Bodenstrukturen.
Begonnen habe ich meinen letzten Reiseabschnitt in Queenstown. Die Gebietshauptstadt am Lake Wakatipu (Siehe auch die Mini-Serie „Top of the Lake“ von Jane Campion) birst mittlerweile vor Urlaubern. Vor allem die Chinesen kommen an Wochenenden für Kurztripps herübergeflogen. Für die sechs Kilometer vom Flughafen in die Stadt braucht es über eine Stunde. Immerhin, nach einem langen Tag in Canterbury (Regionaltasting, Black Estate, Pyramid Valley und der wolkenfreie beeindruckende, tiefe Flug über die Berge), habe ich den Abend frei. Am nächsten Tag geht es zum nächsten Regionaltasting auf die Chard Farm. Diese gehört zur Subregion Gibbston und liegt etwa 24 Kilometer den Kawarau River hoch, der bei Queentstown in den Lake Wakatipu fällt. Die Schlucht mit ihrem opaken Wasser direkt unterhalb der Chard Farm, diente diversen Szenen aus dem Herrn der Ringe als Kulisse während einen Kilometer weiter flußaufwärts bei AJ Hackett seit 26 Jahren Bungy gesprungen wird – es ist der Geburtsort des Bungy.
Das Regionaltasting zeigt sehr schnell, wo hier der Hammer hängt. Pinot Gris, Chardonnay und Riesling zeigen viel frische, klare Säure. Die Pinots lassen sich stilistisch in drei Gruppen aufteilen. Die Pinots aus Cromwell, Bendigo und Bannockburn zeigen sich dunkel, fast schwarz mit einem ebensolchen Fruchtspektrum von Blaubeeren und Brombeeren mit etwas Waldboden und vor allem Thymian und einem Hauch von weihnachtlichen Gewürzen. Man findet den Duft praktisch in jedem Wein aus diesen Subregionen. Die drei Subregionen sind deutlich wärmer als beispielsweise Gibbston, wo ich mich gerade aufhalte.
Entsprechend zeigen sich die Weine aus Gibbston und übrigens auch aus Wanaka, das ich nach dem Regionaltasting besuchen werde, heller, rotbeeriger und kühler. Alexandra, ein ganzes Stück weit abgelegen im Südosten, präsentiert sich wieder anders, eleganter und feingliedriger. Wie unterschiedlich das Klima ist, zeigt sich, wenn man Queensstown und Alexandra gegenüber stellt. Im Mittel verfügt Queenstown über 1.921 Sonnenstunden im Jahr während dort 913mm Regen fällt. In Alexandra scheint die Sonne etwa 2024 Stunden und es fallen nur 360mm Regen. Das gesamte Gebiet ist deutlich geprägt von hohen Tagestemperaturschwankungen, die ja immer für eine gewisse Frische und kräftige Aromatik sorgen. Das meiste Wasser regnet sich an den Alpen ab und sorgt dafür, dass die Gefahr eines Pilzbefalls gering bleibt. Sicherlich ist das ein Grund dafür, dass es hier ausgesprochen viele biologisch und vor allem biodynamisch arbeitende Betriebe gibt.
Rippon
Knapp 80 Kilometer geht es durch die Berge, bevor sich der Blick wieder in die Weite öffnet und auch der sonst eher selten so bewölkte Himmel wieder aufreißt. Der Blick von oben auf die Weinberge von Rippon, auf Ruby Island, den Wanaka Lake und die dahinter liegenden Berge ist nicht umsonst einer der meistabgedruckten, wenn es um neuseeländische Weinberge geht. Es ist einfach ein Traum. Rippon gehört zu den ältesten biodynamisch arbeitenden Betrieben Neuseelands und auch insgesamt zur Gründergeneration des neuseeländischen Weinbaus. Es war Rolfe Mills, der 1975 die ersten Rebstöcke gepflanzt hat. Er tat dies auf der Farm, die seine Familie seit einigen Generationen bewirtschaftete. Rolfe hatte während des Zweiten Weltkriegs auf U-Booten der Royal Marine gedient und hat mit einem der Schiffe irgendwann Portugal erreicht, wo er am Douro sah, dass dort Reben auf ähnlichen Böden angebaut wurden, wie er sie zu Hause hatte. Mitte der 1970er, also zu einer Zeit, wo noch so gut wie niemand wieder an Weinbau in Neuseeland dachte, pflanzte er dann die ersten Reben auf der Rippon-Farm, die nach der Vorfahren der Familie benannt ist. Er experimentierte bis in die beginnenden 1980er, ging dann mit Frau und drei Kindern für ein Jahr nach Frankreich, um noch mehr dazu zu lernen, kam zurück und pflanzte 1982 den ersten kommerziellen Weinberg. Rippon gehört damit zu den ältesten Central-Otago-Wineries. Während der Experimentier-Phase zeigte sich, dass Pinot Noir und Riesling auf den Schieferböden am besten funktionieren.
