Die Stippvisite auf Waiheke Island war ein wunderbarer Anfang, quasi ein Aperitif, um in die neuseeländische Weinszene einzutauchen. Er war auch deswegen gut, weil meine Entscheidung, Man O’ War zu besuchen strukturell gut zu den weiteren Besuchen in Hawke’s Bay passte, denn hier wie dort, sind es Unternehmer, die sich ein Weingut leisten. In den Tagen drei und vier bin ich nun schon tiefer in die neuseeländische Weinszene, vor allem in die von Hawke’s Bay eingedrungen. Und das hat mich aus verschiedenen Gründen stark beeindruckt. Deswegen stelle ich in Teil 2 nicht einfach Landschaft und Weine vor, sondern hole etwas weiter aus.
Grund 1 – das Marketing
Wenn man von Deutschland nach Neuseeland kommt, könnte man so etwas wie einen Kulturschock kriegen, denn der neuseeländische Weinbau ist völlig anders als der deutsche. Und er ist in einem viel höheren Maße anders, als ich es erwartet hatte. Denn wir als Exportweltmeister schaffen es ja bis heute nicht, uns als Weinland international zu vermarkten. Wir leben, was die Weinvermarktung und den Weinhandel angeht, in einer träumerischen und manchmal naiven, ja kleinkarierten Welt, der man erst wirklich gewahr wird, wenn man mal etwas weiter über den Tellerand hinausschaut. Neuseeland ist ziemlich weit vom eigenen Tellerrand entfernt.
Für uns in Deutschland zählt vor allem die eigenen Weinkultur. Für uns zählen Tradition und Handwerk. Dagegen ist nichts auszusetzen, ich bin selber ein klarer Befürworter von Handwerk. Auch Tradition hat ihre guten Seiten. Allerdings auch ein paar miserabele. Wir besinnen uns gerne auf unsere Tradition. Zu der gehört allerdings auch, dass wir sie zeitweise vergessen haben und die Tradition durch Müller-Thurgau ersetzt haben. Gleichzeitig halten wir sie hoch, indem wir auf die Qualität der Lagen setzen. Dabei versuchen einige, die Qualitätsstufen von Kabinett, Spätlese, Auslese etc. aufrecht zu erhalten und andere setzen auf die Qualitätspyramide der Guts-, Orts- und Lagenweine sowie der Großen Gewächse während der Titel Kabinett, Spätlese und Auslese den (rest-)süßen Weinen durchaus weiter verliehen werden kann. Jenen, die tiefer in der Szene stecken, ist das natürlich nicht neu, dass diese völlige Begriffsverwirrung zu einem ratlosen Schulterzucken auf den internationalen Märkten führt und man sich von Seiten engagierter Importeure (z.B. Terry Theise in den USA) teils harsche, manchmal auch etwas bornierte Kritik anhören muss. Ich saß derweil gestern mit einem Sommelier aus Las Vegas zu Tisch bei Craggy Range. Der hatte das ganze Lagen-ABC und das halbe Deutsche Weingesetz für seine Prüfungen auswendig gelernt, doch verstanden hatte er, nach eigener Aussage, wenig.