Seit 2003 ist Rolfes Sohn Nick mit dabei. Nick gehörte zu den besten Skifahrern Neuseelands und war bereits mit 19 Mitglied des nationalen Freestyle Teams. Er konnte sich beste Hoffnungen auf einen Medaillenplatz bei den Olympischen Winterspielen in Nagano 1998 machen, verunglückte aber bei einem Wettbewerb kurz vorher und musste seine Ski-Karriere an den Nagel hängen. Dafür ging er dann nach Frankreich, studierte Oenologie in Beaune und arbeitete danach unter anderem bei Romanée-Conti und Jean-Jacques Confuron. Keine ganz schlechten Adressen, um sich das passende Rüstzeug für Pinot Noir drauf zu packen. Ähnlich wie auch bei Romanée-Conti werden seit langer Zeit biodynamische Prinzipien angewandt. Mit dafür verantwortlich war der Österreicher Rudi Bauer, der in den 1980ern Jahren Teil des Teams war und sich später mit Quarz Reef in Bendigo selbständig gemacht hat. Zeit für mich hatte an diesem Nachmittag Assistant Winemaker Brett Radington, mit dem ich nicht nur den Weinberg und die verschiedenen Komposte besucht, sondern auch die Weine probiert habe. Und da gibt es bis heute eben vor allem Riesling und Pinot Noir.
Der Rippon Mature Vine Riesling 2012 wird gerade einmal in einem Volumen von 600 Kisten hergestellt. Die alten Stöcke reichen tief in den Schiefer hinein, der Riesling wird (natürlich) spontan vergoren und reift lange, etwa anderthalb Jahre im Edelstahl. Am Gaumen hoch aromatisch mit Limonenschalen einerseits und Apfelstrudel andererseits. Etwas Petrol in der Nase wie bei fast allen Rieslingen aus Neuseeland (und Australien), viel Kraft, Tiefe und eine gute Länge. Schön auch die Schieferkomponente, die einen direkt an die Mosel denken lässt auch wenn der Wein stilistisch dem Elsass näher ist. Der Rippon Mature Vine Riesling 2010 zeigt noch mehr Zitrone und Stein. Dazu gibt er sich etwas breiter mit deutlicherer Süße, sehr konzentriert, pur und lang. Ein starker Riesling.
Das Pendant zum Riesling ist der Rippon Mature Vine Pinot Noir, den ich aus den Jahren 2012 und 2010 probiert habe. Er stammt von einem der ältesten Weinberge der Gegend. Dort findet sich Konglomerat-Gestein auf Schiefer. Die Pinot-Reben sind wurzelecht. Der 2012er lag 17 Monate im Holz, 30% davon neu, ein Teil der Trauben wurde whole-bunch vergoren. Er ist nicht wirklich dunkel in der Farbe, nicht so wie die Bendigo- oder Bannockburn-Pinots. Eher noch ein Kirschrot mit dunklen Reflexen. Der Pinot ist kein Kraftprotz, nein, er wirkt eher fein, subtil, cremig, mit feinem Tannin. Dunkler und etwas würziger, dabei genauso pur und komplex der 2010er. Der Lesezeitpunkt war genau richtig, hier findet sich kein allzu süßer Kern, nichts Ausuferndes, dafür eine klare, reife Säure.
Zwei für Neuseeland wirklich seltene Weine gibt es hier übrigens auch in kleinsten Mengen: Eine Riesling-Sylvaner-Cuvée names Osteiner sowie einen Gamay Noir. Beide konnte ich bei dem Besuch leider nicht probieren weil ausverkauft.
Quarz Reef
Abgeholt hat mich dann nach einer Probe noch älterer Rieslinge kein Geringerer als der schon erwähnte Rudi Bauer samt Billy Jean. Es ging vom abseits gelegenen Wanaka entlang wassertragender Flüsse (im Rest des Landes waren die ja alle ausgetrocknet, ich erwähnte es bereits) in Richtung Bendigo. In dem 1862 als Goldgräberdorf gegründeten Ort, liegt die Quarz-Ader Neuseelands. Und auf dieser Ader stehen Rudis Pinots.
Der Mann kommt aus Österreich, doch hat es ihn bereits Mitte der 1980er Jahre nach Neuseeland verschlagen. Damals gab es noch kaum Weinbau. Ausgesucht hat er sich damals, als er in Gumpoldskirchen, Krems und in Bad Kreuznach seine Studien beendet hatte, das Weingut Mission in Hawke’s Bay. Mission ist das älteste Weingut Neuseelands, 1851 gegründet, auch wenn es dort Jahrzehnte lang dank Prohibition keinen Weinbau gab. Rudi Bauer ist nach seinem Assistant-Winemaker-Engagement bei Mission für eine Zeit zu Simi nach Kalifornien und zu Sokol-Blosser nach Oregon gereist, bevor Rolfe Mills ihn dann zu Rippon geholt hat. 1989 bis 1992 hat er die entscheidenden Professionalisierungsjahre von Rippon begleitet, sowohl im Weinberg als auch im Keller. Nach einer Zeit bei Giesen in Marlborough hat er dann 1997 mit einigen Partnern Quartz Reef gegründet. Um mal ein wenig zu verdeutlichen, wer Rudi Bauer ist, sollte erwähnt werden, dass er 2010 vom Feinschmecker zum Winemaker of the Year gewählt wurde. Als einer von damals sechs weltweit und natürlich als erster aus Neuseeland. Rudi ist einer der Vorreiter in Central Otago und hat eine großes Wissen über biodynamische Wirtschaftsweise erworben. Spezialisiert hat er sich vor allem auf Pinot und Schaumwein.