Da kommt man dann in ein Land, das keine Weintradition hat und das von Beginn an (es gab auch vor dem Sauvignon-Boom eine übersichtliche Weinszene, aber die können wir noch kurz beiseite schieben) auf den Export gesetzt hat. Der Weinbau gehört heute mit Kiwis und Lämmern und Merinowolle und einigen anderen Dingen zu den fünf wichtigsten Exportzweigen in Neuseeland. Dabei hat sich das Weinland ein ganz klares Profil erarbeitet. Obwohl es sich in einem gewissen Maße immer noch in der Experimentierphase befindet. Neuseeland hat sich mit dem von Cloudy Bay ausgelösten Sauvignon-Blanc-Boom im mittleren Preissegment festgesetzt. Der Durchschnittspreis einer Flasche exportierten neuseeländischen Weins liegt bei 5,52 Euro pro Liter. Wir sollten uns daran erinnern, dass der Deutsche im Durchschnitt 2,8 Euro für einen Liter ausgibt. Als USP setzt Neuseeland ganz deutlich auf den Begriff der Sustainability, der Nachhaltigkeit, für die heute schon 94% aller Weinbaubetriebe zertifiziert sind. Der Begriff der Nachhaltigkeit hat bei uns schon etwas Abgedroschenes, hier aber wirkt er wie selbstverständlich. Auch wenn es unterschiedliche Zertifizierungsprogramme mit unterschiedlichem Fokus gibt und die Unterschiede dort womöglich ähnlich sind, wie die zwischen europäischem Biosiegel und einer Bioland- oder Naturland-Zertifizierung, so scheint es mir doch immer eine Idee von der Notwendigkeit zu geben, nachhaltig zu arbeiten und auch einen Willen, dies zu beherzigen.
Man kann Jon Peet als einen glücklichen Menschen bezeichnen. Er managt die Weinberge bei Elephant Hill und kann bei der Pflegeauf fast unbegrenzte Ressourcen zugreifen.
Neuseeland hat es enorm schnell geschafft, sich ein klares Image auf den internationalen Märkten zu verschaffen. Und während neben der Nachhaltigkeit natürlich weiterhin der Marlborough-Sauvignon die erste Geige spielt und die anderen Region mitzieht, arbeiten viele daran, dass andere Weinregionen und andere Sorten irgendwann ein ähnliches Alleinstellungsmerkmal bekommen. Die internationale Aufmerksamkeit für den neuseeländischen Wein sowie die Möglichkeiten, die das Land bietet, ziehen gleichzeitig internationale Investoren und lassen nationale ebenfalls investieren. Neben international tätigen Getränkemarken und Konzernen wie Constellation Brands, Pernod-Ricard oder im Luxussegment LVMH (Besitzer von Cloudy Bay), sind es vor allem private Unternehmer, die hier ihr Geld investieren. Während meines Aufenthalts in Hawke’s Bay war ich gleich bei vier solcher Unternehmungen (von vieren, die ich besucht habe). Während Sileni sehr erfolgreich vor allem im Consumer-Bereich mitspielt, haben Trinity Hill, Elephant Hill und Craggy Range im Sinn, das Beste zu produzieren, was geht. Übrigens ist das bei Man O’ War auf Waiheke kaum anders. Was hier also genauso an der Tagesordnung ist wie die Nutzung des Begriffs Weinindustrie – wenn man das Wort in Deutschland in den Mund nimmt, wird man ja eher angeschaut, als würde man in aller Öffentlichkeit ungeniert in der Nase bohren – ist in Deutschland immer noch eine Seltenheit. Selbst nationale Investoren, Unternehmer wie Achim Niederberger oder Detlev Meyer sind die absolute Ausnahme und was internationale angeht, fallen mir gerade einmal Weil, Koehler-Ruprecht und Klingenberg ein. Für das neuseeländische Weingeschäft haben diese Weingüter eine klare Leuchtturmfunktion und ich bin mir sicher, dass zum Beispiel die drei genannten aus Hawke’s Bay, auf die ich noch mal im Regionalporträt zurückkommen werde, einen immensen Einfluss darauf haben werden, ob beispielsweise die Chardonnays und Syrahs aus Hawke’s Bay auf Dauer den internationalen Erfolg haben werden, den sie verdienen.
Das viele Geld, das währenddessen investiert werden will, führt zu einem ausgesprochen hohen Qualitätsstandard. Technisch gesehen ist hier so ziemlich alles perfekt, was ich bisher probiert habe. Die Technik unterstützt auch den Nachhaltigkeitsgedanken, denn viele Prozesse werden durch moderne Technik deutlich umweltschonender. Auf dem Weg zur angestrebten Perfektion ist allerdings nach meiner Auffassung etwas Vorsicht geboten, denn perfekte Technik und perfekte Hilfsmittel ersetzten nicht den Charakter, den Wein haben sollte. Michael Henley, der CEO des Weinguts Trinity Hill nannte dies in unserem Gespräch den Beauty Spot, der eine Schönheit zur wirklich begehrenswerten Schönheit macht. Dieser Fleck, diese Kante oder Seele fehlt hier manch einem Wein noch.