Die drei Schäumer Brut, Millèsime und Rosé begeistern in ihrer Eleganz und Opulenz. Vor allem die feinen Autolyse-Hefenoten und das feine Mousseux machen die Weine, denen Rudi viel Zeit im Keller gibt, extrem attraktiv. Wir haben uns abends – ich hatte an dem Tag Geburtstag – in das Restaurant einer aus Deutschland stammenden Köchin gesetzt und ich hatte für diesen Abend von Deutschland und quer durch Neuseeland eine Flasche Conges von Janisson-Baradon geschleppt. Aber der Pinot-Meunier-Champagner hatte gegen den Jahrgangs-Sparkeling zumindest an dem Abend keine Chance. Was es außerdem zu trinken gab aus Rudis Keller, neben einigen vorzüglichen Burgundern – hatte ich erwähnt, dass er in den 1980ern auch ein wenig Zeit bei Meo-Camuzet verbracht hat? – war ein gereifter acht Jahre alter Pinot Noir, der gezeigt hat, wo die Reise seiner Pinots hingeht, wenn man ihnen Zeit lässt. Jung sind sie sehr dunkel, reif, würzig mit deutlichem Holzeinsatz. Gereift werden sie deutlich subtiler, zeigen dabei aber immer warme, dunklen Noten und eine ganz eigene Würze. Abgeschlossen haben wir den Abend im The Kitchen in Bannockburn übrigens mit Bier vom Winemaker der Chard Farm, wo ich den Tag begonnen hatte. John Wallace erzeugt nicht nur sehr gute Pinots – vor allem die jüngsten sind extrem frisch mit sehr wenig oder keinem offensichtlichen Holzeinsatz. Das Steam Brew seiner kleinen Marke Queenstown Brewers war auch gut: easy drinking, fruity, slightly bitter, good balance.
Und noch etwas sollte ich neben dem Dank an Rudi Bauer für seine Gastfreundschaft nicht vergessen. Beim Regional Tasting fiel mir speziell dieser Wein besonders auf: Der Prophets Rock Dry Riesling 2010 stammt aus Pisa. Die Trauben wurden Ende April 2010 gelesen, „Whole Bunch“ gepresst, spontan vergoren und in kleinen Gebinden bis Mai 2011 auf der Feinhefe gelassen. Der Wein hat bei 7,7 Gramm Säure 10 Gramm Zucker, der Alkohol liegt bei 12%. Der Riesling gehört für mich zu den besten, die ich in Neuseeland probieren konnte. Die Dichte, die Struktur, die florale Leichtigkeit einerseits, die mineralische Würze andererseits, dazu eine hervorragende Länge. Das macht großen Spaß. Leider werden nur 300 Kisten produziert!
In Neuseeland:
Teil 1: Auckland, Waiheke und die Bucht von Man O’ War
Teil 2: Einige erste Gedanken zum neuseeländischen Weinbau
Teil 4: In Hawke’s Bay bei Craggy Range und Elephant Hill
Teil 5: In Hawke’s Bay bei Trinity Hill und Sileni
Teil 6: In Martinborough bei Ata Rangi
Teil 7: In Martinborough und Gladstone
Teil 8: In Nelson bei Woollaston und Neudorf
Teil 9: In Marlborough, bei Johanneshof, Greywacke, Dog Point
Teil 10: In Marlborough, über Sauvignon Blanc, einen Besuch bei Yealands und die Nachhaltigkeit
Teil 11: In Marlborough mit Framingham und Seresin
Teil 12: In Marlborough mit Huia, Hans Herzog, Fromm
Teil 13: In Marlborough mit Clos Henri, Te Whare Ra und Rockferry
Teil 14: A Day Off (Von Marlborough nach Canterbury)
Teil 15: In Canterbury, Pegasus Bay
Teil 16: In Canterbury, Black Estate, Pyramid Valley
Teil 17: In Central Otago, Rippon, Quarz Reef
Teil 18: In Central Otago, Burn Cottage und Felton Road
Die Reise erfolgte auf Einladung und wurde mit mir und nach meinen Wünschen hervorragend organisiert von:
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[…] Teil 17: In Central Otago, Rippon, Quarz Reef […]
[…] nur sagen, es ist großartiger Stoff. Wir freuen uns auf Weine von Man O’ War, Ata Rangi und Quartz Reef (die drei Weingüter sind zu den jeweiligen Artikeln verlinkt, die ich darüber schon verfasst […]