Grund 2 – der Boden
Wir haben ja in unserem Weinbau das Glück, dass die besten Plätze schon vor oftmals tausend Jahren von Mönchen entdeckt und kultiviert wurden. In Neuseeland hat man im 19. Jahrhundert hier und da ein paar Rebflächen gepflanzt, dann kam die Prohibition und eigentlich ging es dann erst in den 1970ern langsam weiter (unter anderem mit Müller-Thurgau, der Erfolgsrebe der 70er-Jahre). In den frühen 1980ern hat man in Hawke’s Bay angefangen, in größerem Maße zu pflanzen, während der Erfolg des Sauvignons vor allem in die beginnenden 1990er in Marlborough fällt. An vielen Orten hat man damals die Rebstöcke auf fette Böden gepflanzt. vor allem in Hawke’s Bay ist dies dann schnell zum Thema geworden.
Auf der Suche nach Qualität ändert sich hier beständig eine ganze Menge. Ein gutes Beispiel dafür sind die Gimblett Gravels. Dieser steinige Boden eignet sich für Truppenübungsplätze, für Müllhalden und – für Wein. Das hat man vor einigen Jahren erkannt und mittlerweile ist die gesamte Fläche außer dem Truppenübungsplatz bebaut. Der Blick von Good Old Europe auf die Weinbau produzierenden Länder der südlichen Hemisphäre ist ja gerne der, dass man da sowie entweder kein Terroir hat oder nicht darüber redet. Das ist schlichtweg falsch. Alle hier reden von Terroir, auch wenn sie den Begriff kaum nutzen. Und alle sind auf der Suche nach den besten Böden. In den vulkanischen Böden gibt es Granit, Gabbro, Dunit, Basalt, Andesit, Rhyolit, Schiefer, Gneiss, Marmor, Greenstone, Kalkstein, Silit und vieles mehr. Wer es sich leisten kann, untersucht seine Weinberge genau und pflanzt hier teils im Zeilenabstand die passenden Rebsorten zu den jeweiligen Böden.
Grund 3 – das Wetter
Das Wetter in Neuseeland hat, wie überall anderswo auch, einen enormen Einfluss auf den Weinbau. Vielleicht hier sogar noch mehr den der vergleichsweise schmale, lange Streifen aus zwei großen Inseln ist von allen Seiten vom Pazifik und seinen Winden beeinflusst. Das Mikroklima wechselt selbst auf der kleinen Insel Waiheke so schnell wie die Beschaffenheit der Böden. Der Umstand, dass es bei Man O’ War nur hier und da eine Bepflanzung gibt, ist genau diesen beiden Umständen geschuldet, der Kombination aus Boden und Klima. Es ist natürlich kein Zufall, dass es in Martinborough, hier in Deutschland vor allem durch Ata Rangi, Karl H. Johner und Kai Schubert bekannt, vor allem Pinot Noir gibt. Der passt zum kühl-zugigen Wairarapa-Tal, in dem sich drei kleine Weinbaugebiete befinden, am besten. Die Idee, die auch die hier ansässigen Winzer immer wieder hören, dass die Jahrgänge in der Neuen Welt ja mehr oder weniger Bedeutungslos seien, ist also eine falsche Vorstellung. Es hat nicht zuletzt einen enormen Einfluss auf den gesamten Wirtschaftszweig. Im durchschnittlich guten Jahr 2011 wurden etwa 330 Millionen Tonnen Trauben geerntet, im kühlen und völlig verregneten Jahr 2012 waren es dagegen nur etwa 260 Millionen Tonnen während es im Jahr 2014 mehr als 440 Millionen Tonnen zu ernten gab.
Erstes, kurzes Fazit
Man hat hier im Land hervorragenden Bedingungen, um Weine auf hohem Niveau zu produzieren. Auch wenn es mittlerweile gute zwanzig Jahre Erfahrung gibt, steckt die Branche trotz hoher Professionalität noch in den Kinderschuhen. Und das ist gar nicht abwertend gemeint sondern schlichtweg eine Zustandsbeschreibung, die mir hier viele Winzer geben. Es wird in hohem Maße ausprobiert, während man mit den Standards das Geld verdient. Das Thema Boden ist noch lange nicht ausgereizt. Während man den Weinbau hier bisher vor allem im Flachland pflegt, gehen einige in die Hügel, was ein Menge Investitionen erfordert. Doch in Martinborough/Gladstone heißt das zum Beispiel, dass man in den Hügeln den Kalkstein hat, der im Tal selbst fehlt. Auch was die Rebsorten angeht, ist noch viel möglich. Bisher sind es ja vor allem die Standards, die sich auch international gut verkaufen lassen. Doch es gibt einige Überraschungen. Und gerade gestern habe ich die erste Reihe an Orange-Weinen probiert, die auf jeden Fall Teil des großen Experimentierfeldes sein sollten.
In Neuseeland:
Teil 1: Auckland, Waiheke und die Bucht von Man O’ War
Teil 2: Einige erste Gedanken zum neuseeländischen Weinbau
Teil 4: In Hawke’s Bay bei Craggy Range und Elephant Hill
Teil 5: In Hawke’s Bay bei Trinity Hill und Sileni
Teil 6: In Martinborough bei Ata Rangi
Teil 7: In Martinborough und Gladstone
Teil 8: In Nelson bei Woollaston und Neudorf
Teil 9: In Marlborough, Johanneshof, Greywacke, Dog Point
Teil 10: In Marlborough, über Sauvignon Blanc, einen Besuch bei Yealands und die Nachhaltigkeit
Teil 11: In Marlborough mit Framingham und Seresin
Teil 12: In Marlborough mit Huia, Hans Herzog, Fromm
Teil 13: In Marlborough mit Clos Henri, Te Whare Ra und Rockferry
Teil 14: A Day Off (Von Marlborough nach Canterbury)
Teil 15: In Canterbury, Pegasus Bay
Teil 16: In Canterbury, Black Estate, Pyramid Valley
Teil 17: In Central Otago, Rippon, Quarz Reef
Teil 18: In Central Otago, Burn Cottage und Felton Road
Die Reise erfolgte auf Einladung und wurde mit mir und nach meinen Wünschen hervorragend organisiert von:
In Bezug auf Marketing/Deutschland/NZ ein paar Gedanken:
Ich glaube tatsächlich, dass es eine einzige Grundbefürchtung bei Konsumenten deutscher Weine im Ausland gibt, die durch das bestehende System nicht aufgelöst wird, und das ist die Frage der Restsüße. Auch Frankreich hat ja hochkomplexe, nicht immer kongruente Benamungsregeln, ich würde auf dieser Ebene gar nicht viel ändern, sondern so wie Dr. Loosen ein zusätzliches Label für den Export einführen: http://www.loosenbrosusa.com/files/DrLoosenRSRieslingDry2012Bottle.jpg
Natürlich ist es aber auch sehr angenehm zu sehen, wie NZ Produzenten dazu in der Lage sind, einfach selbst Produktstandards zu setzen, ohne auf bestehende Wertungssyteme zurückzugreifen.
Der zweite relevante Unterschied zwischen beiden Ländern: Neuseeland exportiert über 75% seiner Weine in den angelsächsischen Raum. Das ist insofern bedeutsam, als das die Hürden in der Kommunikation zwischen Sender und Empfänger niedrig sind. Jedes mal, wenn ich ein deutsches Etikett sehe, das sich an internationalem Humor versucht, wünsche ich mir, dass deutsche Winzer stärker mit Designern in ihren Zielmärkten arbeiten, um das Produkt relevant für den Markt zu präsentieren. Eigentlich ein lösbares Problem.
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